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TEST: Call of Juarez – The Cartel

play3 Review: TEST: Call of Juarez – The Cartel

4.0

Aus dem Wilden Westen ins moderne Los Angeles. Viele Kenner von „Call of Juarez“ haben sich über den Zeitsprung aufgeregt. Aber wir sagen: Die etwas dünne Story und der wackelige Wild-West-Bezug ist das kleinste Übel in „The Cartel“. Entwickler Techland – die zeitgleich an „Dead Island“ arbeiten – liefern nämlich ein Paradebeispiel für ein unfertiges Videospiel ab.

Was wir cool finden

Doch besser gemeinsam
Geteiltes Leid ist bekanntermaßen halbes Leid. Gleiches gilt auch für „Call of Juarez: The Cartel“. Müsst ihr nicht auf die KI-Pappenheimer zurückgreifen, dann ist der Shooter zumindest halbwegs erträglich. In der Lobby – einem Abschnitt vor jedem Level – könnt ihr euch zwei Mitstreiter suchen. Ärgerlich: Es gibt keine einfache Drop-in-Drop-Out-Funktion. Hat eine Session begonnen, könnt ihr weder irgendwo einsteigen noch einen Freund mit ins Boot holen.

„Call of Juarez“ spielt sich trotz der vielen technischen Schwierigkeiten im Multiplayer halbwegs solide. Schließlich hat sich Techland Mühe gegeben, den Mehrspieler so innovativ wie möglich zu halten. Daher gibt es spezielle Herausforderungen, die ihr nur im Koop löst – etwa eine bestimmte Anzahl an Kopfschüssen. Das Polizisten-Trio sorgt zudem dafür, dass ihr immer wieder neue Story- und Levelstränge entdeckt. Gelegentlich wird die Gruppe getrennt und abhängig von eurer Spielfigur seid ihr entweder Scharfschütze und gebt Deckung oder befindet euch mitten im Getümmel. Auch die Autofahrten gewinnen an Brisanz. Dann übernimmt einer das Steuer, während die anderen schießen. Mit menschlichen Spielern ist natürlich bei jedem Fahrfehler die Aufregung groß. Wären nicht die unzähligen Bugs, hätte gerade der Koop-Modus richtig viel Spaß machen können.
Urteil: Befriedigend

Ein paar Ideen
Die Geschichte von „Call of Juarez: The Cartel“ ist zwar platt wie eine Flunder und wird schlecht erzählt, aber immerhin wurden die Hintergründe der Charaktere recht ordentlich in den Gameplay-Zusammenhang eingebunden. Die eigentliche Haupt-Story ist für jeden Helden gleich. Allerdings erhaltet ihr immer wieder Anrufe und Zwischenaufträge, die mit den Einzelschicksalen zu tun haben. Ben etwa muss für eine Freundin Geld stehlen und sackt immer wieder Kohle von Tatorten ein. Obwohl diese Aktionen den Handlungsstrang kaum beeinflussen, so ist die Idee der bösen Cops doch recht originell und lockert das Spiel auf.
Urteil: Befriedigend

Was wir weniger cool finden

Müde Shooter-Kost
„Call of Juarez: The Cartel“ ist ein geradliniger Shooter. Allerdings fühlt sich das Spiel derart steif und künstlich an, dass einem recht schnell der Spaß vergeht. Ein Deckungssystem gibt es nur an vorgegebenen Stellen. Vernünftige Laufbewegungen suchen wir vergeblich. Stattdessen gleiten die Spielfiguren durch die Levels. Auch der Rückschlag der Pistolen sieht seltsam aus. Die Knarre schlägt hektisch zurück, wackelt wie ein Lämmerschwanz.

