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PS4-TEST: Dying Light

play3 Review: PS4-TEST: Dying Light

8.0

Mit „Dying Light“ wagt das polnische Entwicklerstudio Techland eine spielerische Symbiose aus „Mirror’s Edge“ und „Dead Island“, angereichert mit einer Prise „Far Cry 4“. Das Ergebnis ist ein echtes Content-Monster mit flotter Optik und launigem Open-World-Gameplay – aber leider auch einigen echt seltsamen Macken. Für den Test in Textform hat sich Play3.de insbesondere die deutsche Fassung noch einmal ganz genau angeschaut. Eine Version, die aufgrund der ausufernden Gewaltdarstellung kein USK-Siegel erhielt und deshalb hierzulande nur über Umwege zu haben ist – mit Pech für Techland droht in den nächsten Wochen sogar eine Indizierung.

Dying Light - PS3 Screenshot 02

Was wir cool finden

Der blutige Ausflug in die fiktive, südosteuropäische, von einer verheerenden Virus-Infektion heimgesuchte Metropole Harran beginnt hektisch. Kyle Crane – seines Zeichens freischaffender Agent der Hilfsorganisation Global Relief Efforts (G.R.E.) – springt mit dem Fallschirm über dem Stadtgebiet ab und legt eine ziemliche Bruchlandung hin. Schlimmer noch: Neben ein paar echt üblen Prellungen zieht unser Protagonist sich eine eklige Zombie-Bisswunde zu. Dass er nicht selbst zum Hirnfresser mutiert, hat er in erster Linie einer Gruppe Überlebender zu verdanken, die Kopf und Kragen riskieren, um ihn in Sicherheit zu bringen.

Dying Light - PS4 Screenshot 03

Zwischen den Fronten
Was folgt ist ein Gewissenkonflikt, den die Macher als Grundlage für eine sehr solide wenngleich zu keinem Zeitpunkt überragende Story heranziehen. Denn nun steht Crane zwischen den Stühlen. Einerseits fühlt er sich seinen Rettern verpflichtet und unterstützt sie fortan wo immer möglich. Anderseits wären da noch seine Vorgesetzten von G.R.E. Für sie soll er im Krisengebiet eine hochbrisante Datei finden, die angeblich dazu beiträgt, die Katastrophe ein für allemal in den Griff zu kriegen. Ein brisantes Unterfangen, zumal die Hilfsorganisation recht schnell durchblicken lässt, dass sie zum Erreichen ihrer Ziele über Leichen geht.

Inszeniert wird der zuweilen etwas vorhersehbare Plot in Form von gut animierten Ingame-Zwischensequenzen mit teils sehr dynamischen Kameraperspektiven. Egal ob nun Warlord Rais, Überlebenden-Anführer Harris Brecken, Kickboxing-Kollegin Jade Aldemir, Virusforscher Dr. Zere, Bösewicht-Handlanger Karim oder Draufgänger Rahim – die meisten Hauptcharaktere wurden gut getroffen, haben alle ihre ganze eigene Geschichte zu erzählen und jede Menge Storymissionen auf Lager. Dazu gesellt sich eine wahrlich schräge Riege aus Nebencharakteren. Viele davon sind einem umgehend sympathisch, andere leider durchweg überzeichnet und damit etwas lächerlich – was teilsweise auch mit den nicht immer überzeugenden deutschen Synchronsprechern zu tun hat.

Dying Light - PS4 Screenshot 04

Umfang-Monster
Dennoch, als Aufhänger für motivierende Open-World-Action funktioniert das Konstrukt gut. Erfreulich: Folgt man vorrangig der Hauptstory, ist man locker 16-20 Stunden beschäftigt – anfangs in den Slums von Harran, später im optisch völlig anders gehaltenen Altstadtgebiet. Grast man zudem gezielt alle Nebenmissionen ab, widmet sich den zahlreichen Sammelaufgaben, spielt auch mal im Online-Koop mit Freunden und tobt sich als Schattenjäger im sogenannten Rollentausch-Modus aus, hält „Dying Light“ problemlos 50 Stunden und mehr bei der Stange. Ziemlich viel Zombie-Action fürs Geld!

Dass „Dying Light“ über so lange Zeit so viel Laune macht, liegt in seiner Gesamtheit betracht jedoch vor allem an drei Gameplay-Säulen und ihrer Verschmelzung miteinander. Da wäre zum einen die Art der Fortbewegung innerhalb der Spielwelt – hier Natural Movement System genannt. Sei es nun Balkonsims, Baugerüst, Dachrinne, Holzplanke, Stahlträger, Containerkante oder sonst was – durch Druck auf die R1-Taste zieht sich Crane an so ziemlich jedem Objekte in der Spielwelt hoch. Voraussetzung ist nur, dass es sich in Reichweite seiner Hände befindet.

