ANGESPIELT: South Park – Der Stab der Wahrheit

Das Rollenspiel „South Park – Der Stab der Wahrheit“ hat einen ähnlich langen Weg hinter sich wie die Gefährten aus „Der Herr der Ringe“. 2012 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, hätte das Spiel zur amerikanischen Kult-Serie eigentlich von THQ vertrieben werden sollen. Doch als der Publisher pleite ging, schnappte sich Ubisoft Anfang vergangenen Jahres die Lizenz zu „South Park – Der Stab der Wahrheit“ und wollte es eigentlich im Dezember 2013 in die Läden bringen. Aber von wegen! Aufgrund von Qualitätsproblemen wurde das Rollenspiel gemeinsam mit „Watch Dogs“ in das kommende Finanzjahr geschoben.

Nun lud Ubisoft erstmals zu einer ausgiebigen Hands-On-Session von „South Park – Der Stab der Wahrheit“ in seine Düsseldorfer Büros. Hier waren die ersten rund zwei Stunden des Rollenspiels verfügbar. Und siehe da: Auch wenn „South Park – Der Stab der Wahrheit“ vielleicht kein Genre-Schwergewicht wie „Skyrim“ ist, geniale Comic-Unterhaltung mit solider RPG-Spielmechanik wird hier allemal geboten.

Toilettenspiele!
Die Charaktererstellung beschränkt sich in „South Park – Der Stab der Wahrheit“ auf ein Minimum. Im Baukasten bastle ich mir meinen eigenen Comic-Klon zurecht – natürlich in der ganz typischen Papp-Schablonen-Optik der Serie. Haarfarbe, Klamotten und besondere Kennzeichen wie ein blaues Auge, Tränensäcke oder Sommersprossen sind ohnehin nur für den Anfang wichtig. Im Spielverlauf finde ich noch mehr als genug Objekte, um das Aussehen meines Helden wieder zu verändern.

Einen Klick später befinde ich mich auch schon in „South Park“. Der MOVIN-Umzugswagen steht in einer Garagenauffahrt. Hektisch trägen Helfer die letzten Kisten hinein. Der erste Gag lässt nicht lange auf sich warten. Die Eltern stehen vor meiner etwa acht Jahre alten Spielfigur und fragen: „Du weißt, warum du hier bist?“ Kein Antwort. Sie flüstern zueinander: „Er hat alles vergessen. Das ist gut so!“ Natürlich spielt „South Park – Der Stab der Wahrheit“ hier auf die lieb gewordene RPG-Tradition des namenlosen Helden ohne Vergangenheit an.

Kurz darauf übernehme ich erstmals die Kontrolle über meinen Avatar und streune durch das Haus. Türen mit goldenen Griffen kann ich öffnen und mich nach Loot umschauen. Ich finde viel Plunder, eine neue Perücke. Im Badezimmer allerdings entdecke ich das erste versteckte Mini-Spiel: Auf dem Klo kann ich durch Button-Mashing eine ordentliche Ladung in die Schüssel donnern. Naja, Anspruch ist anders. Aber witzig ist es allemal!

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Einstieg ins Abenteuer
Kaum vor der Haustür beobachte ich wie einige als Elfen verkleidete Jungs den kleinen Butters verhauen. Als Gerechtigkeit liebender Mensch gehe ich dazwischen und vertreibe die Unruhestifter. Der blonde und herzensgute Butters führt mich infolgedessen auch sogleich in das Lager der Menschen. Denn in „South Park“ herrscht ein Fantasy-Krieg. Menschen gegen Elfen. Angeführt vom Großmagus Cartman verteidigen die Menschen den Stab der Wahrheit und warten auf einen auserwählten Kämpfer, der den Konflikt beenden soll. Und das soll natürlich ausgerechnet mein kleiner Bengel sein.

In diesem Augenblick wähle ich auch die Klasse: Krieger, Dieb, Zauberer oder … Jude! Auch hier bedient „South Park – Der Stab der Wahrheit“ wieder Rollenspielklischees. Der Jude fungiert dabei als ein Paladin. Er kann also zaubern, aber notfalls auch mächtig zuschlagen – mit seinem Judenstab.

