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TEST: inFAMOUS - Second Son

play3 Review: TEST: inFAMOUS – Second Son

8.0

Der März 2014 bringt die ersten Exklusiv-Kracher: Und was für Besitzer der Xbox One ihr „Titanfall“, ist für die Playstation 4 „inFAMOUS: Second Son“. Entwickler Sucker Punch (auch bekannt durch „Sly Raccoon“) liefert nach „Infamous“ (2009) und „Infamous 2“ (2011) den dritten Teil seiner Superhelden-Saga ab.

„inFAMOUS: Second Son“ spielt rund sieben Jahre seit Cole MacGrath (im guten Ende der Geschichte) die Bombe gezündet und damit eigentlich alle „Conduits“ beseitigt hat. Doch einige haben diesen Tag überlebt und werden fortan von der D.U.P. (Department of Unified Protection) gejagt und geächtet.

Und so startet „Second Son“ mit einem neuen Helden, aber alten Problemen: Dem Kampf gegen ein übermächtiges, faschistoides System. Also, packt die Superkräfte aus. Denn das dritte „inFAMOUS“ hat es mächtig in sich!

Was wir cool finden

PS4-exklusives Seattle
Detlef Schrempf, Tom Hanks, die Space Needle – „inFAMOUS: Second Son“ entführt euch in die US-Metropole Seattle. Hier hat sich das D.U.P. bereits häuslich eingerichtet und in den Vierteln Kontrollposten und Überwachungsanlagen installiert. Trotzdem wirkt die Stadt nicht sonderlich gezeichnet von diesen Vorkommnissen. Auf den Straßen herrscht mächtig Betrieb und Fußgänger laufen die Bürgersteige entlang. Seattle wirkt in sich lebendig. Nicht zuletzt, weil die Menschen dynamisch auf Delsin reagieren. Je weiter das Spiel voran schreitet, desto berühmter wird der Protagonist, sodass die Passanten sogar stehen bleiben und Fotos von ihm machen wollen.

Dafür habt ihr aber natürlich keine Zeit, denn in „inFAMOUS: Second Son“ geht es in erster Linie um Delsins privaten Rachefeldzug gegen die D.U.P. und deren Anführerin Augustine. Doch nach dem unschönen Beginn des Spiels ist Delsin noch lange nicht stark genug, um sich mit der Beton-Lady messen zu können. Er braucht neue, stärkere Fähigkeiten und ist deshalb auf der Suche nach weiteren Conduits, deren Kräfte er durch Berührung absorbieren kann.

Seattle erweist sich in „inFAMOUS: Second Son“ als riesiger Spielplatz mit jeder Menge, teils sehr kreativen Nebenbeschäftigungen. An erster Stelle steht hier das Finden von Energiescherben. Denn mit diesen verbessert ihr Delsin Eigenschaften über einen riesigen, ja sogar unübersichtlichen Talentbaum. Für alle vier Kräfte (Beton, Video, Neon und Rauch) könnt ihr hier passive Eigenschaften und aktive Fertigkeiten einkaufen. Die Scherben liegen entweder versteckt in der Umgebung herum oder befinden sich an Bord von Gerätschaften der D.U.P. So müsst ihr beispielsweise Handscanner zerschlagen oder Drohnen aus der Luft holen, um die Scherben zu ergattern.

Daneben gibt es noch unzählige weitere Nebenmissionen, mit denen ihr euch die Zeit vertreiben könnt. So könnt ihr beispielsweise den Einfluss der D.U.P. untergraben, indem ihr deren Stellungen, Radartürme, Störsender und Kameras vernichtet. In jedem Viertel gibt es dann einen Endboss, mit dessen Bildschirmtod ihr das Viertel befreit. Zudem geht ihr auf die Suche nach versteckten Audio-Logs oder feindlichen Agenten. Die Masse an Möglichkeiten ist immens … und da wäre ja auch noch das Karma-System und die damit zusammenhängenden Entscheidungen und Aufgaben.