Grafisch ist „Call of Juarez: The Cartel“ insgesamt lediglich Mittelmaß. Die Chrome Engine müht sich zwar redlich, aber gerade die Stadtmissionen erscheinen zu generisch. Deutlich besser gefallen uns da einige Passagen, in den wir durch weite Landschaften streifen. Bei der Darstellung von Lichteffekten und Bäumen kann sich das Spiel nämlich durchaus sehen lassen. Die Zwischensequenzen werden leider überlagert von den steifen Animationen der Protagonisten und der maskenhaften Mimik. Es gibt in „Call of Juarez“ leider nur ganz wenige Moment, in denen das Spiel natürlich und ungezwungen wirkt.
Urteil: Ausreichend

Zu wenig Hollywood
Es spricht schon sehr gegen einen Ego-Shooter, wenn wir ihn nach dem ersten Level am liebsten gleich wieder aus der Konsole werfen möchten. „Call of Juarez: The Cartel“ bietet so rein gar nichts, was wir nicht schon besser in irgend einem anderen Shooter geboten bekommen hätten. Wir ballern uns durch Wälder. Schießen uns durch Städte. Und dann auch durch Nachtclubs. Die Geschichte wird nur notdürftig von animationslosen Nachrichten in den Ladepausen beisammen gehalten. Dass die Story ungefähr so viel Tiefe bietet wie das örtliche Nichtschwimmerbecken, müssen wir an dieser Stelle wohl kaum betonen.

Selbst die Fahrzeugsequenzen wirken aufgesetzt und dadurch absolut lächerlich. Hier stören immer wieder schlecht gesetzte Wegpunkte. Ständig führt man uns in die falsche Richtung. Das Ergebnis: Neustart! Das häufige Try & Error zehrt zusätzlich an den Nerven. Dabei wären die Rasereien durchaus unterhaltsam. Aber irgendwie ist die Präsentation derart mau und langweilig, dass wir Wachmacher schlucken müssen, um nicht hinter dem Steuer einzuschlafen. Dramatik gibt es in diesem Spiel nur allzu selten.
Urteil: Ausreichend

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Miserabel abgemischter Sound
Die deutsche Version von „Call of Juarez: The Cartel“ leidet nicht nur unter der schwachen Übersetzung, die Sprachausgabe wurde immer wieder miserabel abgemischt. Die Sprüche unserer Kollegen sind mal lauter und mal leiser. Selbst wenn die Burschen direkt neben uns stehen, klingt es manchmal so, als würden sie irgend wo in einem Nachbarraum mit uns sprechen.

Noch viel schlimmer: Durch einen Bug im Spiel, wiederholen sich in manchen Passagen die Sprüche, sobald ihr bestimmte Bereiche erneut betretet. Das zerstört natürlich jegliche Atmosphäre.
Urteil: Mangelhaft

Drei Helden, kein Hirn!
Wir sagen es nicht gern, aber die Dialoge und die Charaktere in „Call of Juarez“ sind die dümmsten, die wir seit Langem gehört haben. Daneben wirken selbst die One-Liner eines Duke Nukem wie echtes Kulturgut. Dabei ist besonders die Übersetzung schief gelaufen. Die Latinos klingen in diesem Spiel derart klischeehaft, dass es schon fast eine Beleidigung darstellt. Wenn Eddie Guerra Türsteher mit den Worten „yo, yo, yo“ anquatscht, verkommt das eigentlich bierernste Actionspiel zur ungewollten Komödie. Weniger witzig sind die Gewaltausbrüche unseres Hauptcharakters Ben Mccall. Wie sollen wir uns mit einem Anti-Helden identifizieren können, der stiehlt, Frauen schlägt und Leute foltert. Das Charakterdesign ist fragwürdig. Die durch die Bank unsympathischen Charaktere tun dem Spiel nicht sonderlich gut. Der Script-Autoren ist die Gratwanderung zwischen persönlichen Problemen der Helden und Außenseitertum nicht gelungen.