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Furz der Gerechtigkeit
Der erste Kampf lässt auch nicht lange auf sich warten. Das Camp wird von Elfen überfallen, die sogleich den Stab der Wahrheit mopsen. Die Gefechte laufen in dem Rollenspiel in Runden ab. Erst zieht die eine Gruppierung, dann die andere. Allerdings ist „South Park“ kein Schachspiel. Wer hier überleben will, benötigt schnelle Reaktionen. Alle offensiven und defensiven Aktionen werden nämlich in Quicktime-Events ausgeführt. Einen normalen Schlag setze ich beispielsweise an, indem ich die Aktionstaste drücke, sobald die eigene Waffe aufleuchtet. Blocks platziere ich, sobald ein Schild unter meiner Spielfigur erscheint. Die Zeitfenster waren in der Vorschauversion noch verhältnismäßig klein, sodass man sich erst an die Rhythmus gewöhnen musste.

Spezial-Aktionen wie etwa „David’s Schleuder“ oder „Juden-Jitsu“ erfordern komplexere Manöver. Bei „David’s Schleuder“ etwa kurble ich am linken Stick wie beim Hammerwerfen und drücke zum Loslassen die Aktionstaste. Verpasse ich den perfekten Moment, haut sich mein Held die Schleudersocke sogar ins Auge und nimmt selbst Schaden. Diese Art von Macht-Aktionen erfordern MP, welches wiederum im Kampf mit Snacks aufgefüllt werden muss.

Die Krone der Schöpfung sind die im späteren Spielverlauf auftauchenden Magie-Angriffe. Doch der „Drachenschrei“ hat nichts mit „Skyrim“ zu tun. Es ist vielmehr ein mächtiger Furz, den ihr mit euren beiden Analog-Sticks aufladet und abfeuert. Die Gegner reagieren dann mit dem Zustand „angewidert“ auf diese Attacke und verlieren künftig einige Energiepunkte nach jeder Runde. So simpel die Kämpfe zunächst sind, erfordern sie dennoch ein wenig Taktik. Zustände wie „Schild“ oder „Reflektieren“ bedürfen unterschiedlicher Angriffsmuster, sonst nimmt meine Spielfigur Schaden. Ist eine meiner Spielfiguren verletzt und blutet, erholt sie sich erst nach einem Heiltrank wieder komplett.

Trotzdem hätten die Gefechte für meinen Geschmack strategischer ausfallen dürfen. So ist es nicht möglich, meine Figuren über das Schlachtfeld zu bewegen. Ein Fernkämpfer wie Prinzessin Kenny ist somit Nahkampfangriffen schutzlos ausgeliefert, da ich sie nicht schützen kann. Zudem standen in den ersten zwei Stunden des Spiels maximal ein „South Park“-Held und meine Spielfigur im Kampf bereit. Zwar konnte ich Butters später gegen Prinzessin Kenny auch während des laufenden Gefechts wechseln. Ein wirkliches Gruppengefühl entsteht aufgrund der Zwei-Mann-Partys aber nicht.

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Freunde in der Not
Allerdings in „South Park – Der Stab der Wahrheit“ rückt das Kampfsystem und das eigentliche Spiel schnell in den Hintergrund. Zu genial wurde die Comic-Serie hier auf den Bildschirm gebannt. So erkunde ich in der Hands-On das Bergdorf in Colorado und kann mich frei auf einer vergleichsweise kleinen, aber nicht minder hübschen Karte bewegen. Viele Häuser – etwa von Cartman und Kenny – sind begehbar und strotzen nur vor Anspielungen auf die Serie. Klicke ich etwa Cartmans Radio an, ertönte sein Song „Kyle’s Mom is a bi*tch“. Das Plündern von Schränken und Regalen hat natürlich einen handfesten Grund. Denn die Kohle benötigt ihr, um euch Waffen und Gegenstände zu kaufen. Außerdem findet ihr auch gelegentlich Ausrüstung.

Die übrigen Spielfiguren wiederum sind mehr als hübsche Dekoration. Stellt ihr euch mit ihnen gut, werden sie eure Freunde in der „South Park“-Variante von Facebook. Mit anfänglich sechs Freunden schaltet ihr Vorteile – also passive Charakterverbesserungen – frei. Insgesamt gibt es 20 dieser Buffs, die sich merklich auf den Spielverlauf auswirken. Mit „Schütze deine Eier“ erleidet ihr weniger Schaden, wenn ihr schwer verletzt seid. Zudem gibt es Vorteile für mehr Lebensenergie, Mana und Macht. Auf diese Weise belohnt „South Park – Der Stab der Wahrheit“ das Erkunden der Spielwelt und das Erledigen von Nebenmissionen.

