Review

Wolfenstein: Youngblood im Test

Zwei verrückte Schwestern gegen das System: „Wolfenstein: Youngblood“ setzt auf Koop-Gameplay und offenere Pariser Stadtteile, vernachlässigt aber Geschichte und Charakterdesign. Wieso die Standalone-Erweiterung dennoch Spaß macht, erklärt euch der umfangreiche Test.

play3 Review: Wolfenstein: Youngblood im Test: Launiger Koop-Shooter, aber auch ein echtes „Wolfenstein“?

7.5

„Wolfenstein: Youngblood“ erscheint hierzulande in gleich zwei Varianten: Als deutsche und als internationale Version. Spielerisch sind beide absolut inhaltsgleich und aufgrund der ungeschnittenen Gewaltdarstellung ab 18 Jahren freigegeben. Allerdings gibt es trotzdem gewaltige Unterschiede: Die deutsche Version verzichtet auf die Darstellung verfassungswidriger Symbolik und ersetzt Nazis durch Regime-Soldaten.

Darüber hinaus bietet sie deutsche Sprachausgabe. Die internationale Variante dagegen kommt ausschließlich in Englisch daher. Fremdsprachenkenntnisse sind also von Vorteil. Dafür gibt es im Gegensatz zum deutschen Pendant aber Hakenkreuze und Hitlerbärtchen. Spielerisch existieren keine Unterschiede: „Wolfenstein: Youngblood“ entpuppt sich im Test als launiger Koop-Shooter, der aber nicht die emotionale Wucht seiner Vorgänger besitzt, dafür aber für gesellige Abende bestens geeignet scheint.

Was wir gut finden

Zwei verrückte Schwestern

„Wolfenstein: Youngblood“ spielt 19 Jahre nach den Geschehnissen des großen, zweiten Teils und der Amerikanischen Revolution gegen das Regime. Allerdings geht „Terror-Billy“ auf einer Europa-Mission verloren. Seine Zwillingstöchter Zofia (kurz Soph) und Jessie (kurz Jess) machen sich auf die Suche nach ihrem Herrn Papa und reisen dazu in das weiterhin vom Regime besetzte Paris.

Spaßiger, aber leider auch platter Koop-Shooter.

„Wolfenstein: Youngblood“ entstand aus der Zusammenarbeit von MachineGames und Arkane Studios heraus. Das merkt man dem Spiel überdeutlich an. Die Levels gestalten sich offener und die Metro dient als Schnellreisefunktion zwischen den einzelnen Bezirken. Das Programm stellt die beiden Schwestern in den Mittelpunkt. Alles dreht sich um die Zwillinge und ihre Interaktion sorgt immer wieder für Lacher. Egal, ob die beiden in Aufzügen Faxen vor der Überwachungskamera machen oder im Kampf miteinander plaudern – Der Witz der Vorgänger wird durch die Leichtigkeit der beiden Protagonistinnen aufgegriffen.

Starke Koop-Mechanik

Und so seid ihr in „Wolfenstein: Youngblood“ nie alleine unterwegs. Zockt ihr es im Solo-Modus, begleitet euch eine Computer-Schwester. Diese könnt ihr zwar nicht befehligen, dafür agiert sie aber vergleichsweise clever, leistet euch Schützenhilfe und ist zumeist schnell da, wenn ihr mal umgeschossen werdet. Somit eignet sich „Youngblood“ auch für Solisten!

Seine ganzen Spaß entfaltet das Spiel aber erst im Zwei-Spieler-Koop-Modus. Dieser ist ausschließlich online verfügbar. Einen Splitscreen-Modus gibt es nicht. In seinem Spielfluss erinnert „Wolfenstein: Youngblood“ stärker an offene Online-Titel wie „The Division 2“. Gemeinsam pflügt ihr förmlich durch die Missionen, ballert Regime-Schergen über den Haufen und absolviert eine Aufgabe nach der anderen. Der Spielfluss profitiert von dem offeneren Design und MachineGames löst die Interaktion der Koop-Partner durch einige clevere Mechanismen.

So teilen sich die Spieler beispielsweise eine auf drei begrenzte Anzahl an Respawns. Sind diese aufgebraucht, startet ihr zu Beginn des Abschnitts neu. Außerdem dürft ihr eure virtuelle Schwester nicht zurück lassen, auch dann scheitert die Mission. Für Teamwork sorgen bestimmte Aufgaben wie das gemeinsame Öffnen von Kisten oder Türen, sowie das handliche Gestensystem zum Buffen von euch selbst und eures Partners.

Mittels Tastendruck verstärkt ihr kurzerhand die Rüstung oder macht euch vorübergehend unverwundbar. Die Gesten schaltet ihr durch eingesammelte Münzen frei. Sie fügen sich nahtlos in das Spiel ein und ermöglichen Teamplay ganz ohne direkte Kommunikation.

Gerade ausreichend Rollenspielelemente

Wie schon seine Vorgänger ist auch „Wolfenstein: Youngblood“ ein rassiger Ego-Shooter: Schnell, handlich und gutaussehend. Allerdings greift es auch viele Elemente moderner Open-World-Spiele auf: Dynamische Zusatzmissionen wie etwa das Legen von Bomben oder Ausschalten von Zielpersonen. Hinzu kommt ein gut umgesetztes Erfahrungs- und Upgradesystem.