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Partikel! Überall Partikel!
„inFAMOUS: Second Son“ sieht in Aktion einfach atemberaubend schön aus. Besonders wenn es Nacht über Seattle wird oder Regentropfen vom Himmel fallen, sieht man „inFAMOUS“ einfach an, dass es als Next-Generation-Spiel konzipiert und entwickelt wurde.

Allein die Zahlen hinter dem Spiel sind beeindruckend. Wenn Delsin mit dem Rauchsprint als Wolke durch die Luft fliegt und anschließend wieder manifestiert, berechnet das Programm mehr als 11.000 Partikel. Gerade Delsins Spezialfähigkeiten glänzen mit wunderschönen Licht- und Partikeleffekten. Wenn dann noch Offiziere der D.U.P. mit ihren rotierenden Steinen – ähnlich wie in „Knack“ – auftauchen, ist das Grafik-Gewitter perfekt. Dazu kommen wirklich gelungene Gesichtsanimationen, die in den Story-Zwischensequenzen noch einmal für die notwendige Emotionalität und Authentizität sorgen. Delsin kommt als lässiger „Robin Hood“ mit seinen Ecken und Kanten ebenso gut rüber, wie Augustine als überhebliche Hexe und Reggie als tugendhafter Gesetzeshüter.

„inFAMOUS: Second Son“ ist eines dieser Spiele, die man gesehen haben sollte. Deshalb werft am besten einen Blick auf das Gameplay-Video oben und ihr bekommt einen Eindruck von der grafischen Qualität des Titels. An der Sound-Front gibt es ebenfalls Positives zu berichten. Zum einen schaltet ihr im Spiel zwischen der soliden deutschen Sprachausgabe und der erneut deutlich bessere englische Vertonung um. Zum anderen passen auch die Umgebungssounds klasse zur Grafikpracht.

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Guter Delsin, böser Delsin
Wie ja bereits beschrieben verfügt Delsin über vier grundlegende Fähigkeiten (Beton, Neon, Rauch und Video). Diese „Waffensysteme“ wechselt ihr nicht dynamisch, sondern müsst dazu mit der Umgebung interagieren. So absorbiert Delsin etwa Video-Energie aus Satellitenschüssel oder Rauch aus Autowracks. Bedeutet: In Bosskämpfen seid ihr häufig an die vorgegebenen Ressourcen gebunden und nicht so frei wie in anderen Spielen. Immerhin haben alle Fähigkeiten eine ganze Palette unterschiedlicher Aktionen zur Auswahl. Im Nahkampf schwingt Rauch-Delsin etwa seine Kette, verschießt Rauch- oder sogar Nebelbomben. Die Anzahl der Spezialschüsse und die Größe des Kraftvorrats verändert ihr mit Hilfe des Upgrade-Systems.

Zudem beeinflusst aber auch das Karma – als ob ihr gut oder böse agiert – die Wahl eurer Waffen. Einige Fähigkeiten schaltet ihr erst frei, wenn ihr bestimmte Stufen auf der Karma-Leiste erklommen habt. Allerdings ist es in „inFAMOUS: Second Son“ nicht möglich, Hybrid-Charaktere zu erstellen. Habt ihr ein Mal den guten Pfad überzeugt eingeschlagen, macht es wenig Sinn, plötzlich wieder zum Bösen zu konvertieren. Deshalb lohnt sich auch ein zweiter Durchmarsch. Denn letztlich verändert das Karma-System nicht nur eure Spielweise, sondern auch die Videosequenzen und die Missionen.

So stellt euch das Spiel gleich zu Beginn die Entscheidung, ob Delsin sein Dorf im Stich oder sich selbst in Gefahr bringen soll. Entsprechend deftig sind die jeweiligen Reaktionen. In der Geschichte werden diese Entscheidungen immer wieder gut aufgegriffen und noch einmal durch Nebenmissionen unterfüttert. Als böser Bube dürft ihr beispielsweise Soldaten einfach in den Kopf schießen oder auch Demonstrationen gewaltsam auflösen. Als guter Delsin dagegen vereitelt ihr Drogendeals oder heilt Passanten. Haltet ihr euch dauerhaft an eine der vorgegebenen Maximen und füllt so eine Bomben-Anzeige im linken oberen Bildschirmeck, schaltet ihr sogar Spezial-Manöver frei, die gleich den gesamten Screen in Schutt und Asche legen.

