ANGESPIELT: Deus Ex

Es hätte auch nach hinten losgehen können: Wann immer ein Hersteller einen geliebten Klassiker satte eineinhalb Hardware-Generationen später zurückbringen will, noch dazu unter einem anderen Entwickler, ist man als Fan mit einer skeptischen Position grundsätzlich am besten beraten. Zu hoch ist schließlich die Gefahr, dass ein so cleveres und komplexes Spiel wie „Deus Ex“ auf das Nötigste zusammengedampft wird, damit auch ja alle es begreifen.

Nachdem wir aber jetzt bei Square Enix in Hamburg einen kompletten Level selbst spielen konnten, löst sich die Anspannung in Wohlgefallen auf. Wenn das Spiel diese Qualität hält, können wir getrost Entwarnung geben. Der Publisher scheint sich mit Eidos Montreal das richtige Team für den Job ausgesucht zu haben und ist offenbar fest entschlossen, die Reihe im Geiste ihrer Erfinder – den Design-Legenden von Ion Storm um Chef-Visionär Warren Spector – weiterzuführen. Vielen Dank dafür!

Die Wahl des Weges
In der von uns gespielten PS3-Version mussten wir uns durch einem schwer bewachten Firmenkomplex vorarbeiten, in dem sich Labore, Hochsicherheitsanlagen und etwas weniger zulassungsbeschränkte Areale abwechselten. Ein vor einer Weile veröffentlichtes Gameplay-Video aus einem frühen Abschnitt des Titels bereitete uns bislang ein bisschen Kopfschmerzen. Hier gingen unsere Alarmglocken los, weil der Bereich aus dem Video zum einen sehr eng abgesteckt war und zum anderen beide alternativen Routen doch ziemlich offensichtlich hervorstachen.

Man fühlte sich unschön an das enttäuschende „Deus Ex 2 – Invisible War“ erinnert, das es mit seinem stromlinienförmigen Leveldesign seinerzeit auf Xbox 1 und PC etwas übertrieb: Wo immer eine Wache im Weg stand, war wenige Meter daneben ein Lüftungsschacht, der an ihr vorbei führte. Dieses Gefühl vermittelte die von uns gespielte Version nicht. Vielleicht lag es nur daran, dass wir mehr oder minder ohne jeglichen Kontext in diesen Level mitten im Spiel geworfen wurden, aber Spielwelt und Optionen schienen immer ausreichend breit angelegt zu sein, um nicht den Eindruck einer Kaffefahrt durch einen technikbegeisterten Gartenschlauch zu erwecken.

Das liegt zum einen an der sehr detaillierten Umgebung. Dass hier eine etwas betagte Engine (und zwar die von „Tomb Raider Underworld“) am Werk ist, ahnt man zwar – vor allem aufgrund der doch arg zurückgenommenen Texturen, die an den cleanen Look und die steril-nackten Wände eines „Metal Gear Solid 2“ gemahnen. Trotzdem stecken die in goldenen bis bronzenen Tönen gehaltenen Areale voller Kleinkram und Objekten, die sie irgendwie echt und plausibel erscheinen lassen. Auch nimmt sich Eidos Montreal beim „Signposting“ zurück, soll heißen: Sie reiben dem Spieler seine Optionen und möglichen Wege nicht unter die Nase, wodurch man selbst dazu angeregt wird, in der reichhaltigen Welt zu experimentieren.
Blutsverwandt
Auf diese Weise stellt sich schnell das gewohnte „Deus Ex“-Feeling ein, ein Cyber-Supermann in einer misratenen Düster-Zukunft zu sein, in der die Menschheit zwar zerstörte Organe wieder richten kann, Mega-Konzerne und ihre Fehden aber die perfekte Welt verhindern. Es ist eine Zukunft, in der die Gesetze für euch eher eine nachrangige Rolle spielen und der einzige Moralkompass derjenige ist, den ihr mit ins Abenteuer bringt. Dies ist eure Welt und ihr durchquert sie, wie ihr es für richtig haltet.

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Der gespielte Abschnitt bot schon massig Gelegenheit, mit stumpfer, tödlicher wie nicht-tödlicher Gewalt seine Ziele zu erreichen, zu schleichen, metzeln, klettern, forschen und schob auch Mischformen keinerlei Riegel vor. Oft genug ergab sich die Chance, offenen Auges einer gewalthaltigen Situation vollkommen aus dem Weg zu gehen. Und wenn es zu einer Schießerei kam, dann enttäuschte sogar das Feeling der Waffen nicht.

Natürlich werden hier keine Schusswechsel von der Qualität eines dedizierten Shooter-Franchises geboten. Im Rahmen der wirklich ausufernden Möglichkeiten ist das Handling der Gewehre und Pistolen aber vollkommen dem Zweck angemessen. Hoffen wir, dass der Spieler für alle Spielweisen gleich hart arbeiten muss und – wichtiger noch – dann auch entsprechend gleichwertig mit den so ausschlaggebenden Erfahrungspunkten belohnt wird.