Für erledigte Aufgaben und abgeschossene Regime-Soldaten erhaltet ihr XP, die ihr wiederum in neue Talente investiert. So erhöht ihr etwa Gesundheits- oder Rüstungswerte, aktiviert den Akimbomodus oder schaltet spezielle Attentatsmöglichkeiten für den Nahkampf frei. Durch das hohe Tempo erzielt man schnellen Fortschritt und so motivieren die häufigen Upgrades enorm. Hinzu kommen Waffenverbesserungen, die ihr wiederum mit gesammelten Silbermünzen aktiviert. So schraubt ihr euren Kanonen im Handumdrehen Visiere, Griffe und Mündungen an. Das verändert deren Eigenschaften und bringt Abwechslung ins Spiel.

Was wir schlecht finden

Die Geschichte bleibt auf der Strecke

„Wolfenstein: Youngblood“ setzt noch stärker als seine Vorgänger auf rasante Ballereien und scheucht euch von einem Gefecht ins nächste. Das Zerbrutzeln von Maschinensoldaten und die ständig neuen Haupt- und Nebenmissionen bereiten zweifellos Freude, jedoch vermissten wir im Test die emotionale Tiefe der bisherigen Reihe. So witzig abgedreht Jess und Soph sind, so bleiben fast alle übrigen Charaktere auf der Strecke.

War „Wolfenstein II: The New Colossus“ noch eine stimmungsvolle Science-Fiction-Persiflage, ist „Youngblood“ eher eine gut spielbare Ballerbude. Wer „Wolfenstein“ hauptsächlich wegen des Storytellings mochte, der wird von dem Standalone-Add-On enttäuscht sein.

Dynamische Missionen aus dem Baukasten

Diese Schwäche setzt sich auch in den Einsätzen fort. Zugegeben, ein Kreativitätsbolzen in Sachen Missionsdesign ist „Wolfenstein: Youngblood“ nicht: Zumeist ballert ihr euch von A nach B und müsst am Ziel wahlweise etwas finden, erschießen oder aktivieren. Gerade den Nebenmissionen mangelt es an Tiefe. Wir fühlten uns nach kürzester Zeit wie ein Laufbursche, der ständig von anderen durch die Gegend gescheucht wurde.

Natürlich machen die ständigen Setting-Wechsel – mal in der Stadt, mal in der Kanalisation – Spaß, aber es fehlen wirklich außergewöhnliche Einsätze und erinnerungswürdige Geschichten. Egal, ob dynamische Einsätze oder Nebenaufträge – MachineGames und Arkane Studios greifen viel zu oft auf Standard-Action-Kost zurück.

Rücksetzpunkte des Grauens

Der aktuelle „Wolfenstein“-Ableger entpuppt sich als forderndes, aber nicht als unfaires Spiel. Die eigene Erfahrungsstufe dient als Indikator, ob bestimmte Bereiche machbar sind oder nicht. Wenn ihr allerdings drauf geht, dass ist der Bildschirmtod wirklich schmerzhaft. Zwar behaltet ihr Erfahrungspunkte und gesammelte Ausrüstung, ihr verliert aber den weiteren Fortschritt und landet am Anfang des Gebiets. Das bedeutet: Ihr müsst den gesamten Weg – inklusive auferstandener Gegner – erneut erledigen. Das stört den Fluss merklich und hätte man sicherlich eleganter lösen können.

7.5

Wertung und Fazit

PRO
  • stark umgesetztes Koop-Gameplay
  • motivierende Charakter- und Upgrade-Funktionen
  • gefälliges und hübsch anzuschauendes Action-Spektakel
CONTRA
  • sehr generischen Nebenaufträge
  • Geschichte und Charaktergestaltung kaum vorhanden
  • doofes Rücksetzsystem

Wolfenstein: Youngblood im Test: Launiger Koop-Shooter, aber auch ein echtes „Wolfenstein“?

Wie schon bei früheren Erweiterungen setzt MachineGames auch in „Wolfenstein: Youngblood“ den Fokus merklich anders: Offenere Spielbereiche, Koop-Gameplay und Rollenspielelemente sorgen für ein gänzlich anderes Spielgefühl.

Das Gameplay bleibt dabei gewohnt flott und als Shooter überzeugt „Youngblood“ erneut. Der Koop-Modus funktioniert ausgezeichnet, Solo-Spieler büßen aber dank solider Bot-KI wenig an Spielspaß ein. Doch während „Wolfenstein: Youngblood“ als pures Actionspiel durchaus gefällig daher kommt, so verliert es doch viel von dem Charme der großen Teile.

Geschichte und Charaktergestaltung sind kaum vorhanden und das wird „Wolfenstein“-Kenner sicher enttäuschen. „Youngblood“ ist somit ein launiges Actionspiel für das Sommerloch, aber reicht nicht an die Hauptspiele heran.

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Kommentare

dieselstorm

dieselstorm

30. Juli 2019 um 11:05 Uhr
Nacktenschrank

Nacktenschrank

30. Juli 2019 um 13:25 Uhr