Doch leider bleibt die Kleingeistigkeit nicht auf die Dialoge beschränkt. Auch die KI macht immer wieder durch pure Unfähigkeit auf sich aufmerksam. Spielt ihr alleine, übernimmt der Computer eure beiden Partner. Allerdings schießen die Cops nicht sonderlich gut und bemühen sich auch nicht die Sondergegenstände aufzusammeln. Gelegentlich verschwinden sie sogar vollständig und tauchen erst an Knotenpunkten wieder auf. Praktischerweise sind auch die KI-Schurken nicht gerade die cleversten: Sie nutzen Objekte nur gelegentlich zur Deckung, übersehen aber gerne mal ihre Gegner. Uns ist es einige Male passiert, dass die Burschen vollkommen orientierungslos durch die Levels ballerten.
Urteil: Mangelhaft

Bugs, Bugs, Bugs!
Alle Fehler aufzuzählen, die uns während des Tests untergekommen sind, würde wahrscheinlich den Rahmen dieses Artikels sprengen. Daher beschränken wir uns auf einige Beispiele. Während einer Sequenz etwa verschwand plötzlich unsere Waffe. Uns stand also eine Horde Widersacher gegenüber und wir konnten uns nicht wehren. Uns blieb nichts anderes übrig, als den letzten Speicherstand zu laden.

Zudem steht das Spiel auf ausgesprochen wackeligen Grafikbeinen. Nicht nur, dass die Figuren beim Stürzen gerne mal im Boden oder in Objekten hängen bleiben. Zuweilen kommt es zu derart heftigen Grafikfehlern, wie wir sie schon lange nicht mehr in einer Vollversion entdecken durften. Da blicken wir plötzlich durch Wände oder Objekten verschwinden, nur um nach einigen Sekunden und einem anderen Blickwinkel wieder aufzupoppen. Außerdem kommt es bei der PlayStation 3-Fassung immer wieder zu Rucklern, sobald die Konsole neue Inhalte nachladen muss.

Das technische Grundgerüst hinter „Call of Juarez: The Cartel“ ist eine einzige Katastrophe und zeigt, dass Techland entweder nicht genug Zeit zum Polishing hatte oder dass einfach zu wenig Ressourcen freigemacht werden konnten. So jedenfalls ist „Call of Juarez“ nur mit einer großen Schmerzgrenze und viel Wohlwollen spielenswert.
Urteil: Ungenügend

System: PlayStation 3
Vertrieb: Ubisoft
Entwickler: Techland
USK: ab 18 Jahren
Release: erhältlich
Offizielle Homepage: http://www.callofjuarez.com/thecartel/

4.0

Wertung und Fazit

TEST: Call of Juarez – The Cartel

Wann immer ein Testmuster erst zum Release eines Spiels bei uns eintrudelt, sind wir skeptisch. „Call of Juarez: The Cartel“ hat bereits in unseren Preview-Sessions einen schwachen Eindruck hinterlassen. Traurigerweise hat sich dieser nun endgültig bestätigt! Der Ego-Shooter strotzt vor Fehlern und wirkt lieblos dahin gesaut. Techland hatte offensichtlich keine Lust auf das Projekt. Und bei Ubisoft schläft die Qualitätskontrolle wohl lieber, als dass sie ihre Arbeit erledigt. Anders können wir uns die Ideen- und Lieblosigkeit kaum erklären, mit der „Call of Juarez: The Cartel“ in Bits und Bytes zusammen geschustert wurde. Es ist zweifellos einer der schwächsten Ego-Shooter, der bislang für die PlayStation 3 erschienen ist. Wirklich schade ist es wirklich nur um den soliden Koop-Modus und die wenigen feinen Ideen. Denn mit ein wenig Hingabe hätte man auch mit dem modernen Western-Szenario ein richtig gutes Spiel zaubern können.

Hotlist

Kommentare

broken steel

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29. Juli 2011 um 22:47 Uhr
viktor56422

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Ace-of-Bornheim

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Stefan-SRB

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