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TEST: Remember Me – Große Kunst & kleines Kino!

play3 Review: TEST: Remember Me – Große Kunst & kleines Kino!

7.0

Die Gamescom 2012 war geprägt von Nachfolgern und mangelnder Kreativität. Einziger Lichtblick seiner Zeit war „Remember Me“. Das Erstlingswerk des Pariser Entwicklerstudios Dontnod Entertainment. Hinter diesem unbekannten Namen stecken allerdings Branchenveteranen wie Oskar Guilbert, der einstmals bei Criterion („Burnout“-Serie) die Finger im Spiel hatte.

„Remember Me“ begeisterte seiner Zeit mit einer visionären Optik und einem ungewöhnlichem Setting. Ein spannender Cyberpunk-Thriller rund um die Macht der Erinnerungen. Nun stellt allerdings die Frage: Ist „Remember Me“ auch ein Spiel, an das man sich gerne zurück erinnert?

Was wir cool finden

Die Geschichte
„Remember Me“ erzählt ein finsteres Science-Fiction-Märchen. Schauplatz ist Neo Paris im Jahr 2084. Ähnlich wie in „Dishonored: Maske des Zorns“ klafft die Lücke zwischen Arm und Reich weit auseinander. Die einen leben in Saus und Braus. Die anderen – auch Leaper genannt – vegetieren in den Abwasserkanälen vor sich hin. Die Menschheit ist süchtig nach ihren eigenen Erinnerungen. Zu diesem Zweck hat jeder Bewohner die Sensation Engine (kurz Sensen) ins Gehirn implantiert bekommen. So werden Erinnerungen lebendig und sogar dauerhaft konserviert. Aber eben leider auch manipulierbar.

Der Großkonzern Memorize kontrolliert nicht nur den Markt, sondern auch Neo Paris. Gegner dieses Systems werden weggesperrt. Oder noch schlimmer: Ihre Erinnerungen werden gelöscht. In eigens dafür vorgesehenen Laboren trefft ihr auch den Memory Hunter Nillin an. Nur mit Hilfe ihres spirituellen Bruders Edge entkommt sie aus den Fängen von Memorize. Allerdings ist ihr Gedächtnis leer. Sie kann sich an ihre eigene Vergangenheit nicht mehr erinnern, weiß aber eins: Memorize muss aufgehalten werden.

Die Geschichte von „Remember Me“ klingt wie eine Erzählung von George Orwell. Eine düstere Dystopie von Technik, Reglementierungen und allerlei sozialistisch angehauchten Floskeln, die immer wieder durch Edge in das Spiel eingebracht werden. Der Plot rund um Nillins verlorene Erinnerung wird hier allzu häufig in inneren Monologen der Hauptfigur am Leben gehalten. Sie rollt die einzelnen Geschehnisse und ihre eigenen Zweifel an der Situation noch einmal auf. Über weite Strecken spannend erzählt, verliert sich „Remember Me“ leider hin und wieder in einigen Klischees und Plattitüden. Allerdings passen die Story und das Szenario selbst ganz hervorragend zusammen, sodass die Längen nur selten auffallen.

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Eine Welt für sich
Staunen. Begeisterung. Freude. Was Dontnod in „Remember Me“ kreieren ist wirklich visionäre Grafikkunst wie wir sie zuletzt bei Titeln wie „Dishonored: Maske des Zorns“, „Bioshock Infinite“ oder auch bei „Half-Life 2“ gesehen haben. Neo Paris ist geprägt durch seine Gegensätze und dabei einfach wunderschön. In den hochtechnisierten Zentren mischt das Spiel gekonnt Moderne mit Science-Fiction. Da stehen riesige Maschinen zwischen klassischen Statuen. Kalte, futuristische Formen wechseln sich mit hohen Bögen und schnörkeligen, französischen Altbauten ab.

In den ersten Spielstunden ertappt man sich nicht selten dabei, wie man einfach nur staunend durch die Straßen schlendert und dem Treiben dort zuschaut. Hier fliegen Drohnen durch die Luft und transportieren Waren. Dort wiederum arbeiten Dienstroboter an Schalttafeln. Immer wieder ploppen Hologrammmeldungen auf, die in Läden die aktuellen Angebote anpreisen oder den Zustand der Elektronik beschreiben.

