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PS4-Test: Call of Duty

play3 Review: PS4-Test: Call of Duty: Advanced Warfare

8.0

Heute ist es soweit! Jetzt müssen Entwickler Sledgehammer Games und Hollywood-Galionsfigur Kevin Spacey die Karten auf den Tisch legen. Wie gut ist „Advanced Warfare“ – das erste „Call of Duty“ mit drei Jahre Entwicklungszeit – wirklich? Auf einer mehrtägigen Review-Veranstaltung für europäische Medien in London hat sich play3.de schon einige Tage vor dem Veröffentlichungstermin durch die komplette Kampagne geballert und unzählige Stunden mit dem Mehrspieler-Part verbracht. Feuer frei!

Call of Duty Advanced Warfare - PS4 Screenshot

Dreh- und Angelpunkt der Story ist US-Marine Jack Mitchell. In seine Haut schlüpft der Spieler vom ersten bis zum letzten Level der Kampagne. Anfangs noch auf Seiten der US-Marines unterwegs, wird er schon bald schwer verwundet und verliert einen langjährigen Freund. Doch er hat Glück im Unglück: Jonathan Irons alias Kevin Spacey, Geschäftsführer der im Jahr 2054 weltweit größten und einflussreichsten Privatarmee, lässt ihn wieder zusammenflicken und mit einer Hightech-Prothese ausstatten. Besser noch: Er bietet ihm sogar einen Job bei seiner Firma Atlas an, im Auftrag derer Mitchell schon bald Jagd auf die Drahtzieher einer international agierenden Terrorgruppe macht…

Call of Duty Advanced Warfare - PS4 Screenshot

Was wir cool finden

Im Gegensatz zu bisherigen Ablegern der Ego-Shooter-Serie verzichtet „Advanced Warfare“ gänzlich auf verwirrende Perspektiv- sprich Heldenwechsel. Ihr seid und bleibt Jack Mitchell, was der Story einen angenehmen roten Faden verleiht. Auch mit Zeitsprüngen geht man sehr viel vorsichtiger um. Ständige Rückblenden vermeidet Sledgehammer Games komplett. Vielmehr scheucht einen die (je nach Spielweise) knapp 7- bis 8-stündige Kampagne chronologisch durch über ein Dutzend Zukunftsszenarien, die durch zahlreiche sehenswerte Performances von Kevin Spacey miteinander verknüpft werden.

So viel vorweg: Für Abwechslung ist gesorgt! Egal ob Befreiungskrieg im von Nordkorea überrannten Seoul, Geiselrettung in Nigerias Megacity Lagos, Undercover-Beschattung auf der griechischen Insel Santorini, Vereitelung einer Kernschmelze nahe Seattle, Hooverbike-Trip durch Detroit, Flucht durch die Gassen von New Bagdad, Panzerschlacht in Bulgarien, Hinterhalt in der Antarktis, Schleicheinsatz in Thailand oder Kugelhagel auf der Golden Gate Brücke – das Studio ließ seiner Kreativität freien Lauf und punktet mit vielen unverbrauchten Örtlichkeiten.

Call of Duty Advanced Warfare - PS4 Screenshot

Exo macht den Unterschied
Schön auch, wie behutsam aber doch kontinuierlich der Spieler die zahlreichen Vorzüge seiner neuen Hightech-Ausrüstung kennenlernt. Kann man dank Exoskelett-Unterstützung anfangs vor allem höher springen, rasch seitwärts ausweichen, einen Sturz aus großer Höhe abfangen oder mittels Magnethandschuhen wie ein Chamäleon Wände empor klettern, kommen später – abhängig vom Anzugtyp – immer neue Tricks dazu. Die Tarnfunktion etwa lässt euch mit der Umgebung verschmelzen, das Enterhaken-Upgrade dagegen ermöglicht das rasche Emporziehen an entfernten Vorsprüngen. Wer mag darf in einigen Leveln sogar eine mächtige Zeitlupen-Funktion nutzen – zumindest solange wie die Batterievorräte eures Anzugs mitmachen.

Etwas aufgesetzt aber trotzdem motivierend: Im Storyverlauf sammelt ihr durch generelle Abschüsse, Headshots, Granatenkills und das Auffinden von Geheimdokumenten Upgrade-Punkte. Genügend beisammen dürft ihr damit dann einzelne Funktionen eures Exo-Skeletts verbessern, etwa die Lauf- und Nachladegeschwindigkeit steigern oder die Menge an maximal mitgeführten Granaten erhöhen.

