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Detroit Become Human im Test: Ein mitreißender Sci-Fi-Thriller

play3 Review: Detroit Become Human im Test: Ein mitreißender Sci-Fi-Thriller

8.5

Nach „Fahrenheit“, „Heavy Rain“ und „Beyond: Two Souls“ steht mit „Detroit: Become Human“ ab dem 25. Mai 2018 das mittlerweile vierte interaktive Drama von Quantic Dream in den Startlöchern. Im Gegensatz zu den eingangs genannten Abenteuern setzt der französische Entwickler diesmal allerdings nicht auf die Gegenwart als Setting, sondern auf ein überaus reizvolles „Was-wäre-Wenn“-Science-Fiction-Szenario. play3.de hat sich durch die hochspannende Geschichte geknobelt und verrät, ob die Rechnung aufgeht.

Was wir gut finden

Wir schreiben das Jahr 2038. Mehrere Jahrzehnte nach der digitalen Revolution durch das Medium Internet sieht sich die Menschheit mit einer weiteren technischen Innovation konfrontiert, die das gesellschaftliche Leben in vielfacher Hinsicht umkrempelt. Androiden der Firma Cyberlife – hochintelligente, vom Menschen kaum zu unterscheidende Roboterwesen – sind mittlerweile allgegenwärtig und in vielerlei Hinsicht in die Arbeitswelt und den Alltag eingebunden. Kein Wunder, denn egal ob als Bauarbeiter, Putzkraft, Haushaltshilfe, Babysitter, Erntehelfer, Wachmann, Sexpartner oder Soldat der Armee – Androiden meckern nicht, gehorchen aufs Wort und erweisen sich dabei als überaus zuverlässig und ausdauernd.

Detroit Become Human (2)

Die Kehrseite der Medaille: Das Individuum als solches wird zunehmend ersetzbar, wodurch die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten (trotz florierender Wirtschaft) ein Rekordniveau von über 35 Prozent erreicht hat. Doch nicht nur dieser Umstand sorgt für gesellschaftliche Spannungen. Auch Berichte über sogenannte Abweichler – Androiden, die seltsame Fehlfunktionen aufweisen und allem Anschein nach Emotionen entwickeln – verunsichern Bürger aus allen Gesellschaftsschichten. Kurzum: Für ein packendes Story-Grundgerüst ist gesorgt. Nicht zuletzt, weil Game Director David Cage und sein Team den Plot mit weiteren großen Problemthemen der heutigen Zeit (Datensicherheit, Bienensterben, wachsende Gebietsansprüche der Supermächte etc.) anreichern und diese Entwicklungen konsequent weiterdenken.

Detroit: Become Human PS4 screenshot 03

Drei vernetzte Schicksale

Noch interessanter als das größtenteils plausibel ausgearbeitete Zukunfts-Setting sind jedoch die drei Androiden-Hauptfiguren, deren Rolle ihr im Spielverlauf abwechselnd einnehmt. Den Anfang macht Conor. Der Polizei-Android mit der Typen-Bezeichnung RK-800 zählt zu den fortschrittlichsten Modellen seiner Art und wird schon bald dem 53-jährigen Ermittler Hank Anderson an die Seite gestellt, um gemeinsam mit ihm Jagd auf die bereits erwähnten Abweichler zu machen. Das Problem: Zu Spielbeginn kann Hank – der aus persönlichen Gründen, gerne mal einen über den Durst trinkt – Androiden partout nicht leiden. Beste Voraussetzungen also für eine Kameradschaft der ganz besonderen Art.

 Detroit: Become Human PS4 screenshot 06

Weiter geht’s mit Kara, einem weiblichen Androiden, den einige von euch eventuell noch aus der allerersten Techdemo von 2012 kennen. Kara tritt kurz nach Spielbeginn in den Dienst des auf die schiefe Bahn geratenen Familienvaters Todds, um diesem im Haushalt unter die Arme zu greifen und sich um seine kleine Tochter Alice zu kümmern. Soweit die Ausgangssituation. Als Kara allerdings realisiert, dass Todd bewusstseinsverändernde Mittel nimmt und regelmäßig handgreiflich wird, brennen bei ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Sicherungen durch. Oder anders formuliert: Kara empfindet – obwohl ihr Protokoll das eigentlich gar nicht vorsieht – plötzlich Empathie für Alice und beschließt, das sichtbar verstörte Mädchen in ihre Obhut zu nehmen.

