Review

Test: Dishonored

play3 Review: Test: Dishonored: Die Maske des Zorns – Mehr als nur ein Rohdiamant?

9.0

Raphael Colantonio („Dark Messiah of Might and Magic“), Harvey Smith („Deus Ex“) und Visual Design Director Victor Antonov („Half-Life 2“) – Drei kreative Köpfe, die an Meilensteinen der Spielegeschichte mitgearbeitet haben. Gemeinsam schrauben sie an „Dishonored: Die Maske des Zorns“. Einem Spiel, welches von seinem Ansatz und seinem Look so gar nicht in die heutige Zeit passen will.

Wie begeistert wurde „Dishonored“ in den letzten Monaten aufgenommen: Es wurde zum besten Spiel der gamescom 2012 gewählt. Die Presse überschlug sich förmlich. Aber kann „Dishonored“ wirklich diesen Vorschusslorbeeren gerecht werden oder gerät Meisterattentäter Corvo auf der Zielgeraden doch noch ins Stolpern?

Was wir cool finden

Mystik und Mord
Das Spiel beginnt mit einem Paukenschlag: Die Kaiserin des Reichs wird vor den Augen ihres treuen Leibwächters Corvo ermordet und ihre Tochter Emily entführt. Corvo wird daraufhin in den Kerker geworfen und zum Tode verurteilt. Was wie ein klassischer Königsmordplot beginnt, verwandelt sich in den Folgestunden zu einer packenden Geschichte über Intrigen und Machtverhältnissen.

Als mystisches Element flechten die Story-Schreiber von den Arkane Studios noch den Outsider ein. Er ist Corvos Förderer und verleiht ihm zu Beginn die übernatürlichen Fähigkeiten in Form eines hübschen Tattoos. „Dishonored“ ist in seinen rund 10 bis 12 Spielstunden zwar nur selten wirklich überraschend oder innovativ, aber dennoch tragen die dialoglastigen Zwischensequenzen das Spiel über weite Strecken sehr ordentlich. Der Plot ist in sich schlüssig und trotz einiger offener Fragen gingen wir mit einem guten Gefühl aus „Dishonored“ heraus.

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Wie aus einem Guss!
Bereits im Vorfeld wurde viel über den Grafikstil von „Dishonored“ berichtet. Lead Visual Designer Victor Antonov vermischt hier Einflüsse aus der Science-Fiction mit klassischen Bauelementen des viktorianischen Zeitalters zu der fantastisch anmutenden Stadt Dunwall. Vergleicht man „Dishonored“ mit anderen Spielen, würden wohl am ehesten Namen wie „Half-Life 2“ oder „Bioshock“ fallen.

So entsteht eine Spielwelt, die in ihrer Schönheit und Skurrilität nur schwer zu beschreiben ist. Hier lebt die Moderne parallel zum Mittelalter. Technik trifft auf Magie. Alchemie auf eine tödliche Seuche. Die Hintergründe der Geschichte sind in der Umgebung gekonnt verarbeitet. Etwa wenn Corvo durch die Slums schleicht oder sich Zugang zum Edel-Bordell „Golden Cat“ verschafft. Während die armen Regionen Dunwalls karg, verschmutzt und wenig spektakulär wirken, erstrahlen herrschaftliche Residenzen wie etwa das Anwesen der Boyles oder das „Golden Cat“ mit ihren Schnörkeln und Details in geradezu zauberhaftem Licht.

Die Figuren selbst sind ebenfalls Teil dieser künstlerischen Kulisse: Ihre Gesichter, obwohl maskenhaft und arm an Mimik, sind herrlich überzeichnet. Wie Karikaturen aus einem früheren Jahrhundert. Zudem spinnt Arkane ein ganzes Universum um Dunwall und seine Historie: Die Bewohner sprechen über die aktuellen Zustände, Reiche lästern über die Unterschicht. In Büchern erfahrt ihr noch viel mehr über die Hintergründe – von Kinderreimen bis hin zu dem Kalender des Kaiserreichs. Das ist Liebe zum Detail, wie man sie nur selten sieht. In „Dishonored“ geht die Grafik Hand in Hand mit der starken deutschen Synchronisation, der Musik und der Darstellung der gesamten Spielwelt. Erstklassig!