Call of Duty Advanced Warfare - Screenshot PS4

Mehr Platz = mehr Freiheit?
Wer genau hinsieht, wird außerdem feststellen, dass der Entwickler der serientypischen Schlauchlevel-Architektur stellenweise den Kampf ansagt, sprich immer wieder mal für größere Zwischenbereiche mit mehreren Routen sorgt. Auf die Spitze treibt man dieses Konzept bei einem Schleichlevel in Thailand. Hier müsst ihr euch ungesehen durch ein schwer bewachtes Anwesen mogeln und könnt – „Deus Ex“ und Co. lassen grüßen – völlig frei den für euch besten Pfad wählen. Ein erster Hinweis für die Marschrichtung kommender Serienteile? Wir hätten nichts dagegen!

Haupt-Kaufargument abseits der unterhaltsamen aber leider nicht fehlerfreien Kampagne bleibt natürlich der Mehrspieler-Komplex. Die gute Nachricht: Die frei konfigurierbaren Exo-Skelett-Vorteile werfen die Balance und das bewährte Run-and-Gun-Gefühl der Serie nicht über den Haufen, sondern sorgen unterm Strich vor allem für mehr taktische Möglichkeiten, eine wohlige Prise Vertikalität und somit ein frischend neuartiges Spielgefühl. Denn plötzlich kann man mittels Boost-Jump einfach über sonst unüberwindbare Hindernisse springen und dem Feind fies in den Rücken fallen. Oder man knipst, kurz bevor’s richtig hektisch wird, die Tarnfunktion an macht sich mucksmäuschenstill aus dem Staub. Ein echter Multiplayer-Redaktionsliebling ist ferner die Fähigkeit Exo-Shield. Geschickt eingesetzt kann ein Schildträger immer wieder das Feindfeuer auf sich lenken, während Kollege Sniper aus dem Hinterhalt an der Front durchwischt. In Kombination mit dem gelungenen Pick-13-System, neuen, Adrenalin-fördernden Spielmodi wie Uplink, 13 durchweg spaßigen, nicht zu großen Karten, einer Fülle an Freischalt-Objekten und einer butterweichen Bildrate von 60 fps sind durchzockte Nächte praktisch vorprogrammiert. Einen ordentlich Eindruck hinterließ darüber hinaus die Companion-App, die sich dieses Jahr speziell an Clan-Wars-Begeisterte richtet und endlich auch für Windows Phone Mobilgerät zu haben ist.

Nicht zu vergessen die 4-Spieler-Koop-Variante Exo Survival. Vom Konzept sehr nah am Survival Mode von „Modern Warfare 3“ begeistert dieses Mal speziell die Tatsache, dass eingestreute Herausforderungen die Teammitglieder immer wieder aus der Reserve, sprich aus ihren Verteidigungspositionen locken. Beispielsweise könnte eine Herausforderung lauten, innerhalb eines Zeitlimits überall auf der Karte verteilte Hundemarken aufzusammeln. Oder das Team muss eine vorgegeben Anzahl an Intel-Dokumenten aufstöbern. Gelingt dies nicht, droht in Folgerunden ein Negativereignis. Besonders fies: der Systemhack, welcher die Exo-Systeme stört und für spürbar eingeschränkte Sicht sorgt. Vielversprechend: Kurz vor Veröffentlichung sickerte sogar durch, dass zukünftige DLC-Inhalte sogar einen Zombie-Modus beinhalten.

Call of Duty Advanced Warfare - PS4 Screenshot

Was wir weniger cool finden

Wer gehoffte hat, die aufgebrezelte Engine würde auch mit besserer KI im Einzelspieler-Modus einhergehen, den müssen wir leider enttäuschen. Die Feindeinheiten sind einmal mehr Schießbudenfiguren mit wenig bis gar keinem Gespür für geschickte taktische Manöver. Man kann fast schon die Uhr danach stellen, wann sie ihren Kopf wieder aus der Deckung heben. Den Rest reguliert Sledgehammer Games über die Masse. Immerhin: Im Modus Exo-Survival hat die KI etwas mehr Platz und verhält sich entsprechend aggressiver.

Weiterer Atmosphäre-Dämpfer für Solo-Spieler ist die größtenteils vorhersehbare Story. Man muss kein Wahrsager sein, um zu erahnen wie’s weitergeht und wer im Hintergrund die Strippen zieht. Dramatische Wendungen sollte man ebenfalls nicht erwarten. Schade, denn jetzt wo der rote Faden endlich stimmt, hätte man mit genau diesen Elementen zusätzlich punkten können. Und seien wir mal ehrlich: Aus dem Ende hätte man noch mehr machen können, viel mehr.