Auch wenn das Karma-System insgesamt sehr durchschaubar und simpel ist, so es es gerade diese Leichtigkeit, die es attraktiv macht. Ich kann gezielt einen guten oder bösen Charakter aufbauen. Ich muss nicht groß experimentieren, habe aber dennoch eine gewisse Freiheit auch einmal etwas Entgegengesetztes zu tun, ohne gleich meinen bisherigen Fortschritt zu killen.

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Die Nutzung des PS4-Controllers
Natürlich ist es nur ein kleines Bonbon, aber „inFAMOUS: Second Son“ nutzt die Funktionen des PS4-Controllers wirklich klasse aus. Zwischen den Missionen klingelt etwa Delsins Smartphone immer wieder. Der Klingelton poltert dann blechern aus dem Lautsprecher des Controllers – ein toller Effekt. Im späteren Verlauf findet ihr Audio-Logs eines Informanten. Auch sie werden mit Hilfe des Gamepads wiedergegeben.

Zudem kommen die Bewegungssensoren in einem Graffiti-Mini-Spiel zum Einsatz. Wie das funktioniert, findet ihr am besten selbst raus. Denn Sony und Sucker Punch haben diese Funktion unter ein Presseembargo gestellt. Trotzdem: Die Controller-Funktionen sind klasse untergebracht, da sie weder aufgesetzt wirken noch zu häufig zum Einsatz kommen.

Was wir weniger cool finden

Zu viel 08/15-Missionsdesign
Die Auftragsstruktur war bereits in den ersten Teilen der „inFAMOUS“-Saga ein großer Schwachpunkt. Und auch „Second Son“ kann diese Scharte nicht vollends auswetzen. Speziell die Haupteinsätzen kranken daran, dass ihr ständig die gleichen Abläufe immer wieder tätigen müsst. Beispielsweise soll Delsin Container, die an Helikoptern durch die Lüfte sausen, befreien. Klingt cool und ist es zumindest bei den ersten zwei Sprüngen auf die Container auch. Dass ich gleich fünf dieser fliegenden Gefängnisse abhängen muss, empfinde ich als Zeitschinderei. An anderer Stelle soll Delsin auf drei Ebenen Aufzüge kontrollieren oder eine ganze Armada an Dixie-Klos nach versteckten Conduits durchsuchen. Die Grundideen sind toll, aber der Ausführung mangelt es einfach an Genialität.

Gleiches gilt für die Struktur der Actionmissionen. Hier geht es allzu häufig nur darum, einen bestimmten Zielort zu erreichen, dort alle Feinde zu erledigen und dann den nächsten Story-Schnipsel abzuwarten. In seinem Kern ist das vollkommen okay, allerdings verpasst es „inFAMOUS: Second Son“ zwischen den Füllereinsätzen auch einmal echte Knaller dazwischen zu werfen, die einem längere Zeit im Gedächtnis bleiben.

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Chaos auf dem Schlachtfeld
„inFAMOUS“ sieht klasse aus und spielt sich dank der Superkräfte wirklich ausgesprochen launig. Trotzdem mangelt es den Schlachten immer wieder an einer gewissen Ordnung. Die Gefechte sind in sich absolut chaotisch. Das liegt zum Großteil an der puren Masse an Effekten und Feinden. Nicht selten nimmt es Delsin mit fünf oder mehr Gegnern auf, die ihn teils mit Maschinengewehren, teils aber auch mit Superkräften angreifen. Im Nahkampf zoomt die Kamera allzu gerne näher an das Geschehen heran. Das sieht zwar wirklich toll aus, sorgt aber auch für Unruhe. Spielt ihr also „inFAMOUS“ bevorzugt im Infight, werdet ihr aufgrund der nervösen Kamera und der vielen Effekte immer wieder die Übersicht verlieren.

