ANGESPIELT: Alien Isolation - Im Weltraum hört dich niemand schreien

Was haben sich doch Fans und Fachpresse damals auf „Aliens: Colonial Marines“ von Sega gefreut. Die Grafik verschiedenster Gameplay-Demos sah einfach fantastisch aus, die Atmosphäre ließ einem förmlich die Alien-Säure im Mund zusammenlaufen und der Koop-Aspekt und die Mehrspieler-Modi schienen sich hervorragend ins Gesamtbild einzufügen.

Alien Isolation PS3 PS4 Playstation Screenshot

Soweit die Eindrücke vor der Veröffentlichung. Wer heutzutage bei Metacritic und Co. einen Blick auf die weltweit vergebenen Wertungen wirft, findet dort leider vor allem eins: herbe Enttäuschungen und einen faden Durchschnittsscore von gerade einmal 43 von 100 Punkten für die PlayStation-3-Fassung.

Rückblickend zurecht, denn vor allem technisch hat Entwickler Gearbox die Welt rotzfrech an der Nase herumgeführt. Auf Messen vorgespieltes sowie im Netz in Videoform präsentiertes Material sah im fertigen Spiel letztlich deutlich schlechter aus, weil viele einst vorhandene Wow-Effekte und dynamische Lichtquellen fehlten.

Dazu gestellten sich fiese Programmfehler, weichgespültes Storytelling, oft miserable Zwischensequenzen, wenig aggressive KI-Routinen und ein Spielende, das Ridley Scott wahrscheinlich am liebsten in der Pfeife rauchen würde. Kurzum: Für Kenner war „Colonial Marines“ ein Griff ins Klo, nur merkte es im Vorfeld kaum jemand, da Medien den Titel so gut wie nie selbst anspielen konnten – und wenn doch, dann nur im Mehrspieler-Modus.

Mit „Alien Isolation“ geht Sega nun reumütig einen komplett anderen Weg – spielerisch, inhaltlich und was die Art der Präsentation vor der Veröffentlichung angeht. Schon die Tatsache, dass man den für Herbst 2014 geplanten Titel bereits auf der allerersten Presseveranstaltung selbst auf PS4-Hardware antesten darf, spricht Bände…

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Shooter ohne Waffen?
Der uns präsentierte Abschnitt – laut Entwickler irgendwo in der Mitte der Story-Kampagne – beginnt klaustrophobisch. Ich befinde mich an Bord einer Raumstation namens Sevastopol. Es ist zappenduster bis plötzlich nach und nach Sonnenstrahlen durch sich rasch öffnende Luken einiger vergitterter Fenster dringen. Schnellen Schrittes und spürbar angespannt laufe ich in Richtung einer massiven Stahltür, die sich automatisch öffnet und den Blick freigibt auf eine Art Kommandozentrale.

Weitere Jalousien ratten nach oben und lassen mich erstmals durch zentimeterdickes Panzerglas in die Weiten des Weltalls blicken. Ein wahrlich atemberaubender Anblick! Sterne funkeln, während das Licht eines namenlosen Himmelskörpers in der Distanz von den unzähligen Ausläufern der gigantischen Raumstation reflektiert wird. Parallel dazu erklingen vertraute Klänge aus dem ersten „Alien“-Streifen von Ridley Scott – ein erhabener, irgendwie hoffnungsvoller Moment.

Doch irgendetwas stimmt hier nicht. Überall auf dem Boden liegen Papierfetzen und Büroutensilien. Untermittelbar daneben zahlreiche wirr zerwürfelte Kisten und umgeschmissene Fässer. Dann die erste Gänsehaut-Passage: Einige Räume weiter blicke ich auf den bestialisch verstümmelten Körper einer Androiden-Einheit. Irgendetwas hat der Mischung aus Mensch und Maschine den Unterleib von Oberkörper gerissen. Vielleicht eine außer Kontrolle geratene Maschine? Nichts dergleichen ist zu sehen. Nervös zücke ich den Motiontracker, drehe mich mehrfach um die eigene Achse. Es herrscht Totenstille, die jedoch immer wieder vom penetranten Surren eins Ventilators unterbrochen wird.

