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Blair Witch im Test: Der gruseligste Waldspaziergang aller Zeiten!

So richtig schön gruselig oder einfach nur Lizenzschrott: „Blair Witch“ greift die bekannte Filmlizenz gekonnt auf, eckt aber mit Design-Mängeln und kurzer Spielzeit an. Für wen lohnt sich der Horror-Spaziergang im Wald und wer sollte das Abenteuer besser links liegen lassen?

play3 Review: Blair Witch im Test: Der gruseligste Waldspaziergang aller Zeiten!

6.5

Spiele zu erfolgreichen Filmen besitzen seit jeher einen negativen Beigeschmack. Viel zu oft lieferten Entwickler hier unschönen Lizenzschrott ab, der bis auf den großen Namen herzlich wenig zu bieten hatte. Bei „Blair Witch“ ist dies anders: Bloober Team präsentiert ein ambitioniertes Horror-Abenteuer und hält sich bei der Versoftung stark an den Found-Footage-Klassiker aus dem Jahr 1999. So viel sei gesagt: Wer sich auf „Blair Witch“ einlässt, verbringt einige spannende Stunden bei ausgezeichneter Atmosphäre. Sucht ihr aber den schnellen Horror-Kick mit Jumpscare-Garantie, dann seid ihr vermutlich bei Titeln wie „Outlast“ besser aufgehoben.

Was wir gut finden

Ein Mann und sein Hund

In „Blair Witch“ steuert ihr den Ex-Polizisten Ellis. Ihn verschlägt es in eben jenen Wald außerhalb von Burkittsville, wo die mystische Hexe von Blair ihr Unwesen treiben soll. Er will dort nach dem verschwundenen Jungen Peter suchen. Zugegeben, für einen ehemaligen Ordnungshüter geht Ellis arg blauäugig an die Sache dran. Er hat weder Waffen noch die passende Ausrüstung für ein solches Unterfangen dabei. Ihm zur Seite steht lediglich sein treuer Schäferhund Bullet. Zu Beginn des Spiels dürft ihr die Fell-, Augen- und Halsbandfarbe eures Begleiters anpassen. Unser Tipp: Wählt helle Farben, dann seht ihr Bullet später besser.

Zwischen Fanservice und Langeweile

Die Interaktion der beiden ist eine der tragenden Säulen des Spiels. Mit Hilfe eines Befehlsrads lasst ihr Bullet etwa auf eurer Expedition nach Gegenständen suchen oder beordert ihn zurück, falls er sich einmal zu weit entfernt. Außerdem entscheidet euer Verhältnis zu dem Vierbeiner auch mit über das Ende eures Abenteuers.

Behandelt ihr ihn schlecht gibt es also womöglich ein anderes Finale als wenn ihr Bullet regelmäßig streichelt und mit Hundekuchen versorgt. Bullet ist eine wichtige moralische Stütze für den psychisch kranken Ellis. Denn sobald sich der Hund zu weit entfernt, plagen den Protagonisten Angstzustände und im schlimmsten Fall segnet Ellis sogar das Zeitliche.

Auch wenn das Zusammenspiel mit Bullet in „Blair Witch“ nicht immer fehlerfrei funktioniert und sich die Interaktionsmöglichkeiten wiederholen, so tröstet sie doch über die ansonsten recht spärlich gesäten Optionen hinweg.

Dicht am Film

In Sachen Stimmung hält sich „Blair Witch“ stark an die Vorlage. Mag der Wald anfangs noch einladend und freundlich wirken, verwandelt er sich des Nachts in einen wahren Albtraum. Bloober Team, die Macher hinter „Layers of Fear“, fangen die unheimliche Atmosphäre des Waldes ausgezeichnet ein. Grafisch rangiert das Gruselabenteuer auf gutem Niveau und die sehr lineare Erzählweise erlaubt die Darstellung teils herrlich schräg-gruseliger Momente. Je tiefer ihr nämlich in den Wald hinein geratet, desto stärker verändert sich auch die Umgebung und Ellis‘ Psyche.

Immer wieder ereilen ihn Flashbacks seiner Vergangenheit und irgendwann ist nicht mehr ganz klar, welche Schrecken Ellis‘ Verstand entspringen und welche gar „realer“ Natur sind. Der Wald verwandelt sich und so finden wir uns plötzlich in einem Kriegsszenario wieder, das auf Ellis Zeit bei der Armee hindeutet. Kenner der Filme entdecken zudem sehr viele Referenzen auf den Film wie beispielsweise die bekannte Hütte im Wald mitsamt der Handabdrücke an den Wänden.

