INTERVIEW: The Order 1886 - Studioboss steht Rede und Antwort

Kürzlich hatte die Redaktion die Möglichkeit, Ru Weerasuriya, den Chef des bekannten Sony-Studios Ready at Dawn in einem ausführlichen Telefoninterview zu seinem neuem PS4-only Projekt „The Order 1886“ zu befragen. Mit PLAY3.DE sprach er über die Anfänge der Entwicklung, das brandneue Physiksystem, verblüffend echte Waffen, die Leistungsfähigkeit der PS4 und versteckte Ostereier…

The Order 1886 PS4 Playstation 4 Screenshot

play3.de: Wer die letzten Wochen und Monate die Informationslage zu „The Order 1886“ mitverfolgt hat, stellte sich oft diese eine Frage: In welchem Genre ist der neue PS4-Exklusivtitel überhaupt angesiedelt?
Ru:
Der Titel ist ein Third-Person-Action-Game für Einzelspieler.

play3.de: In den ersten Überblicksdokumenten, die Sie uns zur Verfügung gestellt haben, ist aber die Rede von insgesamt vier Protagonisten. Wäre da nicht ein Koop-Modus naheliegend?
Ru:
Der Grund, den Fokus auf eine Truppe aus vier Persönlichkeiten zu legen, liegt auf der Hand: Mit „The Order 1886“ wollen wir eine ganz neue Marke mit eigenen Helden und Persönlichkeiten etablieren. Dennoch: Der Spieler selbst steuert vorerst nur einen davon: Gallahan.

play3.de: Laut ihren Aussagen ist man trotzdem sehr oft als Gruppe unterwegs. Ist es demnach möglich, seinen Mitstreitern Befehle zu erteilten, sprich ihre Handlungen direkt zu beeinflussen?
Ru:
Das ist etwas, das wir vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren werden. Wahrscheinlich dann, wenn wir der Presse erstmals einen komplett spielbaren Level präsentieren. Aktuell gibt es aber definitiv eine ausgeprägte „Kameradschaft“ zwischen den Figuren, bezogen darauf wie sie sich spielen und wie sie miteinander interagieren. Über spezifische Gameplay-Mechaniken können wir zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht mehr sagen.

play3.de: Der angestrebte Mix aus London, Mystery und Monstern ist ja schon ziemlich faszinierend. Wie fing das alles eigentlich an? Hat das Team gemeinsam beim Bier in einer Bar gesessen und dann kam die zündende Idee?
Ru:
Streng genommen gab es verschiedene sogenannte Kick-Off-Points mit denen alles anfing. Die Story, die inhaltlichen Voraussetzungen und die Idee, wie die Welt aufgebaut ist, das alles sind Dinge, zu denen ich bereits 2005, 2006 kleine Geschichte aufgeschrieben habe. Damals waren es aber hauptsächlich Ideen für eine Marke, nicht unbedingt konkret ein Spiel.

Es ging mehr darum, eine komplette Welt zu erschaffen und sich darüber Gedanken zu machen, wie diese Welt aufgebaut ist: Wie sah die Vergangenheit dieser Welt aus? Was waren die Ursprünge dieser Welt? Welches die einschneidenden Ereignisse, die sie geformt haben? Und natürlich: Wie unterscheidet sich die Geschichte dieser Welt von unserer? Dann, irgendwann 2009, 2010, nachdem ich zahlreiche Geschichten verfasst und schon länger über diesen Ideen gebrütet hatte, fingen wir an, die Spielmechaniken für einen Titel zu diskutieren, mit dem wir damals schon länger herumexperimentiert hatten. Nun ja, und irgendwann kam dann der Punkt, an dem beide Projekte sozusagen ineinander flossen. Die Story und die Marke begannen, die Grundidee dieses Spiels zu beeinflussen, das wir als Shooter in der viktorianischen Zeit konzipiert hatten. Vieles kommt aber sicher auch daher, dass ich ein echter Geschichtsfreak bin. Ich liebe Geschichte und sie selbst ist seit jeher ein echter Garant für die mysteriösesten und unglaublichsten Geschichten.

play3.de: Der Spieler wird also immer tatsächliche Referenzen auf die viktorianische Ära finden?
Ru:
Absolut. Trotzdem darf man dabei nicht vergessen: „The Order 1886“ ist nur ein Fenster, das den Betrachter auf die Ereignisse dieser Welt in eben dieser Zeit blicken lässt. Der in dieser Welt tobende Krieg findet jedoch schon seit Jahrhunderten statt.

play3.de: Das heißt aber gleichzeitig, dass viele weitere Spiele wie zum Beispiel „The Order 1912“ in diesem Universum möglich wären?
Ru:
Ja. Ich selbst möchte irgendwann mal dahin kommen, dass wir einen Punkt erreichen, an dem wir theoretisch zu jedem Jahr in dieser alternativen Zeitlinie eine Geschichte erzählen könnten. Vorrangig aber soll es eine Geschichte werden, die man vor allem dynamisch weiterführen kann.