Und dann blinkt er hektisch auf. Ein kleiner grüner Punkt auf meinem Bewegungsmelder. Unberechenbar wechselt er die Position, ist mal direkt vor, dann etwas neben mir. Als ich schlussendlich mit eigenen Augen sehe, was dort scheinbar harmlos auf dem Radar tänzelt, erstarre ich kurzzeitig wie eine Eisstatue. Für den Bruchteil einer Sekunde blicke ich einer knapp drei Meter hohen Kreatur direkt in die Augen. Klar und deutlich kann ich ihre dumpfen Schritte und ein irgendwie wütendes Schnaufen vernehmen.

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Ich ducke mich weg, presse meinen Körper verzweifelt an eine kühle Metallwand, in der Hoffnung nicht entdeckt worden zu sein. Zu spät! Die Bestie stößt einen markerschütternden Schrei aus und nimmt sofort die Verfolgung auf. Verzweifelt renne ich einer Druckluftschleuse entgegen, werde jedoch bereits auf halbem Weg Gesicht voran auf den Boden geschmettert. Schreien, treten, zerren – alles nutzlos! Dann sehe ich meinem schier übermächtigen Widersacher direkt ins Gesicht. Doch der kennt keine Gnade. Wie ein ausgemergeltes Raubtier, das tagelang nicht gefressen hat, knurrt das Wesen mich an, reißt das Maul auf und bohrt sein zweites, ebenfalls rasiermesserscharfes Gebiss direkt in meinen Frontschädel – Exitus! Und Neustart beim letzten Checkpoint.

Lost in Deep Space
Mal kurz die Plasma-Bleispritze zücken und draufhalten? Keine Option, denn in „Alien: Isolation“ habt ihr – wenn überhaupt – alle paar Stunden mal so etwas wie eine Waffe in der Hand. Das nächste Konsolenspiel aus dem Hause Creative Assembly spielt ihr zwar ausschließlich aus der Ego-Perspektive, von einem klassischen Shooter kann gleichwohl keine Rede sein. Stattdessen servieren die Briten – bisher hauptsächlich bekannt für ihre PC-Echtzeit-Strategie-Kracher der »Total War«-Reihe – feinsten First-Person-Survival-Horror im Stil von PC-Geheimtipps wie »Amnesia: The Dark Descent« oder »Outlast«.

Der Gameplay-Grundgedanke: Das Alien – übrigens das einzige im ganzen Spiel – ist so übermächtig, dass es eigentlich überhaupt keinen Sinn macht, die direkte Konfrontation mit ihm zu suchen. Es läuft schneller als ihr, hört besser als ihr, hat Gewebe so zäh wie eine Metalltür und tötet in der Regel binnen Sekunden. Schlimmer noch: Es ist durch und durch triebgesteuert und lässt sich bevorzugt von seinen ausgeprägten Jäger-Instinkten leiten, sprich nutzt auch gerne mal Luftschächte, um sich in Levelbereichen über oder unter euch fortzubewegen. Wohl dem, der ständig einen wachsamen Blick auf den Motiontracker wirft!

Alien Isolation PS3 PS3 Playstation Screenshot

Auf die Frage hin, ob die Künstliche Intelligenz gelegentlich mogelt und den Feind hin und wieder spannungsbedingt urplötzlich direkt neben dir auftauchen lässt, schütteln die Macher während unserer schweißtreibenden Anspielrunde nur ungläubig den Kopf. „Wir schummeln nicht!“ betont Clive Lintop, Lead Designer, ausdrücklich und öffnet mittels Druck aufs Touchpad des PS4-Controllers die Levelkarte, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. „Wie du siehst, kann man sich von dieser Stelle im Level auf insgesamt drei Pfaden zu deiner Position bewegen – für das flinke Killergeschöpft ist die Strecke ein Kinderspiel. Nur weil das Alien also mal die Richtung gewechselt hat, heißt es nicht, dass es nicht plötzlich direkt über dir auftauchen kann. Wenn du allerdings weißt, wo sich das Alien befindet, kannst du ihm gezielt aus dem Weg gehen“.

