VORSCHAU: Homefront

Dass THQ voll und ganz hinter seinem neuen Ego-Shooter steht, unterstrich ja schon unser letzter Kontakt mit „Homefront“ auf dem Gamer’s Day in New York. Der Spielhersteller möchte, dass der Name der neuen Marke, die unter der Regie der Kaos Studios entsteht, in einem Satz mit „Call of Duty“ und „Medal of Honor“ genannt wird. Kein Problem: Unsere Aufgabe ist es nur, einzuordnen, ob dieser Satz tatsächlich lauten wird „Homefront steht Call of Duty und Medal of Honor in nichts nach“ – oder ob wir andere, weniger schmeichelhafte Sätze aus diesen Bestandteilen bauen müssen.

Um zumindest eine grobe Einschätzung vom Qualitätsgrad zu bekommen, der euch ab 15. März mit dem Verkaufsstart des actiongeladenen Ego-Trips erwartet, haben wir mittlerweile knapp zwei Stunden mit der Einzelspieler-Kampagne verbracht. Die kompletten ersten drei Kapitel sind nun hinter uns und eins lässt sich bereits jetzt sagen: Die Kaos Studios haben genau hingeschaut, was einen guten Ego-Shooter ausmacht. Zunächst einmal muss aber jeder Spieler für sich eine ganz andere Frage beantworten: Wie steht er zum Thema und dessen Darstellung?

Bittere Pille
Das Anno 2027 bereits zwei Jahre von Korea besetzte Nordamerika ist zwar ein relativ weit entferntes Szenario mit ungezählten „Was-wäre-wenn“-Variablen, die Umsetzung gleicht aber denen amerikanischer Actionfilme zur Zeit des Kalten Krieges – nur dass man hier eben die Sowjetunion durch zunächst Nord- und dann ein wiedervereintes Korea ersetzt.

Ein bisschen weniger Hurra-Patriotismus unter dem Star-Spangled Banner gibt es in „Homefront“ zwar schon. Dafür wird mal eben der Sohn und angehende Nachfolger von Kim Jong Il – Kim Jong Un – bezichtigt, einen weltweiten, menschenverachtenden Krieg anzetteln zu wollen, sobald nur eine Energiekrise für genügend Chaos unter den Industrienationen sorgt.

Das Spiel lässt keinen Zweifel daran, wer hier die Bösen sind und zeichnet sie in einer Drastik, bei der jeder sich selbst fragen muss, ob er das noch gut findet. Rein moralisch und allein auch wegen der lange nachhallenden Wirkung der eindringlichen Bilder. Wollt ihr mit ansehen – Videospiel hin oder her – wie an einer Straßenecke ein Elternpaar in einer großzügigen Sequenz unter den Augen seines schreienden Vierjährigen hingerichtet wird? Mir schnürte es jedenfalls ziemlich die Kehle zu.

Vive la résistance!
Egal was man davon halten mag: Das Spiel verfehlt mit seiner Exposition, in der ihr während eurer eigenen Verhaftung mitbekommt, wie rings um euch herum der blanke, militarisierte Terror in eurer kleinstädtischen Heimat regiert, seine Wirkung nicht. Man fühlt sich tatsächlich in einem besetzten Amerika, in dem einige, versprengte Gruppen den Widerstand organisieren. Das liegt vor allem am Gespür, das Kaos ein ums andere Mal für das Tempo einer guten Shooter-Kampagne beweist.

Wo viele andere Shooter dem Spieler zwar deutlich zeigen, gegen wen man kämpft, nicht aber wofür man hier sein Leben riskiert, schafft es der THQ-Titel, euch einen detaillierten Querschnitt aus einer Welt zu zeigen, die aus den Fugen geraten ist. Und jemanden braucht, der die Dinge wieder gerade rückt. In den ersten drei Leveln geht es in Begleitung verschiedener NPCs am helllichten Tag durch die Gärten einer lang vergangenen Vorstadt-Idylle, durch die Dämmerung über einen von automatisierten Gefechtskränen bewachten Straßenzug und dann Nachts durch ein bewachtes Arbeitslager, nicht mehr als eine Zelt- und Wagenburg, die um ein Football-Stadion herum errichtet worden ist.

