Review

PS3-TEST: Hatsune Miku

play3 Review: PS3-TEST: Hatsune Miku: Project Diva F 2nd – Farbenfrohe Fingerfolter

8.5

Kennt ihr diese Momente, in denen ihr euch innerlich die Frage stellt, ob eure Vorgesetzten aus euch unbekannten Gründen einen Groll auf euch hegen?

Im aktuellen Fall stand diese Frage im Raum, als ein Rezensionsexemplar zu einem Titel mit dem Namen „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ auf meinen Schreibtisch landete. Eine kurze Recherche im Internet ergab, dass man es bei Hatsune Miku mit einer künstlichen Stimme zu tun hat, die wiederum auf der Synthesizer-Software „Vocaloid 2“ basiert und in Japan ganze Konzerthallen füllt – mit lebensgroßen Hologrammen der blauhaarigen Sängerin auf einer riesigen Bühne, Live-Streams inklusive verschiedener Kameraperspektiven im Internet, Vervielfältigungen auf DVD beziehungsweise Blu-ray und allem, was sonst noch dazu gehört.

Ähm ja, da ich schon vor Jahren beschlossen habe, mich gar nicht mehr über die reichlich kuriosen Stilblüten, die die japanische Popkultur mitunter treibt, zu wundern, verfrachtete ich „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ kurzerhand und ohne große Erwartungen in meine PlayStation 3. Warum mir in den folgenden Stunden eine der größten Überraschungen des langsam ausklingenden Videospieljahres 2014 ins Haus stand, verraten euch die folgenden Zeilen.

Was wir cool finden

Knackig, motivierend, aber zu keinem Zeitpunkt unfair:

Bevor sich der eine oder andere unter euch falsche Hoffnungen macht, sei zu Beginn direkt einmal klar gestellt, dass es sich bei „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ um einen Rhytmus-Titel der alten Schule handelt, der komplett ohne neumodischen Schnickschnak auskommt. Eure SingStar-Mikrofone kommen genauso wenig zum Einsatz wie eine Plastikklampfe oder die EyeToy-Kamera. Stattdessen konzentriert sich das Spielgeschehen einzig und allein auf das Drücken der verschiedenen Tasten zum richtigen Zeitpunkt. Wer nun befürchten sollte, dass das aktuelle Werk aus dem Hause Sega damit zu einer Spielerfahrung auf Minispiel-Niveau degradiert wird, sollte sich noch nie so geirrt haben. Und von der zuckersüßen Optik von „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ sollte man sich erst recht nicht täuschen lassen.

Nur wenige Minuten nach dem Start zeigt das zierliche blauhaarige Girlie mit den blauen Kulleraugen ihr wahres Gesicht und entpuppt sich als Drill-Instructor der gnadenlosen Art, der euch und vor allem eure Finger gehörig auf Trab bringen wird. Bereits auf dem normalen Schwierigkeitsgrad schießen euch quasi im Sekundentakt und aus allen Richtungen des Bildschirms Symbole entgegen, die möglichst punktgenau gedrückt werden wollen. Erschwert wird das Ganze von der Tatsache, dass nicht nur klassische PlayStation-Symbole wie das Quadrat oder der Kreis auf ihren Einsatz warten, auch die Sticks und Richtungstasten werden in das Spielgeschehen eingebunden – mitunter sogar in Kombination mit verschiedenen Action-Buttons. Je nach Song kommt ihr also schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad gehörig ins Schwitzen. Zumal „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ mit einer kleinen Eigenheit aufwartet, die euch vor allem auf den höheren Graden ein um das andere Mal die Grenzen aufzeigen wird.

Geht es in den meisten Rhythmus-Titel in der Regel einfach nur darum, sich irgendwie durch das Geschehen zu mogeln, lassen sich die Stücke hier nur erfolgreich abschließen, indem ihr es unter dem Strich auf eine Gesamtwertung von 80 Prozent bringt. Und genau hier liegt im positiven Sinne der sprichwörtliche Hund begraben. Seid ihr gewillt, euch auf „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ einzulassen, entfacht der Titel schnell ein Suchtpotential, das seinesgleichen sucht. Eine Begebenheit, die vor allem die Tatsache zurückzuführen ist, dass der Schwierigkeitsgrad zwar sehr hoch angesetzt wurde, gleichzeitig jedoch euren inneren Schweinehund anpeitscht. Selbst wenn man mehrfach hintereinander am gleichen Stück scheitern sollte, vermittelt einem „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ umgehend, dass man für den Misserfolg selbst verantwortlich ist, und animiert so zu einem weiteren Anlauf. In gewisser Weise haben wir es hier also mit dem „Dark Souls“ der Rhytmus-Titel zu tun.