Und Recht hat der sympathische Engländer. Sofern der intergalaktische Jäger euch nicht direkt ansieht, kann es in einigen Situationen durchaus Sinn machen, ihm hinterherzulaufen – leise versteht sich, denn hektische Schritte auf dem oft metallenen Boden erregen schnell Aufmerksamkeit. Bester Freund des Spielers in solchen Situationen ist und bleibt der Motiontracker. Denn dank seiner Hilfe habt ihr einen entscheidenden Vorteil: Ihr wisst wo das Alien ist, müsst es aber nicht zwangsweise direkt anschauen.

Her mit den Baldrian-Pillen!
Aufs Gameplay übertragen ergeben sich daraus unzählige Herzrasen-Momente. In einer Szene beispielsweise kauere ich mucksmäuschenstill unter einem großflächigen Schaltpult, das Monster direkt über mir und nur eine Tischplatte dazwischen. Ich höre es, ich spürt es, ja selbst Teile seiner Gliedmaßen sind für einige Sekunden zu sehen. Meine Finger am Controller beginnen fast schon zu verkrampfen, so fest umklammere ich das Gamepad.

Auch Creative Assembly ist solches Spielerverhalten in Fokusgruppentests immer wieder aufgefallen. Sie berichten gar von Versuchspersonen, die mehrere Minuten wie angewurzelt hinter bestimmten, in ihren Augen sicheren Objekten verharrten, um nicht entdeckt zu werden. Ein sich ständig wiederholendes oder geskriptetes Bewegungsmuster kann dennoch keiner von ihnen bei der Kreatur ausmachen – eine weitere Stärke der ausgefuchsten KI-Routinen in „Alien Isolation“.

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Held wider Willen
Doch wer ist eigentlich die in diesem Text bis dato namenslose Hauptperson? Auch Creative Assembly hat diesbezüglich lange in der Trickkiste gekramt, dann jedoch einen echten Joker an Land gezogen. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Amanda Ripley, der Tochter von „Alien“-Star Ellen Ripley, damals gespielt von Sigourney Weaver.

Kurz zur Erinnerung (Achtung Spoiler bis zum Absatz): Am Ende des 1979 in die Kinos kommenden Sci-fi-Blockbusters „Alien“ zerstört Ripley den Erze transportierenden Weltraumfrachter Nostromo durch Aktivierung des Selbstzerstörungsmechanismus, flieht mit einer Rettungskapsel, tötet wenig später ihren schlimmsten Alptraum und begibt sich danach für 57 Jahre in einen Kälteschlaf, in der Hoffnung doch noch gerettet zu werden.

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Genau in diesem Storyvakuum setzt Creative Assembly 15 Jahre nach der Nostromo-Katastrophe an und erzählt die Geschichte von Ellens 26 Jahre alter Tochter Amanda. Niedergeschlagen vom spurlosen Verschwinden ihrer Mutter schöpft sie neuen Lebensmut, als eines Tages wider Erwarten die Blackbox der Nostromo auftaucht. Von Neugier und Hoffnung getrieben, die verschollene Mutter nach so vielen Jahren doch nicht zu finden, macht sie sich auf zur eingangs erwähnte Raumstation Sevastopol, um die Daten des dort aufbewahrten Flugschreibers persönlich auszuwerten. Eine folgenschwere Entscheidung, denn kaum an Bord, wird der Analyseausflug zum Weltraum-Horrortrip. Aus noch ungeklärten Gründen wütet ein Xenomorph auf der Station – und Amanda ist mittendrin.

Weltraum-Werkstatt
Wieso sie nicht einfach fliehen kann? Was aus der Crew wird, die sie nach Sevastopol begleitet hat? Und vor allem: Wie das Alien auf die Station gelangen konnte und ob es sich überhaupt vernichten lässt? All diese Fragen sollen sich im Spielverlauf klären, für den die Macher einen Weltraumfrachter voller Abwechslung versprechen.