Aktuell sieht alles danach aus, als würde dies gelingen. Die Anspielsitzung warf leider nicht genügend Gelegenheiten (und Erfahrungspunkte) ab, sich stärker im ausufernden Upgrade- Bildschirm auszutoben. Rein anzahlmäßig waren die Tech-Trees für Kopf, Torso, Arme, Beine und Sinnesorgane aber schon ziemlich überwältigend. Wir können kaum erwarten, uns mit selbst verdienten EXP durch die Augmentierungen zu klicken. Und auch das Hacking-Spiel, das Multitool und Dietriche des ersten Teils ersatzlos vergessen macht, konnte bereits jetzt sehr unterhalten.

„Uplink“ lässt grüßen
Im Gegensatz zu „BioShocks“ doch arg routinemäßigem „Pipemania“-Abklatsch bekommt man hier ein sehr viel komplexeres und spannenderes Subspiel geboten, das angenehme Erinnerungen an Introversions „Uplink“ wach ruft. Immer klickt man sich durch das öffnen von Türen oder entschlüsseln von Terminals durch individuelle und teils extrem spannende Hacking-Rätsel. Ihr klinkt euch in ein Netzwerk aus Ordnern und Subroutinen ein und lauft mit jeder weiteren Aktion Gefahr, von einer Sicherheits-Software aufgespürt zu werden, die euch aus dem System schmeißt. Bestimmte Files verlangsamen die gegnerische KI oder erleichtern das Knacken der nächsten Datenknoten oder sekundären Ordner, die wiederum neue Belohnungen bereithalten können. Es braucht eine Weile, bis man durchsteigt, aber so kommt definitiv keine Langeweile auf.

Kritikpunkte sehe ich demnach nur wenige. Aktuell finde ich den Wechsel, den die Kamera bei den toll inszenierten Nahkampfangriffen aus der Ego-Sicht in eine Third-Person-Perspektive vollführt, noch ein wenig kritisch. Ich geriet in eine Situation, in der ich eine ausgeschaltete Wache schnell verstecken musste. Nach der schön brachialen Takedown-Animation musste ich mich allerdings erst wieder neu orientieren, mich tarnen und mein soeben schlafen gelegtes Opfer zu Packen zu bekommen, was mir nicht so fließend von der Hand gehen wollte. Ich wurde entdeckt.

Wo Chancen sind, da sind auch Risiken
Dann wiederum: Wie Square Enix‘ Nils Blankenstein im Gespräch nach der Anspielsitzung erörterte, hätte ich hier auch bedeutend cleverer planen und die Routen der Gegner ausgucken sollen. Mit dem entsprechenden Timing hätte niemand meine Attacke bemerkt. So wurde auch ein anderer von mir zunächst bemängelter Punkt zumindest in Teilen entkräftigt. Der kybernetisch augmentierte Spielcharakter Adam Jensen verfügt über eine mehrgliedrige Batterieanzeige, die jede seiner Spezialfähigkeiten mit Energie füttert. Nur das letzte Segment lädt sich von alleine wieder auf, alle anderen muss man mit Energy-Riegeln oder ähnlichem wieder füllen.

Dass hierzu auch die Nahkampfattacken, also die Takedown-Animationen, gehören, wollte für mich nicht so recht ins Gesamtbild passen. Wir haben hier also einen robotisch aufgewerteten Supermann, der einem überraschend heran nahenden Gegner nicht mal eben reflexartig eins auf die Mappe geben kann, wenn die Energie nicht reicht!? Es ist natürlich klar, dass Eidos Montreal hier Planung und Ressourcenmanagement ins Spiel bringen möchte, aber gewöhnungsbedürftig war es schon. Wie Nils dann aber ganz korrekt anmerkte: „Das machst du ein, vielleicht zwei Mal falsch. Beim dritten Mal schaust du vor so einer Aktion aber erst einmal auf deine Energieanzeige“. Recht hat er.

System: PlayStation 3
Vertrieb: Square Enix
Entwickler: Eidos Montreal
Release: 26. August 2011
USK: Ab 18 Jahren
Offizielle Homepage: http://www.deusex.com/

Einschätzung: sehr gut

An unserem sehr guten ersten Eindruck gibt es weiterhin nichts zu rütteln. Square Enix' "Deus Ex"-Neuauflage ist in Ton, Ausrichtung und Spielablauf ein überlegtes und vorlagengetreues Produkt, das vor allem experimentierfreudigen Spielern einen gehaltvollen Spätsommer bescheren sollte. Allein die Qualität der Handlung betreffend gibt es noch einige Fragezeichen. Wird der Titel dem Spieler ähnlich oft die Pistole auf die Brust setzen wie das Original, das einen bereits um die Jahrtausendwende vor ungemein knifflige Story-Entscheidungen stellte? Die einzige Frage, die ihr euch aktuell aber stellen solltet, ist die, ob ihr nicht schnell noch einmal eine Runde mit dem Original drehen solltet, um diese Welt in ihrer Gänze erfassen zu können. Das ist jedenfalls mein ganz persönlicher Plan für die erste Hälfte des Augusts.

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