The Last of Us Part 2: Das Ende ist hart und deshalb perfekt - Meinung

Mit "The Last of Us: Part 2" erschien jüngst einer der letzten großen Titel der ausklingenden PlayStation 4-Ära, der mit seinen narrativen Entscheidungen, vor allem bezüglich seines Endes, die Gemüter spaltet.

The Last of Us Part 2: Das Ende ist hart und deshalb perfekt – Meinung
"The Last of Us: Part 2" spaltet seit Tagen die Gemüter der Spieler.

In diesem Artikel wollen wir uns des Endes von „The Last of Us: Part 2“ annehmen und die Ereignisse des finalen Aktes analysieren – auch, um hier ein Fundament für eine sachliche, respektvolle Diskussion über eben jene Geschehnisse zu schaffen. Dabei werden wir natürlich nicht um massive Spoiler herumkommen, weshalb ihr diesen Artikel jetzt abbrechen solltet, wenn ihr das Spiel von Naughty Dog noch nicht beendet habt.

Das neueste Werk des kalifornischen Entwicklerstudios lässt dabei, wie schon sein Vorgänger, mehrere Interpretationsansätze zu. Es verweigert sich oftmals einer schlichten schwarz-weiß-Zeichnung, wie wir sie in vielen anderen Videospielen kennen, und zeichnet einen Kommentar auf den moralischen Relativismus. Dies ist, so unbequem es auch an vielen Stellen des Spiels sein mag, gleichsam äußerst spannend.

Nochmals: Der folgende Text beinhaltet massive Spoiler.

Ein echtes Horrorspiel

Schon in „The Last of Us“ gab es keine Helden, denn obwohl wir uns mit Joel identifizieren können, ist doch stets klar, dass er schreckliche Dinge getan hat, um in einer Welt voller Monster zu überleben. Ellie zeigte ihm ein Stück der Schönheit und Unschuld, die er schon längst verloren glaubte, und für die er am Ende alles opferte. Er tat aus Liebe grausame Dinge und verdammte so womöglich die ganze Welt. Gleichsam dürfte ihm und uns klar gewesen sein, dass diese Entscheidung eines Tages einen schweren Tribut fordern würde.

Und tatsächlich holen ihn die Konsequenzen seiner Tat ein, wird er doch vor den Augen seiner Ziehtochter Ellie, seiner zweiten Chance, ein Vater zu sein, brutal ermordet. Er hatte sich erlaubt, zu hoffen, ein halbwegs normales Leben in der kalten „The Last of Us“-Welt zu führen, und zahlte dafür einen hohen Preis. Ellie, die sich in den vergangenen vier Jahren ebenfalls verändert hat, schwört daraufhin blutige Rache.

„The Last of Us: Part 2“ ist, wie bereits sein Vorgänger, ein Survival-Horror-Game, das Parallelen zu „Resident Evil“ aufweist. Wie Shinji Mikami seine Protagonisten in Raccoon City immer weiter von der Zivilisation entfremdete, distanziert sich nun auch Ellie immer mehr von dieser: Aus den Überresten der Zivilisation steigt sie hinab in eine zerstörte Unterwelt, die von menschenähnlichen Monstern bevölkert wird. Sie begibt sich in die lebendige Hölle.

Das Streben nach Rache als Lebenssinn

Ellies Motivation, sich auf einen solch düsteren Pfad, von dem es womöglich kein Zurück mehr geben könnte, zu begeben, wird im Spiel nuanciert gezeichnet und mit ihrem Trauma rund um Joels Tod verwoben. Nachdem ihr Ziehvater ihr die Chance entriss, nahm er ihr gleichzeitig eine Wahl sowie nicht zuletzt einen Teil ihrer Identität, den sie fortan verstecken musste. Statt für eine gute Sache zu sterben, musste sie nun einfach nur noch leben.

Dabei fand etwas, das sie zuvor nie wirklich hatte, nämlich ein richtiges Zuhause. Sie fand ein stabiles soziales Umfeld, Freunde und Liebe – ein, soweit es in dieser erbarmungslosen Welt eben möglich ist, normales Leben. Doch obwohl sie all dies findet, ist sie innerlich noch immer gebrochen, lustlos, mutlos und ebenso antriebslos. Hinzukommt die Gewissheit darüber, was Joel ihr verwehrte, auch wenn sie sich am Ende wieder annähern.