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Nebenschauplätze
Während ich in der Hauptquest eine „Armee“ aufstelle und zu diesem Zweck Tweek, Craig und Token rekrutiere, gibt es parallel etliche unterhaltsame Nebenaufgaben. Auf dem Weg zu Token beispielsweise kommt plötzlich ein „Pssst“ aus einem Gebüsch. Dort hockt Ex-Vizepräsident Al Gore und stachelt mich im Gespräch dazu an, den Schweinebärmann zu suchen. Unweit der Grundschule von „South Park“ treffe ich dagegen auf eine Horde Kindergartenkinder, die sich in der Stadt verstecken und gefunden werden wollen. Und in Skeeter’s Bar muss ich mutierte Ratten töten. Erneut ein kleiner Seitenhieb auf die traditionellen Rollenspiele.

Zudem beherbergt die Stadt viele versteckte Schätze. So finde ich etwa Sporttaschen mit Extras, Waffen und Ausrüstung. Oder ich gehe auf die Suche nach Chinpokemon-Figuren. Eine kleine Anmerkung am Rande: „South Park – Der Stab der Wahrheit“ erscheint – ähnlich wie „GTA V“ – auch in Deutschland mit englischer Sprachausgabe und deutschen Untertiteln. Eine gute Entscheidung, wie ich finde, da bereits bei den deutschen Texten viele Feinheiten und Witze verloren gehen. Eine deutsche Übersetzung wäre der Atmosphäre sicher nicht zuträglich gewesen!

Zurück zum Thema: Das Inventar, ebenfalls in dem Social-Media-Werkzeug verborgen, wirkt in sich ein wenig umständlich und nicht gerade hübsch. Allerdings ist das Zuteilen und Vergleichen von Gegenständen einfach und geht schnell von der Hand. „South Park – Der Stab der Wahrheit“ bietet weniger Optionen und Variablen als etwa „Skyrim“. Dadurch ist es aber auch leichter spielbar, ohne dass ihr euch stundenlang über den nächsten Skill-Punkt Gedanken machen müsst.

Über den Autor: Olaf ist bereits seit dem Jahr 2000 als freier Redakteur im Bereich der Video- und Computerspiele tätig. So schrieb er u.a. von 2005 bis 2007 für die Printmagazine „play THE PLAYSTATION“ und die Schwestermagazine „Playstation – Das offizielle Magazin“ und „Games Aktuell“. Heute arbeitet er u.a. für „COMPUTER BILD Spiele“ und „www.spieletipps.de“ oder schreibt Specials und Tests für „playBlu“ von Computec.

System: Playstation 3
Vertrieb: Ubisoft
Entwickler: Obsidian Entertainment
Releasedatum: 06. März 2014
USK: noch nicht bekannt
Offizielle Homepage: http://www.ubi.com/US/Games/Info.aspx?pId=11498

Einschätzung: gut

Es wäre falsch, „South Park – Der Stab der Wahrheit“ als reines Rollenspiel zu betrachten. Denn in Puncto Funktionalität, Komplexität und Umfang liegt das Comic-Abenteuer deutlich hinter vergleichbaren Spielen zurück. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich hier in die Materie eingraben muss. Vielmehr spielt sich „South Park“ flüssig und locker leicht. Das Spiel lebt von seiner grandiosen Präsentation, den vielen Witzen und Anspielungen auf die Comic-Serie. Wer den Humor und die Präsentation der Vorlage mag und obendrein auch noch des Englischen mächtig ist, der wird über Schwächen wie die etwas fummeligen Quicktime-Events und die für ein Rollenspiel geringe Spieltiefe in Kauf nehmen und sich dennoch köstlich amüsieren. „South Park“ wird hier nämlich derart genial in Videospielform gebracht, wie ich es bislang noch von kaum einer Film- oder Buchvorlage gesehen habe. „Der Stab der Wahrheit“ ist daher für Fans der Serie ein absoluter Pflichttitel! Wer hier allerdings ein tiefschürfendes, rundenbasiertes Rollenspiel wie einst „Knights of the Old Republic II“ oder zuletzt „Das Schwarze Auge: Blackguards“ erwartet, wird vermutlich nach den ersten Scheiße- und Judenwitzen schreiend die Playstation 3 an die Wand werfen.

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