Später stürmt ihr im Morgengrauen über den Parkplatz eines zum Lagerhaus der Koreaner umfunktionierten Elektronikkaufhauses. Hier fahrt ihr unter anderem mit Unterstützung von einer durchschlagskräftigen Kampfdrohne einen wichtigen Sieg um das so begehrte Benzin ein – nicht ohne tragische Zwischenfälle versteht sich. Binnen zwei Stunden rennt ihr verzweifelt durchstartenden Lastwagen hinterher, beschützt flehende Frauen mit Baby auf dem Arm, werdet von einem Helikopter aus einem Wachturm geschossen, richtet aus einem Baumhaus das Scharfschützengewehr auf eure Feinde, werdet in Brand gesetzt und kommt entsetzlichen Massengräbern näher als euch lieb ist.

Wilde Spannungskurve
Die Ereignisdichte von „Homefront“ spielt definitiv in der allerersten Liga und sorgt dafür, dass das Spiel niemals langweilig wird. Gekonnt stellt Kaos – die Konsolenumsetzung erledigt übrigens Digital Extremes – den spielerisch überaus geradlinigen und im Grunde aus „Call of Duty“ bekannten Standard-Action aber auch tolle Ruhephasen entgegen, die helfen, ein feineres Bild von der Welt zu vermitteln: Wenn man sich durch die zentrale der Widerstandskämpfer bewegt, einen abgeschotteten und mit Tarnnetzen verhangenen Hinterhof, dann ist man mitten drin in diesen USA 2027.

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Einige Männer und Frauen bestellen ein kleines Gemüse-Beet, ein anderer bewässert dieses mithilfe eines notdürftig umgebauten Step-Trainers, während ein älterer Herr eine Ziege melkt. In die gleiche Kerbe schlägt auch das zerrüttete Arbeitslager mit seinen Zelten, weinenden und betenden Menschen und einem kleinen Jungen, der uns nach etwas zu essen anbettelt. Was auch immer man von der Prämisse des Titels halten mag, Kaos weiß, wie sie den gewünschten Effekt erzielen wollten und ist sehr erfolgreich damit.

Technisch schafft es das Studio, das Spiel trotz Unreal-3-Engine nicht über die Gebühr nach der Konkurrenz aus der Hause Epic und Co. aussehen zu lassen. Hier erwartet uns ein optisch mehr als solides Abenteuer, das vielleicht nicht durch einzelne Effekte oder Texturen zu glänzen vermag, euch aber mit seinem Detailreichtum und gut komponierten Spielumgebungen ein glaubhaftes besetztes Amerika zu retten gibt.

System: Playstation 3
Vertrieb: THQ
Entwickler: Kaos Studios, Digital Extremes
Release: 15.03.2010
USK: Freigegeben ab 18
Offizielle Homepage: http://www.homefront-game.com/

Einschätzung: gut

"Call of Duty"-Abklatsch oder eigenständiges, neues Shooter-Universum? Fakt ist, dass THQ und Kaos den Ego-Shooter Infinity-Wardscher Gangart nicht neu erfinden: Auch hier gibt es Skriptsequenzen zuhauf, Cutscenes in Ego-Sicht, in denen sich dramatisch die Zeit verlangsamt, damit ihr euch aus der Umklammerung einer aussichtslosen Situation befreien könnt und Auslösepunkte in den Leveln, die erst überschritten werden müssen, bevor die Spiel-Action in den nächsten Gang schaltet.

Allerdings trifft das Spiel im Rahmen dieser Einschränkung fast immer den Nerv erwachsener Action-Fans. Es hagelt spannende und intensiv erlebte Situationen und Abwechslung wird – zumindest in den ersten Leveln, die wir spielen konnten – wirklich groß geschrieben. Die entscheidende Faktor bleibt jedoch das eigene Empfinden: Schon oft hat man sich gewünscht, Spiele mit kriegerischem Inhalt würden auch einmal die zivile Seite eines solche Konfliktes zeigen. Homefront tut dies jetzt und sorgt damit für Bauchweh – zu Recht? Ihr entscheidet!

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