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Quietschbunt, typisch japanisch und einfach nur sympathisch:

Doch nicht nur der fordernde Schwierigkeitsgrad und der für einen Rhythmus-Titel stattliche Umfang von „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ erschweren das Vorhaben, den Controller aus der Hand zu legen und sich den wichtigen Aufgaben des Lebens zu widmen, ungemein. Die fast schon einen spontanen Zuckerschock verursachende audiovisuelle Aufmachung des Titels tut da ihr Übriges.

„Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ versucht gar nicht erst, euch vor dem für westliche Augen und Ohren mitunter recht kitschig anmutenden japanischen Pop-Lifestyle zu verschonen. Im Gegenteil: Wie eine Dauerbeschallung mit bunten Knallbonbons zieht sich der farbenfrohe Artstyle von „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ wie der oft zitierte rote Faden durch sämtliche Aspekte des Spiels und versucht, euch mit seiner Lebensfreude anzustecken – mit Erfolg. Ehe man sich versieht, ertappt man sich dabei, wie man mit einem Lächeln im Gesicht vor dem Bildschirm sitzt, krampfhaft versucht, den zahlreichen Noten zu folgen, und dabei im Rhythmus der Musik mit dem Körper oder dem Bein wippt. Dass man wie im Falle des für diesen Artikel verantwortlichen Autors bisher nichts mit der japanischen Popkultur am Hut hatte, spielt plötzlich überhaupt keine Rolle mehr.

Selbst Zeitgenossen, die sich bisher fast ausschließlich auf Videospiele im westlichen Stil konzentriert haben, dürfte es schwer fallen, sich dem Reiz von „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“, mit dem euch Sega die kühlen trostlosen Wintertage ein wenig versüßt, zu entziehen.

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Kleinere Spielereien und Extras sorgen für Kurzweil:

Auch wenn „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ bereits als Rhytmus-Titel an sich eine gute Figur macht und mit seinen über 40 Liedern problemlos für sich alleine stehen könnte, sorgen verschiedene kleine Spielereien und Extras für zusätzliche Motivation. Ihr seid beispielsweise der Meinung, einen Song mit einem beeindruckenden Highscore abgeschlossen zu haben? Kein Problem, dann sichert euch kurzerhand einen Platz in der internationalen Rangliste und messt euch mit den besten Spielern überhaupt.

Die kreativen Zeitgenossen unter euch hingegen dürfen sich im Edit-Modus austoben und an den freigeschalteten Songs Hand anzulegen. Arrangiert beispielsweise die Einsatzpunkte der Buttons neu oder spielt mit den Kameraperspektiven sowie dem Tempo, mit dem sich die Noten einen Weg ins Ziel bahnen, herum und stellt auf diesem Wege ganz neue Herausforderungen auf die Beine. Es versteht sich wohl von selbst, dass diese anschließend über das PlayStation Network mit anderen Nutzern geteilt werden können. Lasst also die Welt an eurem keativen Talent teilhaben. Im Edtior von „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ dürft ihr nicht nur eure Werke aus dem ersten Teil imporiteren, gleichzeitig wurde die Nutzeroberfläche dahingehend aktualisiert, dass der eigene Song in einer Vorschau betrachtet werden kann, um die Zielpositionen entsprechend anzuordnen.

Abgerundet wird das Rhythmus-Spektakel von mehr als 100 verschiedenen Outfits, die sich nach und nach freischalten lassen, sowie dem sogennanten DIVA-Room, in dem ihr verschiedenen Aktivitiäten nachgehen könnt. Kommuniziert mit den diversen Musikern und macht ihnen Geschenke, um in den Genuss ihrer Freundschaft zu kommen, versucht euch an kleinen Minispielen oder richtet den DIVA-Room ganz nach eurem Geschmack ein. Der spielerische Gehalt hält sich hier zwar in Grenzen, ein netter Zeitvertreib bleibt der DIVA-Room aber allemal. Ach ja: Sämtliche zusätzlichen Inhalte können übrigens mit der spielinternen Währund erworben werden. Von Mikrotransaktionen bleibt man glücklicherweise verschont.

diva room

Was wir weniger cool finden

Quadrat, rechter Stick, Kreis, Kreis und linker Stick… huch, wo war ich doch gleich?

So unterhaltsam die liebevoll gestalteten Hintergrundvideos auch ausfallen mögen, irgendwann war einfach der Punkt erreicht, an dem ich vor Zeitgenossen, denen es gelang, die verschiedenen Songs von „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ mit einer perfekten Wertung abzuschließen, meinen imaginären Hut zog. Mitunter führt das Effektgewitter im Hintergrund nämlich dazu, dass die Übersicht für einen kurzen Moment komplett flöten geht. Wenn Miko und ihre virtuellen Musikerkollegen mit ihren Instrumenten durch die Gegend springen, mehrere Dutzend Noten auf euch zu rauschen und im Hintergrund gefühlt hunderte Lichter tanzen, ist es an sich schon eine Herausforderung, dem Geschehen zu folgen.

