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Bayonetta im Test: Wie schlägt sich das Japano-Spektakel?

play3 Review: Bayonetta im Test: Wie schlägt sich das Japano-Spektakel?

8.5

SEGA macht allen ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, scheint es. „Bayonetta“ steht nämlich fast einen Monat vor dem offiziellen Release-Termin in den Regalen. Allerdings nicht in allen Shops, was für Verwunderung sorgt. Manche Händler verkaufen es seit dem 12. Dezember, doch andere halten am offiziellen Streetdate (8. Januar 2010) fest.

Amazon.de listete „Bayonetta“ kurzzeitig mit dem 16. Dezember, doch momentan ist wieder der 8. Januar eingetragen. Dieses Hin und Her ist fast verwirrender, als die Zwischensequenzen des Spiels – und das soll etwas heißen!

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Extrem abgehoben

Ihr übernehmt die Rolle einer heißen Hexe, die im ultimativen Kampf zwischen Gut und Böse dermaßen Gas gibt, dass es dem Spieler manchmal fast schwindelig wird. Gleich zu Beginn werdet ihr unvermittelt in die Action katapultiert, durch optische und akustische Reizüberflutung lähmt. Ihr habt als Neuling das Gefühl, kräftig durchgekaut und ausgespuckt zu werden.

Auch die zahlreichen Zwischensequenzen sind extrem schräg und garantiert nicht jedermanns Sache. In einer Szene erhält Bayonetta zum Beispiel ein neues Paar Ballermänner. Daraufhin tanzt sie albern lasziv mit ihren Pistolen herum, während ihr Kumpel hinter der Bar im Rhythmus des J-Pop-Soundtracks einen Cocktail mixt. Solche Momente gibt es haufenweise und man muss schon sehr japanophil sein, um das cool zu finden.

Die Hintergrundgeschichte an sich ist ziemlich wirr erzählt und es braucht einige Zeit, bis man dem Plot folgen kann. Es geht um Edelsteine namens „Die Augen der Welt“. Wer alle Klunker vereint, führt das Ende der Welt herbei. Eine Art Schöpfungs-Reset, oder so ähnlich.

„Bayonetta“ selbst lag die letzten 500 Jahre auf dem Grund eines Sees herum und erinnert sich nur noch bruchstückhaft. Ihr helft ihr also in den 20 Kapiteln des Spiels den Erinnerungsschleier zu lüften und tretet dabei in eine Menge Ärsche.

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Devil May Zwei

Ihr ballert, prügelt und schnetzelt euch aus der Verfolger-Perspektive durch klar begrenzte Levels. Der Schwerpunkt liegt also auf kreativer Gegnerdezimierung. Ihr bekämpft eure Feinde aber nicht nur, ihr vernichtet sie regelrecht. „Bayonetta“ wirbelt zwischen ihren Opfern umher, filetiert diese mit Schwertern, Peitschen und Kettensägen, perforiert sie mit Pistolen und Schrotflinten und beendet deren Leid mit Finishing Moves, gegen die selbst „Mortal Kombat“ alt aussieht. Guillotinen, eiserne Jungfrauen, Riesenschraubzwingen und weitere Utensilien inklusive.

Hideki Kamiya („Resident Evil 2“, „Devil May Cry“, „Okami“, „Viewtiful Joe“) und sein Team haben ein Hack’n’Slay auf die Beine gestellt, das sich im Minutentakt selber toppt. Immer wieder sitzt man mit offenem Mund vor dem Bildschirm.

Egal, welchen Aspekt von „Devil May Cry“ ihr zum Vergleich heranziehen wollt: „Bayonetta“ setzt noch einen drauf. Move-Vielfalt, Steuerung, Grafik, Boss-Design, Balancing, Action, Tempo, Gewalt, Waffen, Kampfsystem. Kurz: Capcom muss für Dantes nächstes Abenteuer schon richtig dicke Geschütze auffahren, um das zu übertreffen.