The Order 1886 PS4 Playstation 4 Screenshot

play3.de: Wie genau muss man sich die Darstellung von London zu jener Zeit vorstellen? Durchstreift der Spieler eine offene Welt oder kämpft er sich von Areal zu Areal wie beispielsweise in „Uncharted 3“?
Ru:
Unsere Spielerfahrungen sind seit jeher „Level-geführt“. Wir haben darüber debattiert, ob eine eher modulare, um nicht zu sagen offene Welt Sinn macht, entschieden uns dann aber dagegen. Um eine wirklich umwerfende Geschichte zu erzählen und die Spieler mitzureißen, muss man meiner Meinung nach einem linearen Ansatz folgen.

play3.de: In ersten „Worum geht’s überhaupt“-Dokumenten ist die Rede von Jahrhunderte zurückliegenden Ereignissen, die die Welt zu dem machten, was sie jetzt ist. Wird der Spieler diese zurückliegenden Ereignisse ebenfalls miterleben?

Ru: In „The Order 1886“ wollen wir zunächst mal eins tun: einen glaubhaften Hintergrund für die Geschichte abstecken, die Gallahan erlebt. Im Spiel selbst sind klassische Zeitsprünge jedoch kein Thema. Im Vordergrund steht ganz klar der Konflikt zwischen insgesamt drei Gruppierungen im Jahr 1886. Der Hauptkampf findet statt zwischen den Menschen und den sogenannten „Halfbreed“, eine Art Kreuzung zwischen Mensch und Werwolf. Ins Kreuzfeuer dieser Rivalitäten geraten jedoch zunehmend die verschiedenen Schichten der damals vorherrschenden Gesellschaft. Der Pöbel zum Beispiel weiß, dass er sich gegen die Halfbreed zur Wehr setzen muss. Gleichzeitig will er sich nicht von den Aristokraten vorschreiben lassen, was er zu tun und zu lassen hat. Daraus ergibt sich ein Kräftedreieck, das viele Parallelen zu unserer Welt aufweist. Unsere Welt ist auch nie nur Schwarz und Weiß, sondern immer auch Grau. Im Spiel wollen wie ebenso kein Szenario, wo Gut und Böse klar getrennt sind, vielmehr soll auch Grau immer eine entscheidende Rolle spielen.

play3.de: Ihren Begleitinformationen zufolge spielt Objektinteraktion eine wichtige Rolle fürs Gameplay. Was genau ist damit gemeint?

Ru: Sehr gerne doch. Nehmen wir als Beispiel das Deckungssystem. Es ist so ausgefeilt, dass man Deckungen nicht nur einfach zerstören, sondern sogar gezielt Löcher in diese schießen kann – die andere natürlich ebenfalls zu ihrem Vorteil nutzen können. Oder als zweites Beispiel die Interaktion mit Metallen: Der Spieler kann Dinge aus Metall deformieren, die sich in anderen Spielen wahrscheinlich nicht verändern lassen. Ein mögliches Ergebnis: Plötzlich tun sich Lücken und Wege im Leveldesign auf, durch die der Spieler schlüpfen kann. Oder nehmen wir das Beispiel Stoffe: Schießt man auf Kleidung oder ähnliches, fliegen Teile davon wesentlich realistischer durch die Gegend als man es von einem „starre Körper“-Physiksystem gewohnt ist. Die daraus resultierende Welt kommt wesentlich realistischer rüber. Für uns ganz wichtig: Das alles ist nicht das essentielle Merkmal des Spiels. Dennoch sorgt das Physiksystem dafür, dass man in eine sehr glaubhafte Welt abtauchen kann.

