ANGESPIELT: Wolfenstein

Der Name „Wolfenstein“ ist fast jedem Spieler ein Begriff. Denn mit ihm begann 1992 der Aufstieg des Shooter-Genres. Ihm folgten Titel wie „Doom“, „Heretic“ und später „Duke Nukem 3D“. So wichtig „Wolfenstein“ seiner Zeit aber gerade vom technischen Standpunkt war, so nebensächlich war dabei die Geschichte. Es ging eigentlich immer nur darum, böse Nazis mit dem MG niederzumähen.

Und auch die Werbekampagne für den neuesten Teil „Wolfenstein: The New Order“ erinnert eher an eine Persiflage wie es seiner Zeit „Iron Sky“ war. Was wäre wohl geschehen, wenn Hitlers Schergen den Zweiten Weltkrieg gewonnen und jede Menge verrückte Technologie in ihren Griffeln hätten? Tja, genau das werdet ihr in „Wolfenstein: The New Order“ herausfinden.

Auf der gamescom hatte ich die Gelegenheit, den etwa einstündigen Prolog des Ego-Shooter anzuspielen. Und siehe da: In „Wolfenstein“ steckt weit mehr drin, als man es auf den ersten Blick vielleicht erahnen könnte!

Gut abgehangen!
Der Prolog beginnt geradezu typisch für eine Spiel der Marke „Wolfenstein“: Die Truppen der Alliierten versuchen in ein Labor der Nazis vorzudringen, welches sich in einem mittelalterlichen Schloss verbirgt. Eine schöne Anspielung auf die Ursprünge der Serie! Held des Spiels ist erneut der Amerikaner William „B.J.“ Blazkowicz, der mit seinen Kameraden an der Außenwand des Gemäuers einsteigt. In luftiger Höhe ziehe ich mich langsam empor.

Schritt für Schritt. Schritt für … plötzlich geht ein Fenster auf und ein Soldat in brauner Uniform eröffnet das Feuer. Zwei Salven aus dem MG und er stürzt in die Tiefe. Je näher ich der Spitze komme, desto mehr Feinde tauchen auf. Dann der erste Schreckmoment: Mit einem lauten Sirren schmiert eine amerikanische Propellermaschine ab und kracht polternd in den Turm. Der Bildschirm wird kurz grau. Dann fällt ein riesiger Felsblock in Zeitlupe herunter. Schnell ein Druck auf die X-Taste und Blazkowicz springt über den Trümmer hinweg. Glück gehabt!

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Steinzeit trifft Moderne
In den nächsten Spielminuten ist „Wolfenstein: The New Order“ ein ganz traditioneller Shooter. In dem Gemäuer angekommen, treffe ich auf die ersten Feinde. Diese werfen sich flugs in Deckung, sind dabei aber zu langsam. Einige Schüsse und sie sind Geschichte. Die Steuerung ist sehr direkt und dank eines leichten Auto-Aims sind schnelle Abschüsse in den Gängen kein Problem. Ungewöhnlich ist allerdings die eigene Health-Anzeige: Die Gesundheit regeneriert sich nur bis zur nächsten vollen Zahl. Fällt eure Energie auf 41, füllt sie sich automatisch bis maximal 50. Ohne Panzerung beißt Blazkowicz schnell ins Gras. Und so findet ihr in versteckten Ecken Erste-Hilfe-Päckchen und Schutzwesten. Ganz in bester Shooter-Tradition.

Deutlich moderner: Mit leichtem Button-Mashing breche ich Türen auf. Ich balanciere in luftiger Höhe über eine Balustrade. Oder nehme hinter einem Trommel-MG Platz und ballere damit Nazis in einem Turm über den Haufen. Geht ihr leise vor, könnt ihr Gegner zudem von hinten mit dem Messer übermannen. Ein Schleichspiel ist „Wolfenstein: The New Order“ aber trotzdem nicht. So wirklich kreativ ist das Leveldesign zu Beginn auch nicht. Gerade die Mini-Spiele – wie auch das spätere „Drähte zusammenführen“ – wirken ein wenig künstlich. Immerhin lohnen sich gelegentliche Ausflüge in die Schatzkammern des alten Gebäudes. Hier verstecken sich nützliche Extras wie Munition, Extra-Rüstungen und Medi-Packs, mit denen ihr Gesundheit und Panzerung auf bis zu 200 hoch schraubt.