Dying Light - PS4 Screenshot 05

Kombiniert mit Cranes hoher Fortbewegungsgeschwindigkeit, bahnt man sich schon bald in einem Affentempo aus First-Person-Perspektive seinen ganz eigenen Weg durch die offene Welt. Seilrutschen, Rampen (praktisch für weite Sprünge), Müllsackhaufen (federn den Sturz ab) und andere Levelobjekte dieser Art intensivieren die Parkour-Action zusätzlich.

Der regelmäßige Motivationsschub
Richtig interessant wird’s allerdings erst, wenn ihr nach und nach immer neue Fähigkeiten hinzulernt. Die richtigen Talente freigeschaltet, kann eurer Protagonist schon bald blitzschnell unter Hindernissen hindurchrutschen, nach kurzem Anlauf Dropkicks vollführen und vieles Nützliche mehr. Insgesamt offeriert Techland 70 verschiedene Skills, die sich auf die drei Talentbäume Überleben, Wendigkeit und Kraft verteilen.

Erfahrungspunkte sammelt ihr nach einem sehr simplen aber motivierenden Schema. Verkürzt zusammengefasst: Wer sich mutig in Nahkämpfe stürzt, Mutanten in Elektrofallen lockt, Explosivgegenstände mit Fernwaffen aufs Korn nimmt usw. erhält Kraftpunkte. Sprints, Sprünge und andere waghalsige Fortbewegungsmanöver werden mit Wendigkeitspunkten belohnt. Bastler, die aus Mullbinden, Alkohol, Batterien, Schnüren, Metallteilen und weiteren, überall auffindbaren Einzelteilen Nützliches erschaffen, belohnt „Dying Light“ wiederum mit Überlebenspunkten. Ein überzeugendes System – und gut ausbalanciert obendrein.

Dying Light - PS4 Screenshot 06

So muss sich Macht anfühlen!
Wie in „Mittelerde: Mordor’s Schatten“ spürt ihr sehr genau, wie euer Held Schritt für Schritt mächtiger wird und immer neue Handlungsmöglichkeiten an die Hand bekommt. Erwähnenswert sei in diesem Zusammenhang insbesondere der Enterhaken zum Emporziehen an Gebäuden – er lässt Crane im späteren Spielverlauf fast schon zu einer Art Spiderman mutieren. Prima: Auch im sogenannten Rollentausch-Modus – hier schlüpft ihr in die verfaulte Haut eines Schattenjägers und dringt in das Online-Koop-Spiel anderer ein – sorgt ein Talentbaum für kontinuierliche Fähigkeiten-Upgrades.

Bliebe als letzte wichtige Gameplay-Säule der dynamische Tag-Nacht-Zyklus. Tagsüber stellen die Untoten-Horden eine kalkulierbare Gefahr dar, denn man sieht sie schon aus großer Ferne kommen und kann entsprechend reagieren. Verschwindet die Sonne dagegen hinterm Horizont, ist die Sichtweit dramatisch eingeschränkt und man muss für eine bessere Übersicht zur Taschenlampe greifen. Hinzu kommt: Die Zombies werden zahlreicher und stärker. Speziell die nachts anzutreffenden „Volatiles“ sorgen für Herzrasen und Schockmomente. Einmal die Fährte aufgenommen, jagen euch diese Biester kreuz und quer durch die Spielwelt – auch über Mauern und andere Hindernisse hinweg. Wohl dem, der regelmäßige Richtungswechsel durchführt, ihre Angst vor UV-Licht geschickt ausnutzt und tagsüber möglichst viele „sichere Zonen“ freischaltet. Aber das Überleben bei Nacht lohnt sich: In der Dunkelheit scheffelt ihr doppelt so viele Kraft- und Wendigkeitspunkte wie am Tage.

Dying Light - PS4 Screenshot 07

Was wir weniger cool finden

Dem Spielspaß zuliebe pfeift „Dying Light“ in vielen Punkten auf Realismus. Bei Dingen wie der nahezu unbegrenzten Inventar-Kapazität für kleinere Objekte (Dietriche, Spraydosen, Metallteile, Flaschen etc.) macht das Sinn – schließlich will man den Spieler nicht ständig zum nächsten Shop scheuchen, wo er ausmistet. Beim Design einiger Herausforderungen hingegen wirkt der mangelnde Realismus befremdlich.

Exemplarisch sei hier der Rettungsauftrag rund um eine Nebenfigur namens Nick erwähnt. Man soll Nick zum Turm, dem Hauptquartier der Überlebenden begleiten. Wird Nick von Untoten zerfleischt, geht das Spiel mit dem kurzen Hinweis „Mission gescheitert“ einfach unterbrechungsfrei weiter. Eigentlich kein Problem, doch kommt man zum Lastwagen zurück, aus dem man Nick befreit hat, hockt er wieder quicklebendig dort, als ob nie etwas gewesen wäre.