The Order 1886 PS4 Playstation 4 Screenshot

play3.de: Wäre eine solch ausgefeilte Physiksimulation auch noch auf Playstation 3 technisch möglich?
Ru:
Das haben wir tatsächlich noch nicht ausprobiert. Aktuell arbeiten wir ausschließlich auf Playstation 4. Unsere jetztige Technologie – obwohl immer für Cross-Plattform ausgelegt – zielt primär auf Playstation-4-Projekte ab. Heute kann ich dazu also noch nichts sagen. Aber klar, wenn sich eine Möglichkeit ergibt, das Physiksystem auf andere Plattformen zu übernehmen, würden wir diese natürlich nutzen.

play3.de: Ihr Team hat einen fantastischen Ruf im Handheld-Sektor. Allen voran natürlich durch die beiden „God of War“-Teile für PSP. Folglich stellt sich natürlich die Frage: Tun Sie etwas, um „The Order“ mit der Mobil-Welt zu verbinden? Die Vita als Zweitbildschirm vielleicht?
Ru:
Interessante Frage. Als wir mit den Arbeiten an diesem Projekt begannen, wussten wir über vieles, was wir vorhaben und was die Plattform (also die PS4) können soll, noch gar nicht Bescheid. Trotzdem ist die Mobil-Konnektivität für mich ganz persönlich eine der interessantesten Eigenschaften der Plattform, speziell die Verbindung zwischen PS4 und Vita. Intern haben wir darüber gesprochen und auch schon coole Ideen gesammelt, wie beide Geräte miteinander interagieren könnten. Diese Ideen noch weiter zu spinnen, birgt gleichwohl die Gefahr, den Fokus auf das eigentliche Spielerlebnis zu verlieren, was wir natürlich nicht wollen. In diesem Zusammenhang erwähnenswert: Auch die Möglichkeiten der neuen Playstation Eye Kamera haben wir ausgelotet. Die Möglichkeiten sind auch hier vielfältig. Unser Spielablauf bindet die Kamera zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht ein.

play3.de: Apropos Spielerlebnis. Wenn Sie jemanden nach den Top-Veraufsargumenten von „The Order 1886“ fragen würde – wie würden Sie antworten? Warum zum Beispiel sollte sich ein „God of War“-Fan für dieses Game interessieren, welches für Herbst 2014 geplant ist?
Ru:
Ich glaube am Ende des Tages sind es drei Dinge, die „The Order“ auszeichnen. An vorderster Front steht sicherlich die Immersion. Kurz gesagt: Wir wollen den Spieler mitreißen. „Moment to moment“-Gamplay nennen wir das. Sämtliche Passagen sind extrem abwechslungsreich. Ihr werdet das Gefühl haben, das Spiel live mitzuerleben, statt wie so oft einfach nur zuzuschauen. Ihr wisst schon, dieser typische Spielaufbau bei dem man sich eine Zwischensequenz anguckt, dann ein bisschen daddelt und kurz darauf schon wieder die nächste Zwischensequenz über die Mattscheibe flimmert. Genau diesen Ablauf wollen wir nicht. Bei uns verschmelzen all diese Elemente miteinander.Zweitens: Die Welt an sich und alles was in ihr geschieht spielen eine tragende Rolle.

The Order 1886 PS4 Playstation 4 Screenshot

Und zu guter Letzt natürlich das Kampfsystem, die Waffen und alles was dazugehört. Wir haben diesen irren Ideen-Cocktail aus Wissenschaft und Fantasy, was allein schon den Umgang mit einzelnen Waffen zu einem echten Aha-Erlebnis macht. Lange untersuchten wir zum Beispiel die damals dominierenden Waffensysteme, um ihnen schließlich unseren ganz einen Stempel aufzudrücken. Nikola Tesla zum Beispiel hat zu jener Zeit viel geforscht, ebenso wie Alfred Nobel und viele andere. Es war die Zeit zahlreicher unglaublicher Erfinder und Erfindungen. Und auf die Rücksicht nehmend sagten wir uns: Okay, das sind die Dinge, die es tatsächlich gab. Doch wie viel mehr braucht es, um das Bestehende noch einen Tick verrückter zu machen? Allerdings ohne dabei zu sehr auf die Sci-Fi-Schiene abzudriften.
Das Ergebnis sieht man in unserer Waffenkammer. Die Waffen sollen cool sein, aber eben auch glaubhaft. Die Thermite-Gun etwa verschießt Thermit, das der Spieler anschließend entflammen kann. Die Arc-Gun feuert Elektroschocks ab, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. A und O beim Waffendesign: Alle zur Auswahl stehenden Argumentationsverstärker müssen sich drastisch unterscheiden und sich nicht nur wie die bessere Version von etwas anderem anfühlen. Der Spieler soll intelligente Entscheidungen treffen und keine, die wir ihm aufzwängen. Weshalb wir ihm auch nicht erlauben, immer alle Waffen mitzuführen – was zudem unrealistisch wäre.

