Review

TEST: Alice – Madness Returns (inkl. kommentiertem Gameplay-Video)

play3 Review: TEST: Alice – Madness Returns (inkl. kommentiertem Gameplay-Video)

7.5

Seitdem „American McGee’s Alice“ im Jahr 2000 erschien, wartet die treue Fangemeinde auf einen Nachfolger. Dabei war es besonders das unglaublich tolle und abgefahrene Artdesign, dass das Spiel bis heute auszeichnete. Der Nachfolger „Alice: Madness Returns“ bleibt der Maxime des Vorgängers treu. Es ist ein herausforderndes Third-Person-Action-Adventure mit viel Stil, aber leider auch einigen spielerischen und technischen Schwächen.

Was wir cool finden

Schräg, verrückt, blutig
Der Grafikstil von „Alice“ war schon 2000 einzigartig. An dem Konzept haben die Designer um American McGee zum Glück nichts verändert. Das Wunderland könnte noch immer aus den finsteren Träumen der Grinsekatze stammen. Hier gibt es keinen netten Hutmacher wie in Tim Burton’s jüngster Verfilmung. Und auch Alice selbst ist kein unschuldiges Mädchen. Sie wird geplagt von den Dämonen der Vergangenheit und das Wunderland ist nur ein Abbild ihrer Psyche. Mit fortschreitendem Wahnsinn bricht die Umgebung daher immer mehr auseinander, gerät in immer verrücktere Formen und Farben. Seine Höhepunkte hat das Spiel zweifellos, wenn Alice nach etwa vier Stunden – also rund der Hälfte – Realität und Fiktion miteinander vermischt und so London und Wunderland in einander übergehen. Aber auch Areale wie das Wassertheater oder die Gärten der Herzkönigin sind herrlich schräg.

Das Gegnerdesign ist dabei ähnlich abgedreht. Als Standardmonster tauchen zunächst die schleimigen Ruin-Brocken samt Kindermasken auf. Ebenso wie die Soldaten der Königin wirken einfach alle Figuren seltsam verformt und entstellt. Klasse! Auch wenn die Areale nicht immer die schärfsten Texturen oder den höchsten Detailgrad besitzen. Das Artdesign ist einfach genial und trägt maßgeblich zu der einzigartigen Atmosphäre des Spiels bei.

Wir empfehlen übrigens einmal mehr die englische Version des Spiels. Denn „Madness Returns“ setzt massiv auf verschiedene englische Dialekte, wodurch die Charaktere an Tiefe dazu gewinnen. Die deutsche Variante geht zwar insgesamt durchaus in Ordnung, allerdings fehlen dort eben gerade diese Feinheiten.
Urteil: Sehr gut

https://www.youtube.com/watch?v=3HdlDm2QXV4

Die Mischung macht’s
„Alice: Madness Returns“ baut auf eine ordentliche Mischung aus Geschicklichkeit, Kampf und eingestreuten Mini-Spielen. Während die Steuerung anfangs ein wenig schwammig daher kommt, findet man sich aber gerade mit den Jump’n’Run-Elementen schnell zurecht. Die Kämpfe dagegen sind zuweilen ein wenig unübersichtlich, da die Kamera beim Benutzen der Zielvorrichtung zu dicht an Alice klebt.

Trotzdem gefällt uns das Spieltempo, mit dem die Entwickler in „Alice: Madness Returns“ arbeiten. Nach längeren ruhigen Sprungpassagen – untermalt von leisen Ambiente-Klängen – wechseln sie recht schnell zu größeren Schlachten. Selbst kleine Sammelaufgaben – wie etwa beim Freischalten von Instrumenten unter Wasser – werden auf diese Weise nicht langweilig, sondern sind eher eine willkommene Abwechslung. Ganz ähnlich gelungen empfanden wir die gelegentlichen Mini-Spiele. Zwischendurch dürft ihr etwa Schieberätsel lösen, in einem 2D-U-Boot Knochenhaie jagen oder einige Scherzfragen der Grinsekatze beantworten. Über den Schrumpf-Modus entdeckt ihr zudem versteckte Pfade, die euch immer wieder zu geheimen Erinnerungen oder Extra-Zähnen führen. So sind die Areale bei „Alice: Madness Returns“ zwar nur selten riesig groß, trotzdem lohnen sich Blicke nach links oder rechts immer wieder.