Durch Abbys Mord an Joel tritt all das in den Hintergrund, denn sie nahm Ellie eine Chance, die Dinge mit Joel wieder zu berichtigen, die versuchen wollte, ihm zu vergeben. Fortan besteht ihr einziges Ziel darin, den Mord an ihrem Ersatzvater zu rächen. Wut, Hass und Rache füllen jene Lücke aus, in ihrem Leben etwas zu finden, für das es sich zu kämpfen lohnt – bis sie so sehr von ihrer Obsession verzehrt wird, dass sie dafür alles opfern würde.

Ellie ist über einen Großteil des Handlungsverlaufs nicht dazu imstande, von ihrem Blutdurst abzulassen. Der Schmerz eines erlittenen Traumas kann selbst die besten Menschen verändern und die daraus erwachsende Unfähigkeit, die letztendlich nicht nur ihr Leben, sondern ebenso das jener, die ihr am nächsten stehen, in Gefahr bringt, enthüllen sie, bis zum finalen Akt des Spiels, als ein weiteres kompromissloses, unablässiges Monster in der „The Last of Us“-Welt.

Das Spiel mit der Perspektive

Und dann, wenn alles um Ellie herum erneut zusammenzubrechen droht, verlagert „Part 2“ seinen Fokus und gleichzeitig unsere Perspektive. Ungefähr in der Hälfte des Spiels werden wir gezwungen, in den Schuhen von Joels Mörder zu laufen und ihre Persönlichkeit sowie ihre Welt kennenzulernen. Dabei wird schnell klar, dass sich Abby und Ellie als Kinder gar nicht mal so unähnlich waren, denn sie beide wollten ihren Träumen nachjagen.

Bekanntlich kam es jedoch anders, denn als Joel Ellie aus dem Fireflies-Krankenhaus rettete, tötete er Abbys Vater und pflanzte so eine Saat, die ihm Jahre später zum Verhängnis werden sollte. Abby verlor ihre Firefly-Ideale zusehends aus dem Blick und wurde zur Vorzeigesoldatin der WLF. Sie wurde hart und unnahbar, innerlich wie äußerlich. Ihre Rache brachte ihr zwar Genugtuung, doch am Ende keinen Frieden, keine Erlösung.

In ihrer Rolle waren wir gezwungen, Kämpfe anzunehmen, deren Ausgang wir nicht bestimmten konnten oder wollten, was bei vielen Spielern sicherlich zu einer Entfremdung führte. Noch mehr als Ellie tat Abby alles dafür, ihre Ziele zu erreichen, doch dies führte letztlich nur dazu, dass sie ihrer neuen Familie – Lev – ihrem neuen Lebenssinn, beim Sterben zusehen musste. Ihre Rache hätte sie beinahe alles gekostet.

„The Last of Us: Part 2“ ist, wie schon angedeutet, in vielerlei Hinsicht ein Horrorspiel. Es dreht sich um Perspektiven, um Kontrolle und den Schrecken, der verursacht wird, wenn diese herausgefordert oder uns gar gänzlich entrissen wird. In Abbys Part geht es nicht nur darum, ihre Motivation verstehen zu lernen und uns mit dem zuvor etablierten Bösewicht zu identifizieren, sondern die Idee der Identifikation in letzter Konsequenz zu zerschmettern. Das Spiel zwingt uns Spieler dazu, uns zu verändern und daran zu wachsen.

Ein Licht in der Finsternis

Doch auch Ellie kostete ihr Rachedurst am Ende alles. Sie hatte ein gemeinsames Leben mit Dina, allerdings wird sie noch immer von den grausamen Erinnerungen an Joels Mord geplagt. Sie konnte nicht mit dem Mord an ihm abschließen und macht sich erneut auf, um Abby zur Strecke zu bringen. Jetzt aufzugeben würde in letzter Konsequenz bedeuten, Joel aufzugeben und sich einzugestehen, dass alle bisher gebrachten Opfer umsonst gewesen wären. Sie will einen Abschluss. Sie braucht einen Abschluss, egal um welchen Preis.