 Detroit Become Human - PS4 screenshot 08

Bliebe noch Android Markus, seines Zeichens Altenpfleger und wichtiger Vertrauter des renommierten Künstlers Carl Manfred. Seien es nun alltägliche Besorgungen aus dem Farbengeschäft in Downtown, die richtige Dosierung wichtiger Medikamente vor dem Frühstück oder eine Runde Blitz-Schach zur Entspannung —Markus sorgt für den alten Herrn, als wäre dieser sein eigener Vater. Genau das jedoch passt Carls drogensüchtigen Sohn Leo nicht, wodurch das fragile Beziehungsgefüge schon bald auf eine harte Probe gestellt wird und Markus’ Leben eine völlig unvorhergesehene Wendung nimmt…

 Detroit: Become Human PS4 screenshot 05

Viele Entscheidungen, drastische Konsequenzen

Spielmechanisch orientiert sich „Detroit: Become Human“ an den bisherigen Werken der Franzosen, allen voran das wegweisende „Heavy Rain“. Will heißen: Ihr lotst den gerade aktiven Helden durch sehr abwechslungsreich gestaltete, gleichwohl überschaubare Umgebungen, sammelt missionsrelevante Hinweise und werdet dabei immer wieder in folgenreiche Multiple-Choice-Dialoge und/oder Quicktime-Reaktionstests verwickelt. Dabei gilt: Je nachdem wie ihr antwortet – oder wie gut ihr die Quicktime-Prüfung meistert – entwickelt sich eine Szene völlig unterschiedlich.

Auf einem Androiden-Friedhof im ersten Spieldrittel etwa haben Markus’ Systemkomponenten mit drastischen Fehlfunktionen zu kämpfen. Die offensichtliche Lösung: Klar, ihr schnappt euch Ersatzteile aus den Körpern umherliegender Roboterwesen. Doch was tun, wenn einer dieser Androiden wider Erwarten noch funktioniert und wie ein Mensch um Gnade bettelt? Opfert ihr dann sein Leben, damit ihr selbst weiterleben könnt? Oder verschont ihr die intelligente Kreatur, um euer Problem auf alternative Art und Weise zu lösen? Diese und viele andere emotionale Zwickmühlen sind es, die einmal mehr zeigen, dass Quantic Dream die Kunst aufwühlende Geschichten zu erzählen, nicht verlernt hat und sich dabei zudem nicht scheut, Problemthemen wie Kindesmissbrauch, häusliche Gewalt, Folter und sogar Genozid aufgreifen. Themen, die zunächst verstörend klingen, als Ganzes betrachtet jedoch sehr gut mit der Erzählung harmonieren.

Detroit: Become Human PS4 screenshot 02

Ein Baum voller Möglichkeiten

Im Vergleich zu „Heavy Rain“ und „Beyond: Two Souls“ kommen Entscheidungssituationen nicht nur spürbar häufiger vor, sondern verästeln sich zudem deutlich feingliedriger. Allein „Die Geisel“ etwa, das erste von insgesamt 32 Kapiteln (Demo hier), bietet ein halbes Dutzend Endsequenzen. Dass Verhandlungsführer Connor bereits nach wenigen Minuten ins Gras beißt, ist dabei ebenso möglich wie der Tod der Geisel und des Geiselnehmers.

Stichwort Tod: Wer „Heavy Rain“ kennt, weiß, dass die Geschichte mit dem Ableben einer beziehungsweise mehrerer Figuren nicht einfach abrupt endet, sondern konsequent weitererzählt wird. „Detroit: Become Human“ macht hier keine Ausnahme.

Um das vielschichtige Plot-Konstrukt möglichst intensiv auszukosten, planen Genre-Fans daher am besten gleich zwei oder drei Spieldurchgänge ein – von denen jeder ca. 10 bis 12 Stunden in Anspruch nimmt. Praktisch in diesem Zusammenhang ist das sogenannte Ablaufdiagramm. Denn mit seiner Hilfe könnt ihr jederzeit sehen, wo im Spiel ihr welche Entscheidung getroffen habt, welche Konsequenzen daraus resultierten und wie viele weitere Handlungsoptionen noch zur Verfügung stehen. Prima: Wer mag, kann über den Kapitel-Manager zudem unterschiedliche Schlüsselmomente anwählen und direkt von dort weiterspielen, um neue Story-Verästelungen im Schnellverfahren auszuprobieren.

