Angeschaut: Watch Dogs – Selbstjustiz und Smartphones

Keine Gerüchte. Keine Ankündigung. „Watch Dogs“ war die große Überraschung der E2 2012. Dabei ist das Open-World-Spiel bereits seit vier Jahren bei Ubisoft Montreal in der Entwicklung. Erst vor kurzem bestätigten die Kanadier, dass neben der aktuellen Konsolengeneration auch die Playstation 4 eine eigene Fassung erhalten werde.

„Watch Dogs“ zieht Menschen in seinen Bann. Denn es spricht aktuelle Themen an und baut sie in ein finsteres Zukunftsszenario ein. Eine Dystopie von der vollständigen Überwachung und der totalen Kontrolle über Wissen und Persönlichkeit. Der gebrochene Hauptcharakter Aiden Pearce ist getrieben von der Obsession nach absoluter Sicherheit für seine Familie. Und geht daran zu Grunde.

Aiden ist auf der Suche nach Informationen über seine Liebsten. Etwas ist in der Vergangenheit vorgefallen. Etwas Wichtiges. Aber worum es tatsächlich bei „Watch Dogs“ geht und warum Aiden das Recht in die eigenen Hände nimmt, das behält Ubisoft bislang für sich.

Die Windy City
In den heruntergekommenen Kellern des Espace Cinko im Herzen von Paris grenzt Creative Producer Jonathan Morin „Watch Dogs“ vorsichtig ein: „Wie ihr beginnt, ist euch überlassen. Folgt ihr der Geschichte ist das gut. Wollt ihr erst mal Chicago untersuchen, ist das ebenfalls okay. Es gibt keine Grenzen.“ Halt! Das stimmt so natürlich nicht. Es gibt zumindest ein Ende der Geschichte. Im Gegensatz zu vielen anderen Open-World-Spielen hat die Story von „Watch Dogs“ exakt eine Schlusssequenz. Der Grund: „Wir wollen den Spieler nicht in seinen Entscheidungen beeinflussen. Er soll so agieren, wie er es für passend hält. Mehrere Enden implizieren, dass man Watch Dogs auf eine bestimmte Weise spielen müsste.“

Und so durchstreift Aiden in der Präsentation die Straßen Chicagos. Um ihn spazieren die Einwohner der Metropole. Der Wind fegt durch Aidens langen Trenchcoat und wirbelt Zeitungen auf. Die Stadt wirkt lebendig. Denn selbst der Wind wird hier simuliert und passt sich entsprechend den Wetterbedingungen an. Bei einem Gewitter beispielsweise stürmt es kräftig und das Wasser an den Hafenregionen schlägt hohe Wellen. Sogar ein vorbei brausendes Auto erzeugt eine Art Windstoß und wirbelt dabei kräftig Dreck und Staub auf.

Chicago wird in „Watch Dogs“ durch das Computer-Programm CtOS kontrolliert. „Nein, bei uns drehen die Computer nicht durch,“ fällt Morin sofort ein. „Das CtOS funktioniert. Es gibt keine Katastrophe. Kein SkyNET und auch keinen Terminator.“ Das CtOS regelt das alltägliche Leben und den Verkehr. Alle Daten werden im so genannten GRID gesammelt. Einem Netzwerk, das Informationen über die Stadt, aber auch über die Menschen selbst zusammenträgt. Jeder Mensch wird zu einer eigenen Akte. Und genau hier kommt Aiden ins Spiel.

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Ganz Chicago auf einem Smartphone
Denn Pearce hackt sich mit seinem Smartphone in das GRID. Auf Knopfdruck scannt er Passanten und erhält so kurze Steckbriefe. Wie eine Fahndungsakte. Ein Textfeld erscheint, daneben der Beruf und wichtige Informationen. Abseits der Hauptgeschichte holt sich Aiden nämlich seine Nebenbeschäftigungen direkt von der Straße. Er belauscht die Telefongespräche anderer Leute oder folgt bereits straffällig gewordenen Ex-Knackis. „Diese Missionen werden nicht auf der Karte angezeigt. Man findet sie dynamisch in der Spielwelt,“ verrät der Creative Producer.

In einer Szene beispielsweise hören wir das Gespräch von Eddie Cabilian ab. Ein Bursche, der gerade einen sündhaft teuren Tanzkurs macht und Wutprobleme hat. Wir folgen ihm und beobachten, wie er einer jungen Frau in eine Seitenstraße folgt. Ein Überfall! Wir haben die Wahl: Ignorieren oder eingreifen. In diesem Fall macht Aiden den Burschen dingfest. In einer anderen Nebenmission sucht Aiden einen Vergewaltiger. Doch der Freund eines Opfers kommt dem Hauptcharakter zuvor und erschießt das Schwein. Morin ganz kühl: „Ganz ehrlich, mir ist egal, was mit Vergewaltigern passiert.“ Und wartet ab, bis der Bursche erschossen am Boden liegt.

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Singleplayer trifft Online-Modus
Zusätzlich zu den alltäglichen Delikten gibt es auch noch auf der Karte markierte Events. Wie diese aussehen werden, verrieten die Ubisoft-Kollegen noch nicht. Allerdings profitiert ihr davon, wenn ihr bei „Watch Dogs“ online seid. „Denn bei uns verschmelzen Single- und Multiplayer miteinander,“ deutet Morin an.

Man spielt wohl in der gleichen Stadt und auch während sich ein Spieler im Story-Modus befindet, können ihm wohl andere Onliner begegnen. Wir sind noch skeptisch: Hoffentlich führt das nicht zu einem einzigen riesigen Chaos.

