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TEST: Crysis 3 – Wie viel Sandbox steckt wirklich in dem Crytek-Shooter?

play3 Review: TEST: Crysis 3 – Wie viel Sandbox steckt wirklich in dem Crytek-Shooter?

8.0

Ego-Shooter und Sandbox-Gameplay. Das sind zwei Worte, die passten in den letzten Jahren eigentlich kaum mehr zusammen. Actionspiele wurden immer geradliniger, boten ein berechenbares und vorgegebenes Spielerlebnis. Aber es gab eine Ausnahme: „Far Cry 3“ heimste Ende 2012 viel Lob und Anerkennung für seine packende Story und das dennoch sehr offene Gameplay ein.

Crytek brüstet sich bereits seit der ersten Ankündigung von „Crysis 3“ mit dessen Sandbox-Design. Hier seid ihr Gast im Liberty Dome von New York. Erkunden. Taktieren. Ballern. Aber hält „Crysis 3“ wirklich all das, was im Vorfeld versprochen wurde?

Anmerkung: Wir testen hier lediglich den Singleplayer von „Crysis 3“. Ein Update zum Multiplayer wird in den kommenden Tagen nachgereicht.

Was wir cool finden

Sieht hübsch aus … mit Abstrichen!
Die aktuellen Konsolengeneration neigt sich dem Ende. Und das sieht man leider auch „Crysis 3“ an. Im direkten Vergleich spielt die PC-Version in einer anderen Liga. Das ändert aber nichts daran, dass auch die PS3-Fassung weiterhin sehr hübsch ausschaut.

Gerade die Ausblicke über die herrliche Landschaft sind mehr als ansehnlich. Die Grafik ist umso imposanter, wenn man berücksichtigt, dass die Level hier zumeist weitläufiger und offener sind als in vergleichbaren Shootern.

Einige Abstriche müsst ihr allerdings trotzdem machen: Die Gesichtsanimationen sind ordentlich, aber nicht so hyperrealistisch wie auf dem PC. Auch die Bildrate schwankt hin und wieder leicht.

Diese Probleme beeinflussen den Spielverlauf aber nie merklich. Insgesamt ist „Crysis 3“ ein technisch sehr gelungener Shooter, der das Gefühl vermittelt, dass Crytek nahezu alles aus der Playstation 3 herausgeholt hat.

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Nanosuit – Mein Freund und Helfer
Prophets Anzug ist für „Crysis 3“ Segen und Fluch zugleich. Seine Funktionen bestimmen den Spielablauf und wurden für den dritten Teil erweitert. Neben den Aktionen Tarnung und Panzerung verfügt Prophet über einen Visor zum Markieren von Gegenständen und Gegnern.

Zudem ist er in der Lage, Geschütze oder Minen zu hacken. All diese Spielereien verleihen „Crysis 3“ in Kombination mit der offenen Level-Architektur einen ganz eigenen Charakter. Durch das Hacken von Minenfeldern ergaben sich bei uns etwa immer wieder witzige Momente, in denen unbedarfte Cell-Soldaten blindlings ins Verderben spazierten.

Der Nanosuit und seine Funktionen machen das Spiel taktischer als viele andere Shooter und das kommt der Abwechslung zu Gute.

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Waffen und Elektronik
Anstatt wie in „Crysis 2“ den armen Ceph die Upgrades aus dem Körper zu reißen, findet ihr diese in blauen Kisten. Über ein übersichtliches Auswahlmenü kreiert ihr drei Nanosuit-Loadouts mit jeweils vier Upgrades, die ihr bequem bei Kurzbefehl anwählt. Über wenige Tastenkombinationen verwandelt ihr euren schleichenden Prophet in einen Vorstadt-Rambo und passt ihn so eurer Taktik an.

Das Arsenal selbst wurde um die Waffen der außerirdischen Ceph erweitert. Nach Stealth-Kills erobert ihr Wumme wie den X-Pac-Mörser. So cool die Alien-Knarren sind, so overbalanced sind sie auch. Selbst das Wald-und-Wiesen-Sturmgewehr der Ceph ist mächtiger als 90% der Menschenwaffen.

So ist Ceph-Repertoire eine sicherlich unterhaltsame, weil coole Ergänzung. Ein bisschen schwächer hätten die Ballermänner aber durchaus sein dürfen.

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Die Welt des Propheten
Vergesst den Begriff „Sandbox“. Denn damit hat „Crysis 3“ so viel zu tun, wie „Far Cry 3“ mit einem gemütlichen Badeurlaub. Allerdings sind die meisten Level weitaus offener als etwa in „Call of Duty: Black Ops 2“. Trotz vorgegebener Kontroll- und Checkpunkte entscheidet ihr darüber, welchen Weg ihr geht.

