Seitdem „American McGee’s Alice“ im Jahr 2000 erschien, wartet die treue Fangemeinde auf einen Nachfolger. Dabei war es besonders das unglaublich tolle und abgefahrene Artdesign, dass das Spiel bis heute auszeichnete. Der Nachfolger „Alice: Madness Returns“ bleibt der Maxime des Vorgängers treu. Es ist ein herausforderndes Third-Person-Action-Adventure mit viel Stil, aber leider auch einigen spielerischen und technischen Schwächen.
Was wir cool finden
Schräg, verrückt, blutig
Der Grafikstil von „Alice“ war schon 2000 einzigartig. An dem Konzept haben die Designer um American McGee zum Glück nichts verändert. Das Wunderland könnte noch immer aus den finsteren Träumen der Grinsekatze stammen. Hier gibt es keinen netten Hutmacher wie in Tim Burton’s jüngster Verfilmung. Und auch Alice selbst ist kein unschuldiges Mädchen. Sie wird geplagt von den Dämonen der Vergangenheit und das Wunderland ist nur ein Abbild ihrer Psyche. Mit fortschreitendem Wahnsinn bricht die Umgebung daher immer mehr auseinander, gerät in immer verrücktere Formen und Farben. Seine Höhepunkte hat das Spiel zweifellos, wenn Alice nach etwa vier Stunden – also rund der Hälfte – Realität und Fiktion miteinander vermischt und so London und Wunderland in einander übergehen. Aber auch Areale wie das Wassertheater oder die Gärten der Herzkönigin sind herrlich schräg.
Das Gegnerdesign ist dabei ähnlich abgedreht. Als Standardmonster tauchen zunächst die schleimigen Ruin-Brocken samt Kindermasken auf. Ebenso wie die Soldaten der Königin wirken einfach alle Figuren seltsam verformt und entstellt. Klasse! Auch wenn die Areale nicht immer die schärfsten Texturen oder den höchsten Detailgrad besitzen. Das Artdesign ist einfach genial und trägt maßgeblich zu der einzigartigen Atmosphäre des Spiels bei.
Wir empfehlen übrigens einmal mehr die englische Version des Spiels. Denn „Madness Returns“ setzt massiv auf verschiedene englische Dialekte, wodurch die Charaktere an Tiefe dazu gewinnen. Die deutsche Variante geht zwar insgesamt durchaus in Ordnung, allerdings fehlen dort eben gerade diese Feinheiten.
Urteil: Sehr gut
https://www.youtube.com/watch?v=3HdlDm2QXV4
Die Mischung macht’s
„Alice: Madness Returns“ baut auf eine ordentliche Mischung aus Geschicklichkeit, Kampf und eingestreuten Mini-Spielen. Während die Steuerung anfangs ein wenig schwammig daher kommt, findet man sich aber gerade mit den Jump’n’Run-Elementen schnell zurecht. Die Kämpfe dagegen sind zuweilen ein wenig unübersichtlich, da die Kamera beim Benutzen der Zielvorrichtung zu dicht an Alice klebt.
Trotzdem gefällt uns das Spieltempo, mit dem die Entwickler in „Alice: Madness Returns“ arbeiten. Nach längeren ruhigen Sprungpassagen – untermalt von leisen Ambiente-Klängen – wechseln sie recht schnell zu größeren Schlachten. Selbst kleine Sammelaufgaben – wie etwa beim Freischalten von Instrumenten unter Wasser – werden auf diese Weise nicht langweilig, sondern sind eher eine willkommene Abwechslung. Ganz ähnlich gelungen empfanden wir die gelegentlichen Mini-Spiele. Zwischendurch dürft ihr etwa Schieberätsel lösen, in einem 2D-U-Boot Knochenhaie jagen oder einige Scherzfragen der Grinsekatze beantworten. Über den Schrumpf-Modus entdeckt ihr zudem versteckte Pfade, die euch immer wieder zu geheimen Erinnerungen oder Extra-Zähnen führen. So sind die Areale bei „Alice: Madness Returns“ zwar nur selten riesig groß, trotzdem lohnen sich Blicke nach links oder rechts immer wieder.
Wie in beinahe jedem Geschicklichkeitsspiel wiederholen sich diese Elemente zwar mit der Spielzeit. Doch durch das abgefahrene Szenario hatten wir eigentlich nie das Gefühl von Langeweile. Stattdessen schienen auch längere Hüpfpassagen stets im Sinne des Gameplays zu sein und nicht, um das Spiel unnötig in die Länge zu ziehen.