Der Schrecken aus meinen Boxen

Ein besonderes Lob verdient sich „Blair Witch“ aber für das Sounddesign. Im Idealfall spielt ihr das Horror-Abenteuer mit Kopfhörer und in einem abgedunkelten Raum. Dann wirkt „Blair Witch“ so richtig. Die Geräusche des Waldes werden dann zu einem leisen Flüstern im Hintergrund und die hektischen Schockmomente gewinnen an Dramatik hinzu. Das Abenteuer lebt extrem stark von seiner Atmosphäre und davon, ob ihr euch von dem Szenario und der Geschichte gefangen nehmen lasst.

Was wir schlecht finden

Erzählerisch hintendran

Spielerisch ist „Blair Witch“ nämlich nichts Besonderes und erinnert stark an Walking-Simulator wie „The Remains of Edith Finch“, ohne jedoch deren Genialität erreichen zu können. Gerade die Nebenschauplätze – wie etwa Ellis Beziehung zu seiner Ex-Frau – packen einen nicht wirklich. Die Geschichte bleibt abseits des „Blair Witch“-Settings vergleichsweise dünn – trotz starker englischer Sprachausgabe.

Kurz und geradlinig

Das Spiel gönnt euch leider bei euren Erkundungstouren wenige Freiheiten. Und solltet ihr doch einmal auf die Idee kommen, euch etwas freier umzuschauen, stoßt ihr sehr schnell an die Grenzen der Gebiete. Soll heißen: „Blair Witch“ ist extrem geradlinig. Das kommt der Atmosphäre zugute, aber zugleich stört das minutiöse Absuchen der Gebiete auch den Gesamteindruck.

Auch die Rätseltiefe überzeugt nicht. Beispielsweise finden wir im Verlauf einen alten Camcorder mitsamt Tapes. Wenn wir diese an Schlüsselpunkt anschauen oder zurückspulen, können wir die Zeit zurückspulen. An einer Stelle etwa heben wir so einen umgestürzten Baum aus dem Weg. Sonderlich anspruchsvoll sind diese Aufgaben zweifellos nicht, auch wenn sie ordentlich zum Szenario passen.

Dröge „Kämpfe“

Unser Lowlight blieben aber die hektischen und nur schwer kontrollierbaren Kämpfe mit den nebulösen Schattenwesen. Diese verscheuchen wir mit Hilfe von Ellis‘ Taschenlampe, mit der wir uns sonst durch das Unterholz wühlen.

Jedoch müssen wir auch im Kampf in Bullets Nähe bleiben, ansonsten nimmt Ellis weiter Schaden. Diese Auseinandersetzungen fühlen sich extrem aufgesetzt an und sind in Verbindung mit der etwas hakeligen Steuerung wenig intensiv. Sie wirken wir ein unnötiger Bruch innerhalb der Atmosphäre. Uns wären an dieser Stelle mehr Stealth-Passagen deutlich lieber gewesen.

6.5

Wertung und Fazit

PRO
  • stimmungsvolle Umsetzung der Filmvorlage
  • solides Zusammenspiel mit Hund Bullet
  • starkes Sounddesign
CONTRA
  • unsichtbare Wände und hakelige Navigation im Wald
  • Kämpfe hektisch und unpassend
  • sehr kurz und arg geradlinig

Blair Witch im Test: Der gruseligste Waldspaziergang aller Zeiten!

An den Qualitäten eines „Blair Witch“ scheiden sich zweifellos die Geister. Wer ein Action-Adventure mit Entscheidungsfreiheiten und Optionsvielfalt erwartet, der ist hier ganz sicher falsch. Das Horror-Abenteuer erweist sich nämlich als geradliniger Grusel-Spaß, der thematisch stark an einen Walking-Simulator erinnert.

Die Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielwelt ist somit ebenso streng vorgegeben wie der Lösungsweg. Die Geschichte, der Hauptcharakter Ellis mitsamt Begleiter Bullet und natürlich die „Blair Witch“-Atmosphäre stehen hier im Mittelpunkt. Wenn ihr euch darauf einlasst, dann könnt ihr mit dem Horrorspiel einige kurzweilige Stunden verleben. Die unzähligen Referenzen auf die Vorlage und auch die Thematisierung von Ellis' psychischer Erkrankung bilden dabei den roten Faden.

Grafik und Sound passen ausgezeichnet zum Setting und kreieren eine durchaus bedrohliche Stimmung. Kurzum: Wie das Found-Footage-Schauermär aus dem Jahr 1999 ist auch die Versoftung ein Liebhaberspiel für Freunde geradliniger Gruselerlebnisse.

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