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Die ersten Schreckmomente!
Aber je tiefer Blazkowicz und seine Männer in die Einrichtung vordringen, umso unheimlicher wird es. In den Laboren hängen aufgeschnittene Leichen an Haken. Irgend etwas merkwürdiges passiert hier. Diese Ruhe wird jäh unterbrochen, als ein riesenhafter Soldat – fast wie Bane aus den „Batman“-Comics – durch den Boden bricht und einen der Amerikaner blutig tötet. Erst nach unzähligen MG-Salven gibt es Biest auf. Im Anschluss an diesen ersten Bosskampf macht ihr Bekanntschaft mit Dr. Deathshed, dem widerlichen Anführer des Regimes. Er grinst kurz durch die Fensterscheibe und betätigt dann einen Knopf. Die Wände rücken zusammen wie die Müllpresse in „Krieg der Sterne“. Und auch bei B.J. und seinen Leuten gehen die Lichter aus.

Wieder bei Sinnen zeigt sich „Wolfenstein: The New Order“ von seiner beinharten Seite. Blazkowicz ist gefesselt und Dr. Deathshed lässt euch entscheiden, welchen der Kameraden er umbringen soll. „Ich habe alle Zeit der Welt“, grinst der Glatzkopf, als ich versuche, dieses Dilemma auszusitzen. Aber dieser Moment soll nicht der letzte Aufreger in „Wolfenstein“ sein. Das Spiel wird übrigens für Deutschland nur leicht angepasst. Symbole werden entfernt und der Begriff Nazis wird aus den Dialogen gelöscht. Stattdessen spricht man hier von dem Regime.

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In der Psychiatrie
Verwundet und traumatisiert entkommt Blazkowicz aus dem Schloss. Doch die Geschehnisse haben seine Spuren hinterlassen. Der Soldat verbringt jahrelang in einer Nervenheilanstalt. Regungslos, emotionslos, fertig. Während er vor sich hin vegetiert, endet der Krieg mit einem Sieg des Regimes. Die Geschichte nimmt an Fahrt auf als plötzlich bewaffnete Soldaten die Anlage stürmen und Personal und Patienten brutal niedermetzeln. Blazkowicz ist machtlos. Bis ihm ein Scherge mit dem Messer zu nahe rückt. Er sticht zu und startet danach seinen blutigen Rachefeldzug.

„Wolfenstein“ spielt sich hier nicht sonderlich innovativ, aber die Intensität, mit der ihr hier durch die Nazi-Massen stürmt, stimmt. Jeder Abschuss fühlt sich knallhart an und wenn ihr mit zwei Maschinengewehren im Anschlag durch die Gänge pflügt, erinnert das an Arnold Schwarzenegger zu besten Zeiten. Optisch wie spielerisch ist „Wolfenstein: The New Order“ grundsolide, trumpft aber in der Anfangsphase mit unzähligen Anspielungen und herrlich derben Schießereien auf. Dass dabei die Geschichte und auch die ruhigen Momente nicht zu kurz kommen, ist dem gelungenen Storytelling zuzuschreiben. Wenn MachineGames dieses Niveau halten, könnte in dem Shooter durchaus verstecktes Potenzial stecken.

System: PlayStation 3, PlayStation 4
Vertrieb: Bethesda Softworks
Entwickler: MachineGames
Releasedatum: 2014
USK: noch nicht bekannt
Offizielle Homepage:http://www.wolfenstein-spiel.de/

Einschätzung: gut

Ich bin überrascht. Ich habe von „Wolfenstein: The New Order“ nicht viel mehr als einen unterhaltsamen, platten Shooter erwartet. Und dann pustet mich das Spiel förmlich mit emotionalen Momenten vom Stuhl. Gerade die Passage in der Nervenheilanstalt sind atmosphärisch ungemein intensiv dargestellt und zehren wirklich an den Nerven. Die Hilfslosigkeit des verwundeten Soldaten als die Nazis das Personal niedermetzeln. Die Momente der Wut, bis endlich das Gamepad frei gegeben ist. Wer hätte gedacht, dass mich ein „Wolfenstein“ einmal nicht nur mit seiner puren Shooter-Mechanik, sondern mit seinem gelungenen Storytelling fesseln könnte? Natürlich überzeugt das Actionspiel auch am Gamepad, aber was mir wirklich in Erinnerung bleiben wird, ist die wirklich gelungene Stimmung. MachineGames hat mich zumindest neugierig auf „Wolfenstein: The New Order“ gemacht. Hier könnte nicht nur ein starker Shooter, sondern auch eine wirklich gute Geschichte heranreifen.

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TingulliTrent

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01. September 2013 um 11:34 Uhr
KoelschBloot

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01. September 2013 um 13:03 Uhr
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LiLJaYfromhtown

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