Call of Duty Advanced Warfare - PS4 Screenshot

Kleine Stolpersteine
Dazu gesellen sich diverse Detailfehler, die leider viel zu schnell ins Auge stechen. Da wäre zum Beispiel die Sache mit der startenden Interkontinentalrakete in einem späteren Level. Der Spieler feuert mit allem drauf, was sein schwerer Exo-Anzug zu bieten hat und nichts Nennenswertes passiert. Der logische Menschenverstand würde ein Flammeninferno erwarten – das allerdings stellt sich nicht ein.

Nächster Kritikpunkt: Immer wieder läuft man während der Kampagne (zumindest in unserer Testversion) gegen unsichtbare Wände, etwa im Bulgarien-Level wenn man mal versucht, vor allen anderen in den Panzer zu steigen. Erst wenn bestimmte Dinge passiert sind, verschwindet die durchsichtige Barriere – kein eleganter Weg die Illusion einer virtuellen Welt aufrechtzuerhalten!

Call of Duty Advanced Warfare - PS4 Screenshot

Und unsere Liste geht weiter: Warum zum Beispiel wirft die eigene Spielfigur keine Schatten, KI-Kollegen aber schon? Müssen die vereinzelten Textur-Popups im Panzer-Level wirklich sein? Weshalb kann ich feindliche Jeeps mit dem Panzer in die Luft sprengen, Transportlastwagen und Gabelstapler aber nicht? Wieso merken einige Wachen im Thailand-Level nicht, wenn man ihre Kollegen vor ihren Augen abmurkst? Wieso ist keinem QA-Tester aufgefallen, dass sich KI-Kollegen in seltenen Fällen so in der Landschaft verhaken, dass man vom letzten Checkpoint neu starten muss? Plus: Die Render-Zwischensequenzen sehen toll aus, gar keine Frage. Blöd nur, dass einige Figuren (Ilona und Gideon zum Beispiel) in eben diesen Sequenzen ein bisschen anders aussehen, als in den nicht minder gelungenen Ingame-Zwischensequenzen. Hier wäre weniger mehr gewesen, damit alles „aus einem Guss“ wirkt.

play 3 Call of Duty Advanced Warfare - PS4 Screenshot

*Hinweis: Bisher lag uns keine Version für Playstation 3 vor, weshalb wir für diese Fassung noch keine endgültige Wertung abgeben können.

System: Playstation 4, Playstation 3 (bisher nicht getestet)
Vertrieb: Activision
Entwickler: Sledgehammer Games
Releasedatum: 3. November 2014
USK: ab 18 Jahren
Offizielle Homepage: http://www.callofduty.com/advancedwarfare

8.0

Wertung und Fazit

PS4-Test: Call of Duty: Advanced Warfare

Ja, die Kampagne hat ihre Probleme, keine Diskussion! Trotzdem bietet sie auch einen ganzen Haufen Wow-Momente. Die Spritztour durch die erste Atlas-Basis zum Beispiel erinnerte mich ein bisschen an das Kennenlernen der „Black Mesa“-Einrichtung in „Half-Life“. Oder der „Flügelschneider“ zu Beginn der Antarktis-Mission sowie der Einsatz der Wasp-Drohne in Griechenland – Popcorn-Kino pur und auch grafisch prima gemacht! Ein echtes Highlight bleibt zudem der Level, wo Mitchell nicht manuell nachladen darf und seines Exo-Skeletts beraubt wurde – Szenen wie diese sind es, die einem auch längere Zeit nach dem Durchspielen im Gedächtnis bleiben. Gleiches gilt für die meisten Auftritte von Kevin Spacey. Am Ende des Tages wird die Kampagne jedoch auch dieses Jahr überschattet von den Publikumsmagneten Versus-Multiplayer und Koop. Beide gewinnen zwar erneut keinen Innovationspreis, variieren und ergänzen Altbewährtes gleichwohl so geschickt, dass man sich als Shooter-Fan der Sogwirkung kaum entziehen kann. Allein das Hinzufügen des Exo-Jumps wirkt taktische Wunder und bringt viel mehr Dynamik rein. Nicht zuletzt weil sämtliche Karten prima auf dieses Mehr an Vertikalität maßgeschneidert wurden. Wirft man nun noch das gewohnt brillante Belohungssystem, die fein abgestimmten Spielmodi (Uplink rocks!), die neue Laserwaffenklasse, die modifizierte Bedeutung von Score-Streaks und das Lootsystem mit seinen drei Seltenheitsstufen in die Waagschale, bleibt ein Mehrspieler-Fest, das sich noch lange Zeit großer Beliebtheit erfreuen wird.