Ein Crafting-System zum Beispiel soll euch ermöglichen, aus gefundenen Materialien verschiedenste Objekte zu konstruieren. Solche, die Amandas Feinde effektiv ablenken, aber auch solche, die sie in eine Falle tappen lassen oder ihr neue Fähigkeiten verleihen. Konkrete Beispiele wollten die an sich sehr redseligen Insulaner nicht nennen, denkbar wären jedoch zum Beispiel Blendgranaten, Nagelbomben, Minen, Flammenwerfer, verbesserte Taschenlampen und vieles mehr. Hauptsache, die Ausgeburt der Hölle muss einen Gang zurückschalten und die kecke Lady bleibt am Leben und behält die Oberhand.

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Wer übrigens befürchtet, Creative Assembly konfrontiert Amanda ausschließlich mit labyrinthartigen Gängen und einem einzigen Gegenspieler (dem Alien), irrt gewaltig. Geht’s nach Clive Lindop, dem Leitenden Designer des Projekts, trefft ihr auch immer wieder auf Überlebende innerhalb der Raumstation. Gezeichnet von den stattfindenden Ereignissen, sind ihre Absichten gleichwohl schwer einzuschätzen.

Wollen sie euch womöglich sofort an die Gurgel, weil jeder nur an sich denkt und ihr als Einziger einen funktionsfähigen Motiontracker besitzt? Geben sie euch falsche Information, um das Alien von ihrer eigenen Position abzulenken? Oder kann man doch auf einzelne Individuen zählen und gemeinsam den Kampf gegen die Bestie antreten? Auch hier klingt die Vision der Briten vielversprechend, wenngleich sie play3.de – ebenso wie beim Crafting – konkrete Beispiele schuldig bleiben.

In Anbetracht der unfassbar mitreißenden Atmosphäre und dem kontinuierlichen Zustand von Adreanlin-Ausschüttung sind diese noch offenen Fragezeichen aber bisher kein Beinbruch. Im Gegenteil: Sie machen neugierig auf all das, was die Briten in den nächsten Monaten zu „Alien: Isolation“ noch enthüllen wollen.

Über den Autor: Sönke ist seit 1999 in der Videospielbranche tätig. Zunächst arbeitete er als Redakteur für das Multiformat-Printmagazin „Video Games“, nebenbei für „Kids Games“ und „PSM2“ aus demselben Verlag. Während seines Studiums schrieb Sönke dann unter anderem für „GamePro“ und „GamesAktuell“. 2008 wurde er Leitender Redakteur der Zeitschrift „gamesTM“, später dann Chefredakteur der Magazine „PS3M“ und „360 Live“. Für PLAY3.DE haut Sönke seit Januar 2014 in die Tasten.

Einschätzung: sehr gut

Bei „Alien Isolation“ ist der Name Programm. Kaum den Controller in der Hand und die ersten Meter in Sevastopol unterwegs, fühle ich mich isoliert, eingepfercht und eingekesselt. Kurz drauf unterlegen, hilflos und ununterbrochen gejagt – von einem Feind, dem ich anfangs nicht gewachsen bin. Dutzende Bildschirmtode später weiß ich: Überleben in dieser Weltraumhölle ist nicht einfach, aber doch möglich – und genau das macht den Reiz des Gameplays aus. Nicht zuletzt, weil das Drumherum einfach grandios funktioniert. Den 70er-Jahre-Scifi-Look hätte Creative Assembly kaum besser einfangen können, die dynamischen Lichteffekte sind bereits über jeden Zweifel erhaben, die Story macht Lust auf mehr, das Crafting-System ebenso. Schön auch, wie PS4-eigene Features genutzt werden: Der Lautsprecher des Controllers und die hektisch blinkende Lightbar zum Beispiel, um ein sich nahendes Alien akustisch anzuzeigen. Die Zutaten für einen echten Genre-Liebling sind also da. Jetzt hängt letztendlich alles davon ab, wie Creative Assembly sie variiert. So oder so: Wenn’s hinhaut, wäre „Alien“ als Videospielmarke im Handumdrehen rehabiliert.

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