Urteil: Gut
Eine Prise Taktik
Für die Gegner in „Alice: Madness Returns“ benötigt ihr immer wieder eine eigene Taktik. Bei dem „Colossal Ruin“ etwa dauert es etliche Minuten, ehe ihr sie mit einer Kombination aus Pfeffermühlen-MG und Teekannen-Granatwerfer weich geprügelt habt. Hier bekommt ihr wirklich das Gefühl, gegen einen mächtigen Endgegner anzutreten. Auch die Kanonenkrebse in den Unterwasser-Levels müsst ihr zunächst durch das Zurückschleudern einer Kanonenkugel auf den Rücken werfen und dann mit dem Steckenpferd bearbeiten. Die mutierten Spielkarten der Herzkönigin sind dagegen weniger komplex.
Uns störte bei vielen Widersachern lediglich die Haudrauf-KI. Selbst wenn die Figuren schon offenkundig schwer angeschlagen waren, haben sie stets ihr Heil im Angriff gesucht und haben sich etwa nicht kurzzeitig zurück gezogen.
Auch das Waffenarsenal hätte üppiger ausfallen dürfen. Jeweils zwei Schlag- und Schusswaffen führt Alice mit sich. Kombo-Möglichkeiten gibt es kaum. Die Upgrades sind begrenzt. Mit mehr Funktionen hätten die Entwickler die Schlachten noch etwas taktischer und anspruchsvoller gestalten können.
Urteil: Gut
[nggallery id=2500]
Was wir weniger cool finden
Upgrades mit wenig Wirkung
Über die Spielzeit sammelt ihr neben verlorenen Erinnerungen auch weiße und goldene Zähne ein. Sie sind die virtuelle Währung von „Alice: Madness Returns“. Im Pausenmenü könnt ihr Waffen wie das Steckenpferd, die Pfeffermühle und die Teekanne aufrüsten. Dummerweise ist das System sehr oberflächlich gehalten und die Upgrades haben auch nur geringeren Einfluss auf den Spielablauf selbst. Wir hatten zwischendurch sogar vergessen, dass es diese Optionen überhaupt gibt. Weiterhin fehlen Informationen darüber, welche Veränderungen die Upgrades überhaupt verursachen. Offensichtlich verändern sie die Kampfkraft, aber Nachteile besitzen sie nicht. Kurzum: Die Upgrades sind eher eine nett gedachte Dreingabe, als ein wirkliches Feature.
Urteil: Befriedigend
Müder Einstieg und technische Schwächen
„Alice: Madness Returns“ startet langsam, ja geradezu schwerfällig. Das Spiel nutzt die Wucht der Vorlage leider nicht von Beginn an aus. Stattdessen rennt ihr nach einer kurzen Passage in London durch die Hutmacherdomäne. Sie gehört ohne Zweifel zu den grafisch schwächsten Spielabschnitten, die wir in diesem Jahr auf der PlayStation 3 gesehen haben. In den gewaltigen Metallanlagen sind die Probleme der Grafik-Engine mehr als deutlich: Die Texturen sind vielerorts matschig. Dynamische Oberflächen wie Wasser oder anfangs geschmolzenes Metall wirken platt und nicht plastisch. Vielmehr sind es flache Texturen, die auf Oberflächen geklebt wurden. Die Objekte sind zu eckig. Dadurch erscheint „Alice: Madness Returns“ technisch altbacken. Zwar kaschiert der unwiderstehliche Stil einige dieser Schwachstellen, viele Probleme ziehen sich aber wie ein roter Faden durch das gesamte Spiel.
So besitzt „Alice: Madness Returns“ zwar noch immer das unvergleichliche Artdesgin seines Vorgängers. Doch bevor diese Schönheit wirklich zum Tragen kommt, müsst ihr euch durch einige Längen und zugegebenermaßen recht hässlichen Abschnitte spielen. Auch spätere Areale und die Animationen der Hauptdarstellerin leiden unter der insgesamt sehr durchschnittlichen technischen Umsetzung.
Urteil: Ausreichend
Wie immer: Kamera und Zeitprobleme
Gerade in den Sprungpassagen leisten sich Spicy Horse Games einige schwerwiegende Fehler, die besonders Gelegenheitsspieler an den Rand des Wahnsinns treiben werden. Den Anfang macht die Kameraperspektive: Ihr könnt die Ansicht zwar mit dem rechten Stick kontrollieren, allerdings macht sie auch genau so oft vollkommen willkürliche Schwenks. In einem Abschnitt während unseres Tests etwa wirbelte die Kamera während eines Sprunges unter Alice, sodass wir die Abstände nicht mehr richtig einschätzen konnten. Es folgte einer der vielen Neustarts, bei denen glücklicherweise die Checkpoints sehr fair gesetzt sind.
