Die Entwicklung von „Dying Light 2“ verlief alles andere als problemlos. Über sechs Jahre verschlang Techlands Mammutprojekt und zwischendurch stand das Zombie-Abenteuer sogar auf der Kippe. Doch nach Last-Minute-Release-Verschiebungen kommt „Dying Light 2“ am 04. Februar 2022 endlich in den Handel.
Allerdings verlief auch die Veröffentlichung nicht reibungslos. Nachdem der Vorgänger hierzulande bereits auf dem Index landete, griff die USK auch bei „Dying Light 2“ ein. Das Actionspiel erscheint in Deutschland lediglich in der geschnittenen Version. In dieser könnt ihr beispielsweise Quest-Geber nicht mehr töten und auch das Zerstückeln von Gegnern wurde eingeschränkt.
Das schadet zwar dem Spielspaß kaum, hinterlässt aber doch einen faden Beigeschmack bei dem ohnehin nur für erwachsene Spieler erhältlichen „Dying Light 2“. Wie gut also ist das Open-World-Actionspiel schlussendlich geworden?
Zwischen den Fronten
Ihr schlüpft in die lumpigen Klamotten von Aiden Caldwell. Er zieht als Pilger in die Stadt und ist auf der Suche nach seiner Schwester Mia. Doch innerhalb der Mauern der Metropole droht Ungemach: Nicht nur, dass Zombies und Mutanten durch die Straßen wanken, es herrscht Krieg zwischen den Fraktionen. Die Peacekeeper unterjochen die Bewohner des Basars, die Abtrünnigen terrorisieren alle.
In diesem Durcheinander sucht Aiden nach Antworten, vor allem aber auch nach Unterstützung. Techland setzt stärker auf Storytelling, kleine Geschichten und einprägsame Charaktere. Dass man hier und da in die Klischee-Schublade greift, scheint bemessen am Setting durchaus verschmerzbar.
An Schlüsselstellen dürft ihr sogar über das Schicksal von Peacekeepern und Überlebenden des Basar entscheiden und ihnen Gebäude wie Wasser- oder Elektrizitätswerke zuweisen. Dadurch aktiviert ihr nicht nur Story-Twists sondern auch Hilfen innerhalb der Stadt: Bei den Peacekeepern handelt es sich um Extras wie Autobomben, bei den Überlebenden dagegen zusätzliche Seilzüge und andere Hilfen.
Tag und Nacht
Zwar steuert ihr „Dying Light 2“ aus der Ego-Perspektive, jedoch erinnert das Gameplay stark an „Cyberpunk 2077“ oder auch „Mirror’s Edge“. Techland verquickt Parkour-Navigation mit Nahkämpfen mit Schwertern, Keulen und Hämmern. Der Fernkampf – etwa mit Granaten oder Pfeil und Bogen – spielt dagegen eher eine untergeordnete Rolle.
Entsprechend dreidimensional fällt auch eure Spielweise aus. Ihr müsst euch den idealen Weg durch Häuserschluchten und Straßen suchen, springt über Autos an Dachrinnen oder sucht euch schnellstmöglich einen Weg nach oben. Der Ansatz hängt dabei massiv von der Tageszeit an: Tagsüber sind Gebäude gefährlich. Denn die Untoten ziehen sich vor dem Sonnenlicht zurück. Bei Nacht hingegen kommen sie und gefährliche Mutationen aus ihren Löchern und die Straßen sind (abhängig vom Bezirk) geflutet mit Beißern.
Das System funktioniert ordentlich und beeinflusst die eigenen Planungen spürbar. Sobald die Sonne untergeht, wird es riskant und manchmal muss man auch Missionen abbrechen bzw. pausieren, um nicht unnötig in Gefahr zu geraten. Zugleich entstehen gerade in diesen Momenten auch die intensivsten Situationen. Entdecken euch die Zombies und schlagen die so genannten Heuler in der Nacht Alarm, beginnt die Jagd und die Untoten scheuchen euch durch die Stadt. Übersteht ihr diese Hatz, erhaltet ihr Bonus-Punkte. Hauptsächlich aber wechselt ihr dadurch die Rolle und werdet vom Jäger zum Gejagten – und das gefällt!
Parkour trifft Kampfkunst
Das eigentliche Gameplay hat dabei Stärken und Schwächen: Gerade die Parkour-Steuerung macht über weite Strecken viel Freude und bringt gehörige Tiefe ins Spiel. Allerdings ist die Steuerung nicht perfekt und erfordert gelegentliches Nachfassen. Auch Aidens Ausdauer ist zu Beginn arg beschränkt. Das kann frustrieren.