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Die sexy Tante hat sogar für die fettesten Boss-Gegner Finishing Moves auf Lager. Dann verwandelt sie etwa ihren pechschwarzen Haarschopf in einen riesigen Höllenhund, der alles verschlingt. Cool ist auch die Haarkreation „Riesenraubvogel“, welche gigantischen Schlangenbossen einfach den Kopf abbeißt. „Bayonetta“ kann aber nicht nur ihre schwarze Mähne zu Finishing-Zwecken transformieren.

Auf Knopfdruck nimmt die Tante selber Tiergestalt an. Als Panther bewegt Sie sich schneller, als Schmetterling gleitet sie durch die Luft und selbst als Fledermausschwarm tritt sie in Aktion. Weil viele ihrer Fähigkeiten und Moves erst nach und nach freigeschaltet werden, bleibt das epische Gemetzel stets motivierend. Frei nach dem Motto: „Wow, ich bin schon auf die nächsten Skills gespannt!“

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Zusammenbruch Deluxe

Eine weitere Besonderheit ist die dynamisch wirkende Spielumgebung. Nehmen wir das mittelalterliche Städtchen als Beispiel. Erst metzelt ihr euch durch die malerischen Gassen, dann bricht plötzlich die Hölle los und Lavamassen überfluten das Kaff. Alles brennt, überall Trümmer, Gebäude stürzen ein und ihr mittendrin. Hier kommt „Bayonettas“ Wallrun-Fähigkeit ins Spiel.

An bestimmten Stellen verlasst ihr einfach den Boden und lauft an Wänden oder Decken weiter. Es ist ein echt abgefahrenes Gefühl, aus einer von Lava-Massen überfluteten Stadt zu fliehen, in dem man Hauswände und Kirchtürme entlang rennt. Immer wieder wird in „Bayonetta“ die Umgebung selbst als aktiver Teil des Geschehens eingesetzt.

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Die meiste Zeit über rennt ihr also von A nach B und metzelt Tonnen von Gegnern weg. Zwischendurch wird euer Weg aber durch Tore, magische Barrieren und andere genretypischen Hindernisse versperrt. Oft müsst ihr nur eine bestimmte Anzahl Bösewichter klatschen und schon geht es weiter. Manchmal gilt es auch einem Blitz auszuweichen, um Hindernisse zu passieren. Die Blitznummer liest sich seltsamer als sie in der Praxis ist, aber nach dem dritten mal wirds langweilig.

Dann wäre da noch die Sanduhr, mit der ihr die Zeit zurückdreht. Ist zu Beispiel eine Brücke kaputt, lässt sich damit der Ur-Zustand wieder herstellen. Ja, auch sonst sind die „Rätsel“ eher mau und uns kamen sie wie eine Art Verschnaufpause vor. Wenn man gerade einem haushohen Monster zwei Drachenköpfe ausgerissen hat, dann wirkt das Herumtragen einer Sanduhr sehr entspannend.

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Videospiel in Reinkultur

Der Stil ist Geschmacksache, die Story wirr und die Rätsel nicht wirklich rätselhaft. Trotzdem 8.5 von 10? Das liegt ganz einfach an der Tatsache, dass der zentrale Aspekt des Spiels grandios funktioniert. In kaum einem anderen Titel des Genres metzelt ihr euch dermaßen flüssig, intuitiv und abwechslungsreich durch die Gegnermassen.

Da können sich Dante, Kratos oder Ryu Hayabusa eine dicke Scheibe von abschneiden. Auch Skill-, Waffen- und Shop-System überzeugen auf ganzer Linie. Ihr sammelt Ringe ein und tauscht diese gegen neue Waffen, Items und Fähigkeiten ein. Ihr könnt bereits gespielte Abschnitte sogar unbegrenzt wiederholen, um eurer Ringekonto anschwellen zu lassen.