Zudem treibt „Watch Dogs“ die Vernetzung sogar bis auf euer Smartphone. Mit einer zusätzlich App werdet ihr Herausforderungen aussprechen können und mit anderen Spielern Informationen austauschen. Selbst, wenn die Konsole einmal ausgeschaltet ist.

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Autodieb mit Stil
Aber zurück zu Aiden Pearce. Für ihn bedeutet die Vernetzung Fortschritt. Anfangs hackt er sich lediglich in das CtOS seines Viertels ein. Mit fortlaufender Spielzeit verbessert er aber die Fähigkeiten und die Reichweite seines Smartphones und kann so auf immer mehr Funktionen zurückgreifen. Anders als beispielsweise in „GTA IV“ muss Aiden auch keine Autofenster einschlagen. Er hackt einfach die Software des Wagens und steigt ein. Ganz ohne Alarm. Überhaupt gehen die Passanten erst dann an die Deckung, wenn Schüsse fallen. Dann rufen sie flink die Polizei. Bevor ihr die Typen aber umnietet, könnt ihr ihnen auch einfach das Smartphone abnehmen und zerstören. Sanfte Gewalt sozusagen.

Die Fahrzeugphysik von Autos und Motorräder soll sich laut Ubisoft mit modernen Rennspielen messen lassen können. Hier haben wohl auch die Jungs von Ubisoft Reflections („Driver – San Francisco“) ihre Finger im Spiel. Bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei schlittern die Wagen hübsch um die Kurven. Aiden nutzt auch hier seine Hacking-Fähigkeiten und lässt in der Straße versenkte Pfeiler empor schnellen und stoppt so einige Verfolger. „Unsere Polizisten sind zäh. Da kann eine Verfolgungsjagd auch dreißig oder vierzig Minuten dauern,“ grinst Morin während der Präsentation. Wir fragen uns: Wollen wir das wirklich?

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Sam Fisher oder Ezio?
Während Aiden auf offener Straße unerkannt ist, ändert sich dies, sobald er Missionsgebiete oder so genannte „Danger Zones“ betritt. Die hier ansässigen Wachen wissen, dass er dort nichts zu suchen hat. Daher habt ihr die Wahl, ob ihr lieber schleichen oder ballern wollt. Eine Anzeige auf der Mini-Map zeigt euch an, ob Aiden noch versteckt ist. Mit dem Smartphone manipuliert ihr Kameras, markiert Wachleute und verfolgt so ihre Spur. Ihr könnt aber auch Generatoren oder andere Gerätschaften überlasten und somit die Soldaten ablenken.

Kommt es dennoch zum Feuergefecht, erinnert „Watch Dogs“ an einen typischen Third-Person-Shooter. Auf Tastendruck geht Aiden in Deckung oder ihr versetzt das Spiel in Zeitlupe, um genauer zu zielen. Morin betont: „Uns geht es darum, dass Spieler das Hacken in Kämpfen einsetzen. Es ist ein Hilfsmittel, mit dem man beispielsweise Schutzwände hochfahren kann.“ In der Gameplay-Präsentation wirkte das Hacking zwar nützlich, aber nicht wirklich überlebenswichtig. Geübte Shooter-Freunde kommen wahrscheinlich auch mit der Brechstange zurecht. Und das nicht zuletzt wegen der Zeitlupenfunktion, die für unseren Geschmack vergleichsweise lang war. So schaltete Aiden in einem Gefecht problemlos drei Soldaten aus, obwohl er zwei Mal daneben schoss und sich die Burschen auch noch fröhlich bewegten. „Watch Dogs“ steht und fällt damit, dass die Hacking-Werkzeuge auch sinnvoll und logisch zum Einsatz kommen.

System: PlayStation 3, Playstation 4
Vertrieb: Ubisoft
Entwickler: Ubisoft Montreal
Releasedatum: 22. November 2013
USK: noch nicht bekannt

Einschätzung: sehr gut

Noch überzeugt „Watch Dogs“ nicht auf ganzer Linie. Zum einen, weil wir es erneut nicht selbst anspielen durften. Zum anderen, weil es diverse Logiklücken in Ubisofts „Alles geht“-Spielmechanik gibt. Wäre es bei Verfolgungsjagden nicht viel einfacher, die Wagen der Gegner zu hacken? Wieso kann Aiden hacken, aber ausgebildete Soldaten nicht? Und wieso wundern sich Passanten nicht, wenn der Spielcharakter mit Maske und Knarre hinterm Rücken durch die Straßen läuft? Als dies sind kleinere Kompromisse, die „Watch Dogs“ zugunsten der Spielmechanik eingehen muss. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese scheinbaren Problemchen auf den Gesamtkontext auswirken? Aber davon mal abgesehen, macht das Action-Adventure einen sehr guten ersten Eindruck. Die präsentierte PC-Version wirkt technisch ausgereift. Chicago ist herrlich finster und dennoch lebendig. In dem gezeigten Material nahm das Hacken einen gewaltigen Part ein – sowohl im Kampf, als auch beim Erkunden. Hier geizt Ubisoft auch nicht mit einigen kleinen Späßen am Rande. Die Shooter-Passagen, so optisch imposant sie auch waren, wirkten indes auf hohem Niveau, ohne dass wir in Jubelstürme ausbrechen würden. Dennoch dürfte „Watch Dogs“ besonders wegen seines ungewöhnlichen Settings und den damit verbundenen Möglichkeiten ein spannendes wie konkurrenzfähiges Open-World-Actionspiel werden. Hier kommen nicht nur Science-Fiction-Nerds auf ihre Kosten.

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