Wenn anschließend auch noch ein Feuerwerk gezündet oder eine Laser-Show auf euch losgelassen wird, war es das endgültig mit der Übersicht. Zwar hat man sich in der Regel nach wenigen Sekunden neu orientiert, trotz allem ist entweder der Highscore dahin oder man verpasst im schlimmsten Fall wichtige Noten in der sogenannten „Chance Time“ und rasselt am Ende eines Songs durch die benötigte Endwertung. Sofern ihr nicht gewillt oder in der Lage seid, alle Songs von „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ auswendig zu lernen, werden euch solche Momente, in denen für kurze Zeit der Übersicht verloren geht, leider immer wieder kalt erwischen.

Zugute halten müssen wir den Entwicklern allerdings, dass glücklicherweise nur eine Hand voll Songs von diesem Manko betroffen sind.

hatsune miku 3

Selbst knuffige Ladebildschirme bleiben im Endeffekt Spielunterbrechungen:

Alles in allem gibt es bei „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ technisch nichts zu meckern. Die farbenfrohen Videos werden knackscharf und wahlweise sogar in 1080p sowie dem stereoskopischen 3D dargestellt, während die Soundkulisse kristallklar aus euren Boxen ertönt – das entsprechene Equipment natürlich vorausgesetzt. Ebenfalls keinen Anlass zur Kritik gibt die punktgenaue Abfrage der Steuerung, die eure Eingaben umgehend und ohne Verzögerung umsetzt. Vor allem bei Titeln wie „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“, in denen Erfolg beziehungsweise Misserfolg von Sekundenbruchteilen abhängen können, ist eine genaue Abfrage eurer Eingaben von essentieller Bedeutung. Als kleines Problem erweisen sich jedoch die ständigen Ladebildschirme, mit denen ihr euch eigentlich alle paar Minuten konfrontiert seht.

Egal ob ihr einen neuen Modus in Angriff nehmen, Miku ein Geschenk machen, den DIVA-Room mit diversen neuen Gegenständen versehen oder schlichtweg ein anderes Lied auswählen möchtet, quasi jeder Schritt in „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ ist mit einem Ladebildschirm verbunden. Zumindest Anime-Fans werden die knuffigen Kunstwerke, mit denen die Ladebildschirme versehen wurden, zunächst zwar gefallen, sobald man jedoch sämtliche Artworks mindestens einmal zu Gesicht bekam, stellen die liebevollen Zeichnungen nichts anderes als regelmäßige und vor allem störende Spielunterbrechungen mehr dar.

Zudem sei abschließend angemerkt, dass die Bildschirmtexte des Titels ausschließlich in englischer Sprache zur Verfügung stehen. Die meisten Funktionen sind aber ohnehin selbsterklärend, sodass dieses kleine Manko nicht sonderlich ins Gewicht fallen dürfte

System: PlayStation 3
Vertrieb: Sega
Entwickler: Crypton Future Media
Releasedatum: 21. November 2014
USK: ab 6

8.5

Wertung und Fazit

PRO
CONTRA

PS3-TEST: Hatsune Miku: Project Diva F 2nd – Farbenfrohe Fingerfolter

Audiovisuell irgendwo zwischen einem LSD-Trip und dem Besuch in einer japanischen Pop-Disco angesiedelt, gehört „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ zu den unterhaltsamsten Rythmus-Titeln der näheren Vergangenheit. Seid ihr gewillt, euch auf den quietschbunten Look auf der einen und die steile Lernkurve auf der anderen Seite einzulassen, entfacht „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ schnell ein Suchtpotential, das seinesgleichen sucht. „Den Song möchte ich noch meistern“ oder „Das Outfit muss ich jetzt unbedingt noch freischalten“ dürften die klassischen Gedankengänge sein, während die eine oder andere weitere Stunde ins Land geht. Und dann wäre da ja auch noch die weltweite Rangliste, die euch immer wieder zu neuen Höchstleistungen antreibt. Abzüge in der B-Note gibt es lediglich für die Tatsache, dass die Übersicht beim Effektgewitter der verschiedenen Videos mitunter auf der Strecke bleibt. Aber sei es drum: Anhänger von Spielen wie „Final Fantasy: Theatrysm“ oder „Elite Beat Agents“ sollten definitiv einen Blick riskieren. Gehört ihr zu denjenigen, die mit dem zuckersüßen Japano-Look nichts anfangen können oder schlichtweg Angst vor einem Zuckerschock haben, empfehlen wir euch trotz der spielerischen Stärken des Spiels einen großen Bogen um „Hatsune Miku: Project Diva F2nd“ machen.