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Kleine Fehler
In der Testversion (Version 1.01 nach dem Day-One-Patch) gab es dennoch einige ärgerliche Fehler. Dabei fiel besonders die Gegner-KI negativ auf. Bei Luftattacken rannten die Soldaten stellenweise kopflos durch die Gegend und wussten nicht wohin. Gelegentlich blieben sie an Objekten hängen oder versuchten erst gar nicht vor Delsins Angriffen in Deckung zu gehen.

Außerdem gab es einige Merkwürdigkeiten bei der Interaktion mit Objekten in der Spielwelt selbst. Klettert ihr ohne Superkräfte an Gebäuden hoch, fühlt sich das bei weitem nicht so flüssig an wie etwa in „Assassin’s Creed IV: Black Flag“. Vielmehr erfordert es deutlich mehr Klicks und geht durch die etwas holprigen Animationen längst nicht locker von den Fingern. In den wenigen Innenraummissionen weiß zudem die Kamera nicht, wie sie sich positionieren soll. Vor dem ersten Treffen mit Eugene kreiste die Ansicht etwa beim Betreten einer bestimmten Ecke wild um Delsin herum.

„inFAMOUS: Second Son“ ist aktuell zwar noch nicht hundertprozentig fehlerfrei, aber dennoch gut spielbar. Während die Kameraprobleme und die Kollisionsabfrage sicherlich zu den kleineren Übeln gehören, ist gerade die Computer-KI noch eine Baustelle, die Sucker Punch in den kommenden Wochen bearbeiten sollte!

Über den Autor: Olaf ist bereits seit dem Jahr 2000 als freier Redakteur im Bereich der Video- und Computerspiele tätig. So schrieb er u.a. von 2005 bis 2007 für die Printmagazine „play THE PLAYSTATION“ und die Schwestermagazin „Playstation – Das offizielle Magazin“ und „Games Aktuell“. Heute arbeitet er u.a. für „COMPUTER BILD Spiele“ und „www.spieletipps.de“ oder schreibt Specials und Tests für „playBlu“ von Computec.

System: PlayStation 4
Vertrieb: Sony
Entwickler: Sucker Punch
Releasedatum: 21. März 2014
USK: ab 18
Offizielle Homepage:http://www.suckerpunch.com/

8.0

Wertung und Fazit

TEST: inFAMOUS – Second Son

Ich bin mir sicher, dass einige eine leicht höhere Wertung für „inFAMOUS: Second Son“ erwartet haben. Doch dem Spiel fehlt einfach das notwendige Fünkchen Genialität und Verrücktheit, das beispielsweise ein „GTA V“ oder (mit Abstrichen) ein „Saint's Row IV“ ausmachten. Diese Mangel an Ideen macht sich für mich besonders im Missionsdesign der Geschichte bemerkbar. Zu oft muss ich immer wieder die gleichen Aktionen wiederholen. Zu oft prügle ich mich durch noch einen Truppen von Soldaten. Natürlich ist das Hantieren mit Superkräften und das Aufrüsten ungemein launig, aber am Ende vom Tag ist das Kampfsystem sehr unruhig und die Gefechte dadurch ausgesprochen hektisch. Ich vermisse einen angenehmen Spielfluss, der mich durch die Geschichte trägt. Das ändert aber nichts daran, dass „inFAMOUS: Second Son“ auch seine uneingeschränkten Qualitäten besitzt. Technisch ist das Actionspiel ein absolutes Brett und Delsins Fähigkeiten in Kombination mit Nebenmissionen und Upgrade-Funktionen machten für mich einen Großteil der Motivation aus. In „inFAMOUS: Second Son“ gibt es jede Menge unterhaltsamer Aufgaben, die den Jäger und Sammler in mir wecken. „inFAMOUS: Second Son“ definiert das Open-World-Genre nicht neu, ist aber für PS4-Besitzer dennoch ein echter Pflichtkauf – trotz Schwächen.

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Kommentare

MAN_IN_STEEL

MAN_IN_STEEL

28. März 2014 um 09:57 Uhr
ManmanSion

ManmanSion

02. April 2014 um 15:47 Uhr