Detroit: Become Human PS4 screenshot 01

Hingucker am laufenden Band

Ein weiterer Grund, warum „Detroit: Become Human“ überraschend schnell eine erstaunliche Sogwirkung entfaltet, ist die wirklich überzeugende Präsentation. Wir wollen nicht zu viel vorweggreifen, aber wenn Markus das futuristische Atelier seines Meisters Carl betritt, Connor und Hank im anrüchigen Eden Club unter Zeitdruck den Hergang eines Mordfalls enträtseln, Kara bei Anbruch der Dunkelheit einen verlassenen Freizeit-Park durchstreift oder dem Chef des Detroit Police Department mal wieder der Kragen platzt, läuft der Titel zu Hochform auf und zeigt, dass sich die insgesamt 324 Tage Performance-Capture mehr als gelohnt haben. Hervorheben möchten wir an dieser Stelle zudem die grandiose Musikuntermalung (für jeden der drei Protagonisten verpflichtete Quantic Dream einen eigenen Komponisten) sowie die deutschen Synchronsprecher. Letztere liefern durch die Bank weg sehr professionelle Arbeit ab, können auf Wunsch aber auch einfach im Menü durch die Originalstimmen ersetzt werden.

Detroit Become Human - PS4 screenshot 08.jpg

Daumen hoch zudem für die nette Extras-Rubrik. Hier investiert ihr die nach jedem Kapitel freigespielten Bonuspunkte in eine Vielzahl amüsanter Bonus-Inhalte. Den Anfang machen ein knappes Dutzend Artwork-Pakete sowie diverse Videos, darunter spannende Render-Kurzfilme, die die Vorgeschichte einzelner Charaktere genauer beleuchten. Aber auch die Soundtrack Rubrik mit ihren aufschlussreichen Beschreibungstexten sowie die Möglichkeit alle 111 3D-Figuren-Modelle noch einmal aus nächster Nähe betrachten zu können, wissen zu gefallen. Nicht zu vergessen die interaktiven Umfragen. Hier stellt euch „Detroit: Become Human“ spielbezogene Fragen und vergleicht eure Antworten mit den Präferenzen der Online-Community.

Detroit Become Human PS4 screenshot 09.jpg

Was wir schlecht finden

Zugegeben, „Detroit: Become Human“ wurde mit viel Herzblut entwickelt und läuft insgesamt sehr rund. Über die etwas altbackene, streckenweise ungenau abgefragte Steuerung kann das Spiel hingegen nicht hinwegtäuschen. Wir jedenfalls mussten drei bis vier Mal frustriert den Kopf schütteln, als Tasteneingaben in Quicktime-Reaktionstest trotz optimalem Timing nicht präzise erkannt wurden. Deutsche Untertitel für die Videos aus der Extras-Rubrik wären ebenfalls wünschenswert gewesen. Zu diesen, wenngleich nicht allzu dramatischen Kritikpunkten gesellen sich vereinzelte Logiklücken sowie die Tatsache, dass einige Abschnitte inhaltlich betrachtet etwas zu abrupt enden.

8.5

Wertung und Fazit

PRO
  • man will stets wissen wie’s weitergeht
  • Helden wachsen einem schnell ans Herz
  • überzeugende Präsentation
  • nervenaufreibende Entscheidungs-Situationen
  • guter Wiederspielwert
  • hervorragende Musikuntermalung
CONTRA
  • streckenweise nicht lippensynchron
  • einige Plot-Details nicht optimal nachvollziehbar
  • keine Untertitel für diverse Extras-Videos
  • altbackende, teils unpräzise Steuerung

Detroit Become Human im Test: Ein mitreißender Sci-Fi-Thriller

Aufwühlend, gesellschaftskritisch und gespickt mit erstaunlich vielen Möglichkeiten, die Story in immer neue Bahnen zu lenken. Obwohl sich "Detroit: Become Human" im Vergleich zu "Heavy Rain" spielmechanisch nur marginal weiterentwickelt hat, geht das Konzept des interaktiven Films erneut prima auf und peitscht Spieler mit voller Wucht von einem moralischen Dilemma zum nächsten. Sei es nun die dramatische Flucht von Kara und Alice, die komplizierte Beziehung zwischen Android-Cop Connor und seinem menschlichen Partner Leutnant Hank oder die sich anbahnende Androiden-Rebellion rund um Markus: In allen drei Handlungssträngen fiebert man von Anfang bis Ende mit und kriegt streckenweise tatsächlich Herzrasen, wenn das Leben eines lieb gewonnen Protagonisten mal wieder am seidenen Faden hängt. Audiovisuell lassen die Macher - mal abgesehen von kleinen Aussetzern bei der Lippensynchronität - ebenfalls nichts anbrennen und begeistern mit spektakulären Charaktermodellen (speziell der Hauptfiguren), famos in Szene gesetzten Schauplätzen, rasant choreografierten Action-Passagen und einem Soundtrack mit Gänsehaut-Garantie. Was bleibt ist ein hochgradig unterhaltsamer Zukunfts-Thriller, der in der hier präsentierten Form erstaunlich gut funktioniert, viel Wiederspielwert bietet und hoffen lässt, dass Quantic Dream diesem unterrepräsentierten Genre auch in Zukunft die Treue hält.

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Kommentare

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