Hinzu kommen aber einige Patzer, die wir inzwischen im Geschicklichkeitsgenre für ausgerottet erachtet hatten. Da wären etwa unsichtbare Plattformen, die wir nur im Schrumpfmodus erkennen können. Die Markierungen verschwinden blöderweise nach wenigen Sekunden, sodass wir immer wieder (mehr oder minder) blind auf unsichtbare Ebenen springen müssen. Alice steht dann bei Gelingen sprichwörtlich in der Luft. Richtig fies sind solche Auswüchse in Kombination mit Zeitlimits oder gar tödlicher Dunkelheit. Denn dann sind die Sprungpassagen nicht nur Hektik pur, sondern einfach unfair und frustrierend. Zwar treten solche Elemente nur selten auf. Wir können uns aber vorstellen, dass so mancher nach dem zehnten Bildschirmtod das Gamepad entnervt beiseite legt.
Urteil: Mangelhaft
System: PlayStation 3
Vertrieb: Electronic Arts
Entwickler: Spicy Horse Games
USK: ab 18 Jahren
Release: erhältlich
Offizielle Homepage: http://alicemadnessreturns.com/
Kommentare
tina.
16. Juni 2011 um 07:39 UhrIch habe Alice angespielt und bin mit meiner Freundin restlos begeistert. Grafik ist hübsch anzusehen…einziger Makel ist das zielen. Das fällt träge und unpräzise aus. Aber das kann ICH sehr gut verkraften.
CloudAC
16. Juni 2011 um 20:33 Uhrwenn das mit den ganzen tests so weiter geht, was ja auch die hersteller usw mitbekommen, befürchte ich das bald noch weniger spiele bis zu uns kommen….
Boombastic87
16. Juni 2011 um 22:34 Uhrnach ein paar stunden spielzeit muss ich sagen, alice madness returns macht fun! zwar erfindet das game das rad nicht neu, macht in meinen augen aber auch nicht viel falsch! erinnert stark an ein jump’n’run vermischt mit hack’n’slay und einer prise adventure in bunter und abwechslungsreicher grafik!
sonnenkind77
21. Juni 2011 um 18:31 Uhrwäre gut wenn der gschi#$%%^ online pass funktioniren würde
redfield84
21. Juni 2011 um 20:54 Uhrhabs heute bekommen und finde es hammer!
redfield84
21. Juni 2011 um 20:55 Uhr@sonnenkind
welche version hast du? ich habe die UK-Pegi version bekommen und konnte daher den Onlinepass nur in UK-Store aktivieren!
redfield84
21. Juni 2011 um 20:57 Uhrvielleicht liegt auch daran, dass das Spiel erst offiziell morgen in DE erscheint! Vielleicht klappts dann!
sonnenkind77
22. Juni 2011 um 05:43 Uhrdie usk version
sonnenkind77
22. Juni 2011 um 06:02 Uhr@redfield84
danke für den tip hab ein deutsches konto eröffnet
und kann es endlich runterladen 🙂
redfield84
22. Juni 2011 um 06:29 Uhr@sonnenkind
gern geschehen
hgwonline
22. Juni 2011 um 17:36 Uhrwas mich viel mehr nervt sind unsichtbare wände und kanten an denen alice öfter hängen bleibt, oder umgedrehte zerstörte kaffeetassen, die zwar nur ein kleines loch haben aber man selbst im schrumpfmodus nicht hinein kann. das zeigt das die entwickler sich leider nicht wirklich viel mühe gegeben haben. trotzdem ist das gameplay an sich überzeugend, aber was dem spielspaß wirklich in die höhe treibt ist einfach das ambiente! das flair ist gigantisch und deshalb macht mir das game wirklich spaß!!!
p.s.: zwischendrin hatte alice mal ganz kurz ein neues kleid an, warum wieso weshalb habe ich keine ahnung, ich habe im menü zumindest kein anderes anwählbar…
ne0r
24. Juni 2011 um 14:46 Uhr@inFA
Zitat: „Wer spielt denn so einen Mist ?“
Ich kann dir nur zustimmen 😛
ToBa
27. Juni 2011 um 13:08 UhrDas gehänge an unsichtbaren Wänden ist wirklich ein Kritikpunkt wert. Sonst konnte ich beim durchspielen keine weiteren Kritikpunkte erkennen.
Nur blöd, dass der Teil 1 aus dem Store ein Spielgegenstand von Teil 2 ist. Wieso macht man so einen Unsinn?!
dethspank
28. Juni 2011 um 08:41 UhrGestern gekauft, wirkt dennoch ein wenig unausgereift. Auf jeden Fall tolles Game – macht viel Spaß und es is schon „sick“ 😉 … definitiv einen Kauf wert.
Heute gehts gleich weiter ins Wunderland nach der Arbeit ^^
fuenfzig
19. September 2011 um 18:43 Uhrna wie ist denn das spiel nun? bei uns gibt’s das gerade usk16 für 29.99€. soll man da zuschlagen? und was ist mit der altersbeschränkung – ist das spiel nun ab 16 oder gibt’s auch ’ne 18 fassung? fragen über fragen…