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Super ist auch, dass die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade das Spielgefühl völlig verändern. Auf „Very Easy“ seid ihr quasi unsterblich und lasst durch wildes Knopfgedrücke die krassesten Kombos vom Stapel. Doch bereits auf „Normal“ sind Timing, Taktik und blitzschnelle Reflexe gefragt. Wer dachte, dass „Ninja Gaiden“ herausfordernd ist, sollte unbedingt mal „Bayonetta“ auf der schwierigsten Stufe ausprobieren…

Erwähnten wir schon die Steuerung? In „Bayonetta“ haut ihr die dicksten Kombos inklusive Finishing-Move raus, ohne euch die Finger zu verknoten. Selbst in den stressigsten Situationen bleibt alles nachvollziehbar, weil das Kampfsystem extrem ausgereift ist und die Steuerung trotz Tiefe immer intuitiv bleibt. Wenn ihr hier den Löffel abgebt, dann ist das eure eigene Schuld. Kein Bug, keine unfaire KI und keine nervigen Dauerhüpfpassagen, die man zigmal wiederholen muss, weil man am Schluss immer daneben springt.

PS3 vs Xbox 360

Überall liest man, dass die PS3-Version mit heftigem Tearing, Slowdowns und ewigen Ladezeiten zu kämpfen hätte. Stimmt soweit. Allerdings gibt‘s auch in der 360-Version Tearing und Ruckler – nur weniger ausgeprägt. Die 360-Variante ist außerdem einen Tick schärfer und bietet nach der Festplatten-Installation weitaus kürzere Ladezeiten. Das ist für Sony-Puristen natürlich bitter, aber „Bayonetta“ bleibt auch auf der PS3 ein saugutes Spiel.

Sega verspricht einen Patch, der die technischen Probleme in den Griff bekommen soll. Auf unsere Anfrage wurde uns dies noch einmal versichert, aber Details gab es nicht. Noch weiß also niemand, was der Patch verbessert und in welchem Maße er das tut. Wir gehen davon aus, dass bereits in Kürze handfeste Informationen dazu folgen.

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System: PlayStation 3
Vertrieb: SEGA
Entwickler: Platinum Games
Release: 8. Januar (in vielen Läden bereits erhältlich)
USK: ab 18

8.5

Wertung und Fazit

PRO
  • nicht verfügbar
CONTRA
  • nicht verfügbar

Bayonetta im Test: Wie schlägt sich das Japano-Spektakel?

„Bayonetta“ polarisiert. Einigen ist das Japano-Spektakel zu schrill, die Hauptdarstellerin zu bemüht sexy, das Gameplay zu schnell und die Geschichte zu wirr. Andere bezeichnen es als bestes Spiel der Welt und werfen mit Höchstwertungen um sich. Wir befinden uns irgendwo in der Mitte, allerdings mussten wir einige Zwischensequenzen wegen des hohen Fremdschämfaktors wegklicken und die musikalische Untermalung wurde umgehend im Audio-Menü deaktiviert. Auch wenn uns der Still nicht hundertprozentig anspricht, sind wir vom Gameplay überzeugt. So bombastisch und temporeich wurde noch kein Hack’n’Slay auf der PS3 inszeniert. Sollte SEGA die technischen Problemchen tatsächlich mit einem Patch beheben, kann man drüber reden, die Wertung um einen halben Punkt auf 9.0 zu erhöhen. „Bayonetta“ polarisiert. Einigen ist das Japano-Spektakel zu schrill, die Hauptdarstellerin zu bemüht sexy, das Gameplay zu schnell und die Geschichte zu wirr. Andere bezeichnen es als bestes Spiel der Welt und werfen mit Höchstwertungen um sich. Wir befinden uns irgendwo in der Mitte, allerdings mussten wir einige Zwischensequenzen wegen des hohen Fremdschämfaktors wegklicken und die musikalische Untermalung wurde umgehend im Audio-Menü deaktiviert. Auch wenn uns der Still nicht hundertprozentig anspricht, sind wir vom Gameplay überzeugt. So bombastisch und temporeich wurde noch kein Hack’n’Slay auf der PS3 inszeniert. Sollte SEGA die technischen Problemchen tatsächlich mit einem Patch beheben, kann man darüber reden, die Wertung um einen halben Punkt auf 9.0 zu erhöhen.