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Alles unter Kontrolle
Schleichen oder ballern: Das ist die Auswahl, die ihr zumindest theoretisch in „Dishonored“ habt. Faktisch aber lohnt sich leises Vorgehen mehr und ist auch einfacher. Die Shooter-Mechanik funktioniert dagegen ordentlich. Corvo agiert beidhändig. Rechts trägt er standardmäßig immer das Schwert, links wahlweise Armbrust, Pistole oder nichts, damit er Zauber wirken kann. Während das Feuern dank magnetischer Zielerfassung stark funktioniert und ihr Wachen problemlos mit einem gezielten Pfeil zwischen die Augen abfertigt, gibt es im Nahkampf kleinere Schwächen. Die gute Nachricht: Die Inszenierung der Schwertduelle ist klasse und wirkt herrlich physisch. Leider geht einem hier aber immer wieder die Übersicht wegen der zappeligen Kamera verloren. So gefallen uns die Kämpfe insgesamt gut, aber nicht herausragend.

Die Schleichmechanik ist dagegen simpel und handlich: Geht geduckt, bleibt im Schatten und vermeidet direkten Blickkontakt mit den Wachen. Deren Alarmierungsgrad wird in drei Stufen angezeigt. Einmal aufgescheucht, kühlen sie nur langsam wieder ab. Ihre Suchbemühungen sind eher bescheiden. Mehr dazu im Minus-Punkt „Einfach mal wegschauen!“ weiter unter. Trotz der KI-Schwächen aber gefällt uns die Stealth-Mechanik ausgesprochen gut. Corvo bewegt sich ähnlich wie Faith aus „Mirror’s Edge“ schnell und wenig, überspringt Hindernisse und klettert sogar an Dächern hoch.

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Nachgedacht!
Was „Dishonored“ aber besonders spannend macht, ist die Suche nach dem richtigen Lösungsweg. Die insgesamt neun Missionen und deren Umgebung sind ausnehmend intelligent designt und lassen euch viele Freiheiten beim Vorgehen. Es gibt nicht den einen perfekten Weg, sondern nur leichte und schwere Ansätze. So ertappt man sich beim Start eines Auftrags dabei, wie man das Terrain sondiert, nach Klettermöglichkeiten sucht und nach Ideen, wie man die Wachen austricksen könnte.

Corvos stärkste Waffe gegen die Wachleute sind dabei seine Zauberkräfte. Diese schaltet ihr erst Stück für Stück über das Finden von versteckten Runen frei und verbessert seine Eigenschaften nochmal mit Knochensplittern. Mit Hilfe des „Blink“ warpt ihr euch von einem Punkt zum nächsten. Oder ihr übernehmt kurzzeitig Tiere oder Menschen, etwa um Türen zu öffnen oder als Ratte durch Schächte zu klettern. Diese beiden Funktionen dominieren den Spielverlauf. Aktionen wie das Heraufbeschwören eines Rattenschwarms oder eines Tornados sind eher praktische Gags am Rande.

So gibt euch „Dishonored“ mit Corvos Agilität und seinen Kräften viele Werkzeuge an die Hand, um die Level zu meistern. Der direkte Weg funktioniert fast nie, daher müsst ihr euch umschauen und kombinieren, was wohl die ideale Möglichkeit wäre. „Dishonored“ fordert und gibt euch auf der anderen Seite viel zurück: Wie groß ist das Gefühl der Befriedigung, als wir Lady Boyle unentdeckt entsorgten oder die Pendletons in den Minen verschwinden haben lassen. „Dishonored“ ist ein wahnsinnig intelligentes Spiel und damit eine willkommene Abwechslung zu all den „Geradeaus aus und durch“-Shootern die derzeit den Markt überschwemmen.

Was wir weniger cool finden

Einfach mal wegschauen!
„Dishonored“ zeichnet in seiner Geschichte einen finsteren Polizeistaat, in dem Menschen unterjocht und mutwillig aus dem Weg geräumt werden. Soldaten auf Stelzen patrouillieren in den Straßen. Wie in einem Gefängnis. Dem entgegen steht leider das Verhalten der KI-Wachen. Denn ihre Sichtkegel sind ganz offensichtlich nicht den Aktionen von Meisterattentäter Corvo gewachsen. Gerade wenn sich der einstige Leibwächter der Kaiserin auf Dächern oder Fenstersimsen fortbewegt, ist er für die meisten Wachen geradezu unsichtbar.