play3.de: Und das Nahkampf-System?
Ru:
In Sachen Nahkampf arbeiten wir auf verschiedenen Gameplay-Ebenen. Die klassischen Quicktime-Reaktionstests zum Beispiel wandeln wir leicht ab und geben ihnen so einen ganz neuen Twist. Die anderen Ebenen versuchen wir zu nivellieren, mit dem Ziel, ein möglichst filmisches Endergebnis zu schaffen. Beispielsweise haben wir tonnenweise Kampfsequenzen in Filmen studiert, um dieses so wichtige Gefühl von Schlagkraft und Härte zu replizieren. Als weitere Ebene führen wir so etwas wie „Intuition“ ins Kampfsystem ein – mehr darf ich dazu leider noch nicht verraten. Und klar, auch die Objektinteraktion mit der Umgebung wird in Kämpfen eine Rolle spielen.

play3.de: Die neue Konsolengeneration wirft gerne mit Schlagworten wie 1080p und 60 Bildern pro Sekunde um sich. Leider konnte nicht jeder Launchtitel diese hochgesteckten Ziele erreichen. Wo setzt ihr an?
Ru:
Aktuell streben wir keine 60 Bilder pro Sekunde an. Bei einem Ego-Shooter macht das sicher Sinn. Auch Fighting-Games sind zweifelsohne prädestiniert für 60 Frames. Für uns jedoch steht die filmische Erfahrung im Vordergrund – dargestellt in Full HD, sprich 1080p. Zugunsten spektakulärer Effekte und der höchstmöglichen Auflösung beschränken wir uns aber auf flüssige 30 Bilder pro Sekunde.

The Order 1886 PS4 Playstation 4 Screenshot

play3.de: Mark Cerny, der Architekt der Playstation 4, hat vor einiger Zeit in einem sehr hörenswerten Vortrag von spürbar reduzierten Entwicklungszeiten auf PS4 im Vergleich zur PS3- und PS3-Ära gesprochen. Würden Sie dem zustimmen?
Ru:
Ja, wenn’s um die Arbeit mit der PS4 als Plattform geht, würde ich definitiv zustimmen. Es ist einfacher als auf PS3 und hat bisher schon jede Menge Spaß gemacht. Die Barriere überhaupt erst mal mit der Plattform klarzukommen, ist auf jeden Fall niedriger. Was allerdings die Erschaffung des eigentlichen Spiels angeht, sieht die Realität aus: Bis die eigentliche Spielerfahrung – eigentlich egal auf welcher Plattform – wirklich zündet, braucht es, so blöd das klingen mag, genau die Zeit, die es eben braucht. So richtig berechnen kann man das nicht. Manchmal brauchen gute Spielmechaniken Jahre, um sie zu perfektionieren. Dennoch sind wir mit der PS4 hochauf zufrieden – mehr als mit jeder anderen Plattform zuvor.

play3.de: Können Sie vielleicht etwas konkreter werden? Hohe Rechenpower, XXL-Arbeitsspeicher, flotter Grafikchip, toller Controller, Social-Media-Vernetzung – wofür sind Sie Sony besonders dankbar?
Ru:
Die Schönheit des Ganzen ist nicht eine einzelne Komponente, sondern vielmehr das Gesamtpaket. Als man das System zusammenstelle, sammelte Sony unglaublich viel Feedback von Entwicklern weltweit, um so viele Wünsche wie möglich zu berücksichtigen. Ferner hat Sony die PS4 sehr zukunftsorientiert konstruiert. Die Anfänge von „The Order 1886“ von unserer PC-basierten Technologie auf PS4 zu portieren, war damals ein Kinderspiel. Kein Vergleich zu PSP- und PS3-Zeiten! Man hatte diesmal stets die Nöte der Entwickler im Hinterkopf – das ist glaube ich der Joker, den Sony nun ausspielen kann. Beispielsweise gab es einen regelmäßigen Dialog zwischen uns und Mark Cernys Team. Und ja: Sie haben fantastisch zugehört! Nicht nur den Sony-eigenen Teams da draußen, sondern so ziemlich allen anderen wichtigen Studios auch.

play3.de: Ok, jetzt mal Butter bei die Fische. Können Sie unseren Leser etwas zu „The Order“ verraten, was so noch nicht enthüllt wurde.
Ru:
Hehe, netter Versuch. Diese Frage hören wir tatsächlich recht häufig. Leider sind wir sehr an Embargos seitens des Herstellers gebunden. Doch glaubt uns, es wird noch genügend Anlässe geben, ausführlich über „The Order“ zu plaudern.

play3.de: Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin mit „The Order 1886“.

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