Wie in beinahe jedem Geschicklichkeitsspiel wiederholen sich diese Elemente zwar mit der Spielzeit. Doch durch das abgefahrene Szenario hatten wir eigentlich nie das Gefühl von Langeweile. Stattdessen schienen auch längere Hüpfpassagen stets im Sinne des Gameplays zu sein und nicht, um das Spiel unnötig in die Länge zu ziehen.
Urteil: Gut

Eine Prise Taktik
Für die Gegner in „Alice: Madness Returns“ benötigt ihr immer wieder eine eigene Taktik. Bei dem „Colossal Ruin“ etwa dauert es etliche Minuten, ehe ihr sie mit einer Kombination aus Pfeffermühlen-MG und Teekannen-Granatwerfer weich geprügelt habt. Hier bekommt ihr wirklich das Gefühl, gegen einen mächtigen Endgegner anzutreten. Auch die Kanonenkrebse in den Unterwasser-Levels müsst ihr zunächst durch das Zurückschleudern einer Kanonenkugel auf den Rücken werfen und dann mit dem Steckenpferd bearbeiten. Die mutierten Spielkarten der Herzkönigin sind dagegen weniger komplex.

Uns störte bei vielen Widersachern lediglich die Haudrauf-KI. Selbst wenn die Figuren schon offenkundig schwer angeschlagen waren, haben sie stets ihr Heil im Angriff gesucht und haben sich etwa nicht kurzzeitig zurück gezogen.

Auch das Waffenarsenal hätte üppiger ausfallen dürfen. Jeweils zwei Schlag- und Schusswaffen führt Alice mit sich. Kombo-Möglichkeiten gibt es kaum. Die Upgrades sind begrenzt. Mit mehr Funktionen hätten die Entwickler die Schlachten noch etwas taktischer und anspruchsvoller gestalten können.
Urteil: Gut

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Was wir weniger cool finden

Upgrades mit wenig Wirkung
Über die Spielzeit sammelt ihr neben verlorenen Erinnerungen auch weiße und goldene Zähne ein. Sie sind die virtuelle Währung von „Alice: Madness Returns“. Im Pausenmenü könnt ihr Waffen wie das Steckenpferd, die Pfeffermühle und die Teekanne aufrüsten. Dummerweise ist das System sehr oberflächlich gehalten und die Upgrades haben auch nur geringeren Einfluss auf den Spielablauf selbst. Wir hatten zwischendurch sogar vergessen, dass es diese Optionen überhaupt gibt. Weiterhin fehlen Informationen darüber, welche Veränderungen die Upgrades überhaupt verursachen. Offensichtlich verändern sie die Kampfkraft, aber Nachteile besitzen sie nicht. Kurzum: Die Upgrades sind eher eine nett gedachte Dreingabe, als ein wirkliches Feature.
Urteil: Befriedigend

Müder Einstieg und technische Schwächen
„Alice: Madness Returns“ startet langsam, ja geradezu schwerfällig. Das Spiel nutzt die Wucht der Vorlage leider nicht von Beginn an aus. Stattdessen rennt ihr nach einer kurzen Passage in London durch die Hutmacherdomäne. Sie gehört ohne Zweifel zu den grafisch schwächsten Spielabschnitten, die wir in diesem Jahr auf der PlayStation 3 gesehen haben. In den gewaltigen Metallanlagen sind die Probleme der Grafik-Engine mehr als deutlich: Die Texturen sind vielerorts matschig. Dynamische Oberflächen wie Wasser oder anfangs geschmolzenes Metall wirken platt und nicht plastisch. Vielmehr sind es flache Texturen, die auf Oberflächen geklebt wurden. Die Objekte sind zu eckig. Dadurch erscheint „Alice: Madness Returns“ technisch altbacken. Zwar kaschiert der unwiderstehliche Stil einige dieser Schwachstellen, viele Probleme ziehen sich aber wie ein roter Faden durch das gesamte Spiel.