Der direkte Weg durch die Straßen ist daher eigentlich nie eine Alternative. Stattdessen hat man ziemlich schnell raus, wie die Soldaten ticken. Begeht man beim Klettern keine schwerwiegenden Fehler, ist es keine Kunst, auch in streng bewachten Bereiche einzudringen. Kurzum: Für einen Schleich-Shooter ist die Gegner-KI für unseren Geschmack einen Hauch zu zahm. Ein wenig mehr Übersicht und ein besseres Gehör hätten in einigen Missionen für noch mehr Spannung gesorgt.

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Mächtiger Corvo
Der Leibwächter seiner Majestät bekommt vom Outsider mächtige Kräfte verliehen. Leider zu mächtig, wie sich nach zwei bis drei Missionen herausstellt. Denn so lange dauert es, bis ihr das Spielprinzip hinter „Dishonored“ endgültig verstanden und geknackt habt. Dann wird das Teleportieren zu eurem besten Freund und das Übernehmen von Menschen und Tieren zu eurem Kompagnon. Und ab hier verliert „Dishonored“ auch ein wenig seiner Herausforderung, da Corvo sehr schnell viel zu stark wird. Über das pulsierende Herz gefundene Runen und Splitter werten seine Eigenschaften in Windeseile aus und machen ihn übermächtig. Das verleiht einem zwar das Gefühl von Allmacht, kostet aber Motivation und Spannung.

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Kleine Technik-Macken
Dunwall ist über weite Strecken ein traumhaft schöner Schauplatz und dennoch leistet sich „Dishonored“ einige Schwächen: Manche Areale – wie etwa die Slums – sind alles andere als hübsch, sondern in sich eher trist. Gerade die Texturen lassen trotz ihres „Gemäldecharakters“ hin und wieder zu wünschen übrig. Gleiches gilt für die toten Gesichter der Darsteller, mehr Mimik hätte den Damen und Herren gut gestanden. Ach ja, einige Clipping-Fehler entdeckten wir ebenfalls, etwa wenn Leichen in Wände fallen oder Figuren im Dialoge in Objekte hinein fallen.

Außerdem störten uns die verhältnismäßig häufigen Ladepausen innerhalb einer Mission, sobald man von einem Abschnitt bzw. Gebäude in den nächsten wechselte. Diese gefühlten 20 Sekunden des Stillstands bremsten doch den Spielfluss immer wieder merklich.

System: PlayStation 3
Vertrieb: Bethesda Softworks
Entwickler: Arkane Studios
Releasedatum: erhältlich
USK: ab 18
Offizielle Homepage: http://www.dishonored.com/

9.0

Wertung und Fazit

Test: Dishonored: Die Maske des Zorns – Mehr als nur ein Rohdiamant?

„Dishonored“ beweist, dass Videospiele Kunst sind … oder zumindest sein können. Es ist herrlich anzuschauen, wie viel Liebe, Herzblut und Detailtreue die Entwickler der Arkane Studios in das Projekt gesteckt haben. Allein die Spielwelt und ihre verschrobenen Charaktere bringen uns ins Schwärmen. Das intelligente Spieldesign und die klugen Lösungsmöglichkeiten sorgen für Euphorie. Endlich mal ein Actionspiel bei dem wir nicht stumpf alles niedermähen müssen, um ans Ziel zu kommen. Bei dem das Schwert nicht mächtiger ist als die Feder. Sicher hat „Dishonored“ auch seine Schwächen. Die liegen etwa bei der müden Gegner-KI und den schlecht ausbalancierten Kräften des Helden. Diese Probleme aber haben bei unseren Spaß beim Spielen nur leicht beeinflusst. Stattdessen dominierte im Test die Freude über Spielintelligenz und Witz. „Dishonored“ ist eines der außergewöhnlichsten und besten Spiele des Jahres.

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