Außerdem habt ihr dank des Nanosuits weiterhin die Wahl, ob ihr ballern oder schleichen möchtet. Es ist möglich, ganz Abschnitte mit nur wenigen Abschüssen zu bewältigen. Und genau deshalb ist „Crysis 3“ auch etwas Besonderes im Shooter-Genre.

Er trampelt euch keinen Pfad vor, sondern gibt euch Optionen. Diese sind zwar – gerade im Vergleich zum ersten „Crysis“ – in sich limitiert, aber zumindest muss hier niemand das Modewort „Schlauch-Shooter“ in den Mund nehmen. Denn das ist „Crysis 3“ trotz stärkerem Fokus auf Linearität bei weitem nicht.

Was wir weniger cool finden

Was macht ihr denn da?
Ähnlich wie in „Crysis 2“ kämpft ihr auch im dritten Teil zunächst größtenteils gegen Cell-Soldaten, ehe die außerirdischen Ceph das Ruder übernehmen.

Das Gegnerverhalten ist dabei allerdings immer wieder fehlerhaft: Mal bleiben die Burschen an Objekten hängen. Wundern sich dümmlich, warum der Kollege plötzlich umgefallen ist. Mal aber sehen sie Prophet durch Wände und reagieren sofort, sobald ihr die Tarnung ausschaltet.

Ob ihr dabei hinter einer Ecke kauert oder im Dunkeln sitzt, ist eigentlich egal. Das macht die Kämpfe unberechenbar und sorgt zudem für manchen „Verdammt, warum bin ich denn jetzt auf einmal tot“-Momente.

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Übermächtiger Prophet
Natürlich soll der Träger des Nanosuits Cell und Ceph gleichermaßen überlegen sein. In „Crysis 3“ übertreibt es Crytek mit der Heldenidealisierung aber ein wenig. Prophet, der Nanosuit und der Bogen sind zu mächtig.

Dadurch entwickeln sich schnell Routinen, mit denen ihr drei Viertel der Passagen problemlos knackt: Gebiet mit dem Visor scannen, Gegner markieren, Tarnung an und Bogen raus.

Jeder Treffer mit dem archaischen Kriegsgerät bedeutet gleichzeitig einen Abschuss. Pfeile sind zwar knapp, können aber wieder eingesammelt werden. Wer nicht allzu wild herum ballert, kommt nie in Probleme. Die verfügbaren Geschützköpfe sind absolut unnötig. Der Standard-Pfeil erfüllt seinen Zweck.

Durch diese Balancing-Schwächen plätschern viele Missionen einfach nur so dahin. Ein angenehmer Stresspegel kommt zu selten auf. Das Gefühl der Belohnung bleibt häufig aus.

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Vorabendunterhaltung – Kurz und seicht!
Die sieben Kapitel von „Crysis 3“ hatten wir binnen 6 bis 7 Stunden durch. Wir wurden gut unterhalten, allerdings fehlten uns – bis auf eine coole Chinatown-Mission und manch hübsche Cutscene – die echten „Wow!“-Momente.

Die Story klärt zwar vieles auf, lässt aber auch einige Details offen, die ihr stattdessen schmucklos im Menü nachlesen dürft. Die Charaktere sind wie schon bei den Vorgängern eher oberflächlich gehalten.

Psycho ist als Prophet-Buddy sicherlich solide, aber auch nicht denkwürdig. „Crysis 3“ erzählt eine nette, aber insgesamt zu brave Geschichte und verpasst es, seine grafische Überlegenheit in tollen Ereignissen zu bündeln.

System: PlayStation 3
Vertrieb: Electronic Arts
Entwickler: Crytek
Releasedatum: erhältlich
USK: ab 18
Offizielle Homepage:http://www.crysis.com/

8.0

Wertung und Fazit

TEST: Crysis 3 – Wie viel Sandbox steckt wirklich in dem Crytek-Shooter?

Nach „Dead Space 3“ und „Aliens: Colonial Marines“ ist „Crysis 3“ das nächste Spiel, was nicht sein volles Potenzial ausschöpft. Die Kampagne ist zu kurz, zu seicht und überraschenderweise vor allem zu wenig pompös. Wo sind die großen Momente, in denen uns Crytek von der Couch bläst? Die gibt es leider viel zu selten. Stattdessen wirkt „Crysis 3“ ungewohnt souverän programmiert. Die Spielmechanik funktioniert trotz KI- und Balancing-Schwächen gut, gerade die offenere Spielwelt und die Nanosuit-Optionen wurden erneut klasse umgesetzt. Aber trotzdem reicht es beim Singleplayer von „Crysis 3“ nicht für eine höhere Wertung. Denn dafür fehlt es einfach an Drama, Tiefe und echten Innovationen.