Auch im Kampf bindet Techland den Parkour ein. Nach Paraden könnt ihr etwa über Gegner springen und Dropkicks verteilen. Im späteren Verlauf schaltet ihr weitere Aktionen für den Parkour-Combat frei. Das Handling ist komplex und basiert auf gutem Timing. Das kreiert befriedigende Momente, ist aber auch anstrengend. Im Nahkampf ist „Dying Light 2“ bisweilen auch arg chaotisch, sodass die Übersicht immer wieder flöten geht. Immerhin: Das Treffer-Feedback ist wuchtig und gerade die Auseinandersetzungen mit Zombies sind herrlich blutig.
Machen wir es kurz: „Dying Light 2“ erlaubt coole Aktionsfolgen, ist aber keine durchgestylte Action-Bude. Scheitern und gelegentliche Frustmomente gehören hier dazu. Kämpfe mit menschlichen Widersachern fallen in diesem Punkt ein wenig ab. Die Wachen reagieren zwar clever darauf, wenn ihr etwa bei nächtlichen Überfällen die Taschenlampe an lasst. Zugleich aber reagieren die Waffen immer wieder auch vergleichsweise dumm und bekommen nicht mit, wenn wir ihre Kollegen zwei Meter weiter meucheln.
Höhen und Tiefen
Bricht man „Dying Light 2“ allerdings auf seine Grundfesten runter, zeigen sich auch einige Schwächen. Crafting und Ressourcen-Management sind vergleichsweise oberflächlich und wenig fordernd. Das Inventarmanagement erweist sich als wenig übersichtlich und auch die Handhabung ist mit dem virtuellen Cursor leider nicht optimal. „Dying Light 2“ bietet zwei Talentbäume – jeweils für Kampf und Parkour. Grundwerte wie Ausdauer und Lebensenergie rüstet ihr mit dem Finden von Hemmstoff-Containern auf.
Das Looten und Sammeln von Ressourcen nimmt einen gehörigen Teil der Spielzeit ein und mäandert zwischen „Spannung pur“ und „Resteverwertung“. Wir haben urgendwann aufgehört zu zählen, in wie vielen Mülltonnen wir im Testverlauf gewühlt haben. Seine besten Beutezüge präsentiert das Spiel zweifellos beim Infiltrieren von Forschungslaboren. Um hier nicht die Untoten aufzuwecken, erfordert es wahlweise eine gute Taktik oder eine starke Ausrüstung.
Das Problem an diesem System: Die Progression ist extrem langsam und gerade in den ersten Stunden passiert viel zu wenig. Essentielle Funktionen wie die Schnellreise oder den Gleitschirm schaltet ihr erst nach vielen Stunden frei. Wer „Dying Light 2“ genießen möchte, muss Geduld mitbringen.
Weitere Meldungen zu Dying Light 2:
- Techland im PLAY3.DE-Interview
- Gameplay zeigt Qualität auf PS4 und Xbox One
- Entwickler stellen die ersten Post-Launch-Inhalte vor
In Puncto Missionsdesign hält sich Techland an die Open-World-Standards: Zielpersonen ausschalten, Mühlen (statt Türmen) in Umgebungsrätseln erklimmen, Konvois säubern, Banditenlager ausräuchern, Gegenstände suchen und kleinere Detektiv-Puzzles mit Aidens Überlebenssinn meistern – Das ist alles okay, aber mehr leider auch nicht.
Gleiches gilt für die Technik: Gerade die Lichteffekte sind erstklassig und die Stadt selbst ist herrlich atmosphärisch. Trotzdem mangelt es immer wieder an Details und die Texturen fallen im PS5-Vergleich mit anderen Spielen leicht ab. Darüber hinaus gab es im Test noch reichlich Grafik-Fehler: Da ragten Körper gerne mal ineinander oder schwebten in der Luft. Hier darf Techland gerne noch ein wenig nachbessern.
Kommentare
RegM1
03. Februar 2022 um 01:05 Uhr@Bierbaron
mäandern ist zwar kein häufiges Wort, aber es hat nichts mit Ziegen zu tun und das u liegt neben dem i, kann schon mal passieren.
@darkbeater
Oh ja, Spielen eine Chance geben, wenn man noch locker 1000+ ungespielte/nicht beendete Games hat, tolles Argument.
Fakt ist, meine Erwartungen wurden enttäuscht (kurzfristige Bekanntgabe von Denuvo-DRM & Cut-Version für DE), daher war meine Pre-Order schon sehr wohlwollend. Wenn die Story dann noch belanglos ist (keine Spoilergefahr) und das Spiel einige Bugs hat, dann storniere ich so eine Vorbestellung natürlich.
Und sorry, die Entwickler haben sich das selbst verbockt, denn keiner der genannten Punkte allein hätte für eine Stornierung meinerseits gereicht.