Das Szenario von „Remember Me“ ist faszinierend und ist wahrscheinlich der Hauptgrund, das Actionspiel überhaupt anzufassen. Es zieht einen sofort in eine fremde, aber traumhafte Welt hinein. Leider hält „Remember Me“ diesen Anspruch nicht in allen Belangen durch und krankt gerade im Gameplay doch an vielen Schwachstellen.

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Kombos Marke Eigenbau
„Remember Me“ ist ein über weite Strecken sehr linearer Prügler vom Schlage eines „DMC: Devil May Cry“, wenn auch langsamer und weniger ausgefeilt. Nillin benutzt im Kampf mit Wachleuten, Leapern und Robotern zumeist lediglich ihre Kampfsportkünste. Anfangs seid ihr nur mit einer handvoll Aktionen ausgerüstet. Allerdings schaltet ihr im Kombo Lab neue Moves durch erfolgreiche Kämpfe und Missionen frei und stellt euch hier die unterschiedlich langen Salven aus den vier Angriffsklassen Heilung, Schaden, Abkühlung und Kettenreaktion selbst zusammen.

Was gerade zu Beginn eher unnötig und oberflächlich daher kommt, entfaltet ab der Hälfte der rund acht bis zehn Stunden Spielzeit aber seinen ganzen Reiz. Ihr passt eure Fähigkeiten unterwegs und noch während der Schlacht an eure Feinde an. Bei Bosskämpfen beispielsweise benötigt ihr häufig Nillins Spezialattacken wie die Betäubungswelle. Damit sich diese schneller wieder auflädt, greift am besten auf die Abkühlungsschläge zurück. Gegen normale Wachleute könnt ihr dagegen getrost auf Schaden und Gesundheit gehen. Das Kombosystem macht die Schlachten taktischer als in vielen anderen Action-Prüglern.

Die Steuerung selbst ist deutlich träger als besagtem „DMC: Devil May Cry“ oder gar bei „Bayonetta“. Erst wenn ein Schlag erfolgreich ins Ziel gebracht wurde, drückt ihr die nächste Taste, um die Kombo fortzusetzen. Wer allzu schnell auf die Buttons einhämmert, kommt hier also nicht weiter und beendet manche Kombination noch ehe sie überhaupt wirklich begonnen hat. Dieses System erfordert einige Umgewöhnung, da es weniger auf Schnelligkeit und mehr auf Koordination wert legt. Besonders in den oft überladenen Bosskämpfen stört diese Art der Kampfführung allerdings.

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Nur in deinem Kopf
Nillin ist Gedankenjägerin und kann sich als solche in die Erinnerungen ihrer Opfer hinein hacken. Sie manipuliert in spielbaren Sequenzen die Geschehnisse. Beispielsweise treibt sie einen Mann in den Selbstmord, indem sie ihm vorgaukelt, dass er seine Frau im Streit erschossen habe. Diese Erinnerungssequenzen waren im Vorfeld von „Remember Me“ heiß diskutiert worden und sind in dieser Form einzigartig. Auch im Spiel gehören sie zu den emotionalen Höhepunkten. Das Experimentieren mit den Erinnerungen der Opfer macht Spaß.

Denn hier werden Grenzen ausgetestet und Konsequenzen herausgefunden. Allerdings frage ich mich: Warum kommen diese Passagen nur vier Mal im Spiel vor? Davon ein Mal im Tutorial und kurz darauf in der Sequenz, die wir alle schon aus der ersten Vorstellung von „Remember Me“ kennen. Für meinen Geschmack hätte Capcom an dieser Stelle lieber auf einige monotone Kloppereien verzichten und stattdessen auf diese Art der Rätselpassagen setzen sollen.

Was wir weniger cool finden

Ärger. Frust. Monotonie.
Das Gameplay von „Remember Me“ steht im krassen Kontrast zu dem wunderschönen und kreativen Szenario. Denn über weite Strecken handelt sich hier lediglich um ein geradlinigen Prügler, der einen nicht selten mit ausufernden Arenakämpfen an den Rand des Wahnsinns treibt. Das Kampfsystem funktioniert zwar insgesamt ordentlich, aber durch die besagte Trägheit ist das schnelle Abfrühstücken größerer Gegnergruppen nur in den seltensten Fällen möglich. Nicht selten steht ihr sechs oder mehr Widersachern gegenüber, die euch teils mit Fäusten, teils aber auch mit schweren Waffen angreifen.