So besitzt „Alice: Madness Returns“ zwar noch immer das unvergleichliche Artdesgin seines Vorgängers. Doch bevor diese Schönheit wirklich zum Tragen kommt, müsst ihr euch durch einige Längen und zugegebenermaßen recht hässlichen Abschnitte spielen. Auch spätere Areale und die Animationen der Hauptdarstellerin leiden unter der insgesamt sehr durchschnittlichen technischen Umsetzung.
Urteil: Ausreichend

Wie immer: Kamera und Zeitprobleme
Gerade in den Sprungpassagen leisten sich Spicy Horse Games einige schwerwiegende Fehler, die besonders Gelegenheitsspieler an den Rand des Wahnsinns treiben werden. Den Anfang macht die Kameraperspektive: Ihr könnt die Ansicht zwar mit dem rechten Stick kontrollieren, allerdings macht sie auch genau so oft vollkommen willkürliche Schwenks. In einem Abschnitt während unseres Tests etwa wirbelte die Kamera während eines Sprunges unter Alice, sodass wir die Abstände nicht mehr richtig einschätzen konnten. Es folgte einer der vielen Neustarts, bei denen glücklicherweise die Checkpoints sehr fair gesetzt sind.

Hinzu kommen aber einige Patzer, die wir inzwischen im Geschicklichkeitsgenre für ausgerottet erachtet hatten. Da wären etwa unsichtbare Plattformen, die wir nur im Schrumpfmodus erkennen können. Die Markierungen verschwinden blöderweise nach wenigen Sekunden, sodass wir immer wieder (mehr oder minder) blind auf unsichtbare Ebenen springen müssen. Alice steht dann bei Gelingen sprichwörtlich in der Luft. Richtig fies sind solche Auswüchse in Kombination mit Zeitlimits oder gar tödlicher Dunkelheit. Denn dann sind die Sprungpassagen nicht nur Hektik pur, sondern einfach unfair und frustrierend. Zwar treten solche Elemente nur selten auf. Wir können uns aber vorstellen, dass so mancher nach dem zehnten Bildschirmtod das Gamepad entnervt beiseite legt.
Urteil: Mangelhaft

System: PlayStation 3
Vertrieb: Electronic Arts
Entwickler: Spicy Horse Games
USK: ab 18 Jahren
Release: erhältlich
Offizielle Homepage: http://alicemadnessreturns.com/

7.5

Wertung und Fazit

TEST: Alice – Madness Returns (inkl. kommentiertem Gameplay-Video)

„Alice: Madness Returns“ ist kein Spiel für zwischendurch. Ihr müsst euch darauf einlassen, auch mal eine oder zwei Stunden investieren. Gerade der Beginn ist ausgesprochen träge und die stellenweise immer wieder biedere Grafik spricht nicht gerade für „Alice: Madness Returns“. Doch spätestens wenn die Handlung ins Rollen kommt, spürt und seht ihr, wie sich das Wunderland verändert. In diesen Momenten erreicht die Atmosphäre von „Alice: Madness Returns“ ihren Höhepunkt.

Es ist genau dieser ganz typische Grafikstil, der erneut von American McGee und seinem Entwicklerteam geprägt werden. Spielerisch ist „Alice: Madness Returns“ sicherlich nicht perfekt. Zu den eigentlich recht gelungenen Kämpfen gesellt sich ein kleines Upgrade-System und Designpatzer wie Hüpfrätsel unter Zeitlimits oder derbe Kameraprobleme.

So wird „Alice: Madness Returns“ polarisieren. Wir sind uns sicher, dass andere Reviews deutlich schlechter ausfallen könnten. Uns allerdings hat der Ausflug ins Wunderland erneut vor den Screen gefesselt. Eben aufgrund seiner Bildgewalt und seiner grandiosen Atmosphäre – unterfüttert von einem soliden Gameplay-Konstrukt.

Hotlist

Kommentare

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