Dying Light - PS4 Screenshot 08

Klone-Armee
Egal ob Weitsicht, Beleuchtung, Partikeleffekte oder konstante Bildrate: technisch spielt „Dying Light“ viele Trumpfkarten aus und sieht zuweilen wirklich atemberaubend aus. Keine Next-Gen-Lorbeeren ernten die Macher hingegen für die zahlreichen, immer gleich aussehen Zombies. Warum trägt der 3-Meter-Hüne mit der Stahlkeule ständig einen orangefarbenen Overall oder schlurft als Feuerwehrmann durch die Straßen? Warum sehen der Schleim-spuckende Feindtyp Kröte oder die explodierenden Selbstmord-Zombies praktisch immer gleich aus? Elf verschiedenartig handelnde, sehr lärmempfindliche Zombie-Arten sind okay, aber nächstes Mal bitte mehr optisch Variation! Gilt übrigens auch für menschliche Widersacher. Rais’ Schergen zum Beispiel überzeugen ebenfalls nicht durch besonders abwechslungsreiche Modelle.

Weitere Mängel fielen beim Matchmaking-System auf. Selbst mehrere Tag nach Spielveröffentlichung, war es uns nicht vernünftig möglich, im Modus Rollentausch ein anderes Online-Koop-Game zu infiltrieren. Und dann wären da noch diverse, Gott sei Dank eher selten vorkommende Clipping-Bugs. Unser Favorit: Zombie sitzt auf der Schultoilette. Wir betreten den Raum, Zombie schreit fauchend auf, schiebt sich dann aber mit seinem kompletten 3D-Modell durch eine Holzwand hindurch und steckt in dieser fest.

Dying Light - PS4 Screenshot 01

Bruchwaffen-Konzert
Ebenfalls nicht jedermanns Sache: Wie in „Far Cry 2“ und Konsorten verschleißen Waffen bei regelmäßigem Gebrauch. Zwar experimentiert man dadurch mit verschiedensten Nahkampfwaffen und nutzt auch das solide Crafting-System häufiger. Trotzdem wird der ein oder andere es eher als Gängelei empfinden. Vor allem, wenn eine mit viel Zeitaufwand optimierte Nahkampfwaffe genau dann zu Bruch geht, wenn man sie am dringendsten braucht.

Last but not least werden vor allem Fans von „GTA 5“ mehr Variation bei der Musikauswahl vermissen. Die gebotenen Stücke untermauern die Atmosphäre wunderbar, wiederholen sich aber oft. Die Soundeffekte dagegen sind durch die Bank weg erste Sahne!

System: PlayStation 4
Vertrieb: Warner Bros. Interactive
Entwickler: Techland
Releasedatum: 28. Januar 2015 (Download), 27. Februar 2015 (Disk)
USK: keine Kennzeichnung
Offizielle Homepage: http://dyinglightgame.com/

8.0

Wertung und Fazit

PS4-TEST: Dying Light

Die Mischung aus Erkunden, Kämpfen, Craften und Wegrennen kickt gewaltig und läuft auf PS4 technisch zu Hochform auf. Schön auch, wie regelmäßig es Techland gelingt, eine Gänsehaut-Atmosphäre aufzubauen. Ich erinnere mich noch sehr genau, als zum ersten Mal die Nacht anbrach, drei Volatiles auf dem Radar aufblitzten und mir im wahrsten Sinne des Wortes ein kalter Schauer über den Rücken lief. Oder später das Schullevel: Minutenlang schleiche ich durch sehr aufwändig modellierte Klassenzimmer. Überall bizarre Schreie, seltsame Geräusche und verstörende Bilder – eine konkrete Gefahr besteht jedoch zu keiner Zeit. Erst als ich das Kellergeschoss erreiche, explodiert aus heiterem Himmel ein Selbstmörder-Zombie genau vor meinen Augen – Adrenalin pur!

Momente wie diese sind es, die mir in sehr guter Erinnerung bleiben und mich immer wieder vor die Konsole locken. Nicht auszudenken, wenn dieser Titel mal Project Morpheus Support erhält! Plus: Es gibt einfach unglaublich viel zu tun und durch das motivierende Fähigkeiten-Upgrade-System versucht man Probleme regelmäßig auf eine neue Art und Weise anzugehen. Sicherlich, „Dying Light“ ist nicht frei von Stolpersteinen (siehe Fließtext) und der Rollentausch-Modus wirkt etwas aufgesetzt. Wer allerdings bisherige Techland-Produktionen schon mochte bzw. sich gerne mit Koop-Partnern im Open-World-Genre austobt, wird das hier mit Haut und Haaren verschlingen.

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Kommentare

Nacktenschrank

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02. Februar 2015 um 19:03 Uhr
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