Wenn sie Abby in Santa Barbara jedoch aufspürt, ist diese nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Wochen der Folter haben sie körperlich ausgemergelt und ihren Kampfeswillen gebrochen; sie wartete nur noch auf ihren schleichenden Tod. Als Ellie sie befreit, kreisen Abbys Gedanken nur um Lev und darum, ihre neue Familie, die einzige Familie, die sie noch hat, in Sicherheit zu bringen – doch Ellie stellt sich ihr erneut in den Weg.

Es kommt zum Kampf der beiden gebrochenen Frauen, an dessen Ende Ellie, nachdem ihr ein Bild Joels erschien, Abby sowie Lev ziehen lässt, welche von da an mit der Gewissheit leben müssen, dass sie ihr neues und womöglich besseres Leben nur Ellies Gnade zu verdanken haben. Hätte Joel gewollt oder erwartet, dass Ellie keine Rache nimmt? Vermutlich nicht, denn wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er wohl alles getan, um sicherzustellen, dass Abby keine Gefahr mehr für seine Tochter darstellt. Dass Ellie sich gegen ihre Rache entscheidet, liegt vielleicht eher daran, dass ihre letzten Momente mit Joel nicht von Hass, sondern Vergebung geprägt waren.

Ellie realisiert, dass Rache ihr weder Frieden noch Heilung bringen wird. Würde sie sich ihr hingeben, gäbe es für sie keinen Weg zurück mehr und keine potentielle gemeinsame Zukunft mit ihrer Familie. Sie erkennt ein Licht in ihrer Finsternis sowie eine neue Aufgabe: Ellie muss den letzten Teil ihres alten Ichs bewahren, der noch nicht von ihrem Rachedurst zerfressen wurde. Sie muss vergeben. Joel für seine Taten, Abby für ihre und letztendlich ebenfalls sich selbst.

„Sollte ich dich je verlieren, würde ich mich sicherlich selbst verlieren“ – Future Days

Wenn wir Ellie in den finalen Momenten des Spiels wieder im Farmhaus sehen, mit der Gitarre, die Joel ihr geschenkt hat, hat sie scheinbar alles verloren. Dies wird besonders deutlich wenn sie versucht den Song „Future Days“ von Pearl Jam zu spielen, der mehrfach in „The Last of Us: Part 2“ anklang. Waren die Worte „If I ever were to lose you“ zunächst noch positiv konnotiert – sie symbolisieren Joels Liebe für Ellie und ihre Liebe für Dina –, ist es hier nun anders, denn erstmals hören wir den zweiten Teil der Zeile: „I’d surely lose myself“.

Weil sie nicht loslassen konnte, weder Joel noch ihren Wunsch nach Rache, verlor Ellie am Ende wortwörtlich einen Teil von sich selbst. Der Song verdeutlicht ebenfalls, dass für sie und Joel keine gemeinsamen Tage mehr in der Zukunft liegen. An diesem Punkt muss sie ihren Vater endgültig loslassen und sich von ihm verabschieden. Indem sie ihre Gitarre ans Fenster lehnt und geht, kann sie dies endlich tun und ein neues Kapitel aufschlagen.

Zum Thema

Wohin Ellie geht, überlässt das Spiel unserer Fantasie, doch unabhängig davon, wohin sie ihr Weg auch führen wird, sie dürfte der Herausforderung gewachsen sein. Entgegen gängiger Horrorspiel-Konventionen, in denen die Hauptfiguren zumeist unfähig sind, sich zu ändern, wird in Ellies Fall von Naughty Dog ein erlösender Bogen gespannt, der in einem bittersüßen Ende gipfelt, aus dem sie als Mensch gestärkt hervorgeht. Angesichts all des Nihilismus und Terrors der „The Last of Us-Welt“ entschied sie sich zu vergeben, zu heilen und vor allem zu leben.

Jetzt seid ihr gefragt: Was ist eure Meinung zum Ende von „The Last of Us: Part 2“?

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