Die Kameraperspektive erweist sich beim Ausweichen und Attackieren nicht gerade als große Hilfe. Häufig blockieren euch Feinde oder auch Umgebungsobjekte die Sicht. Allzu oft schwenkt die Perspektive wild herum und stört somit das Kampfgeschehen merklich.

So richtig nervig sind allerdings die verschiedenen Gegnertypen. Nicht weil sie ungewohnt schwer wären, sondern weil sie in großen Massen auftreten und die Kämpfe dadurch unnötig hektisch, unkoordiniert und zäh werden. So gibt es beispielsweise Leaper, die sich im Schatten unsichtbar machen. Um sie zu besiegen, müsst ihr entweder das Licht per Spammer-Kanone einschalten oder die Burschen mit einer Spezialaktion betäuben. Problem: Dafür braucht ihr zunächst ausreichend Fokus, den ihr wiederum nur bekommt, wenn ihr andere Leaper verdrescht. Diese sich ständig wiederholende Abfolgen und das Abfertigen immer größer werdender Gegnerwellen stört einfach auf Dauer und trübt den Spielspaß deutlich.

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Science Fiction in der Einbahnstraße
Abseits der Gefechte gibt es in „Remember Me“ allerlei Tunnelrennerei, minimalistische Schleichaufgaben und viel Kletterei. Dummerweise ist auch hier der spielerische Anspruch auf Vorschulniveau. Denn letztlich zeigt euch ein orangefarbener Pfeil die ganze Zeit über an, wo ihr hinkraxeln müsst. Abzweigungen gibt es nicht. Vielmehr folgt ihr lediglich vorgetrampelten Pfaden zum nächsten Arenakampf. Es ist wirklich eine Schande, dass Dontnod in „Remember Me“ offenbar viel mehr wollten, als letztlich ein Schlauchprügler dabei herausgekommen ist. Der Anspruch des Spiels ist jedenfalls deutlich geringer als bei vergleichbaren Actionspielen und krankt zudem an zu wenig Freiheiten und Möglichkeiten.

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Schöne, inaktive Spielwelt
Ich habe es schon gesagt: „Remember Me“ sieht klasse aus. Die Spielwelt ist wunderschön. Und warum darf ich dann bitte nichts anfassen oder manipulieren? Über weite Strecken ist Neo Paris absolut tot. Nicht einmal Kisten oder andere Detail kann Nillin umstoßen. Wie schön wären kleinere Plaudereien mit den schrägen Bewohnern oder gar den Robotern gewesen. Wie gerne hätte ich einige Häuser erkundet. Stattdessen speist euch „Remember Me“ allerdings mit einigen versteckten Kleinigkeiten ab, die sehr vorhersehbar untergebracht wurden. Echtes Entdecker-Feeling kommt hier leider nicht auf.

System: PlayStation 3
Vertrieb: Capcom
Entwickler: Dontnod Entertainment
Releasedatum: 07. Juni 2013
USK: ab 16 Jahren
Offizielle Homepage:http://www.capcom-europe.com/

7.0

Wertung und Fazit

PRO
CONTRA

TEST: Remember Me – Große Kunst & kleines Kino!

„Remember Me“ verschenkt sein Potenzial. Auf ganz traurige und schlimme Art und Weise. Dontnod Entertainment kreiert ein faszinierendes, spannendes und wunderschönes Setting. Neo Paris ist wirklich bezaubernd und hätte Schauplatz für ein anspruchsvolles Action-Adventure werden können. Doch stattdessen ist „Remember Me“ über weite Strecken nur ein monotoner Prügler mit schwankender Kamera und gutem Kombo-System. Die kleinen genialen Ansätze, wie beispielsweise das Manipulieren der Gedanken, rückt im Gesamtkontext leider zu sehr in den Hintergrund und wird durch viele Design-Schwächen wie die zähen Klettersequenzen und die Einbahnstraßen-Level überschattet. Trotzdem solltet ihr „Remember Me“ nicht abschreiben. Allein das ungewöhnlich Setting und die tolle Grafik sind Grund genug, das Actionspiel zumindest anzutesten.

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Kommentare

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