Review

Marvel's Avengers im Test: Superhelden-Action zwischen Frust und Lust

Superhelden, Programmfehler und große Emotionen: Selten ließ uns ein Spiel mit derart gemischten Gefühlen zurück wie „Marvel's Avengers“. Wieso der Loot-Brawler begeistert und enttäuscht, erfahrt ihr im Test!

play3 Review: Marvel’s Avengers im Test: Superhelden-Action zwischen Frust und Lust

7.5

Seit dem 04. September 2020 ist „Marvel’s Avengers“ auf dem Markt. Und die Kritik reichen von „überraschend unterhaltsam“ bis „enttäuschend“. Dabei hat der Loot-Brawler aus der Feder von Crystal Dynamics einen langen und teils holprigen Weg hinter sich. Nach der ersten Ankündigung war die Begeisterung noch groß, doch spätestens der Trailer zur Electronic Entertainment Expo 2019 sorgte für allgemeines Stirnrunzeln.

Zu stark sind die Erinnerungen an die weltberühmten „Avengers“-Verfilmungen mit Robert Downey Jr., Chris Evans und Co. in den Hauptrollen. Zu wenig passt die neuen, virtuellen Helden dazu. Auch die Beta-Phasen zeigten zuletzt einige Schwächen auf. Gelingt es Crystal Dynamics noch, das Ruder in letzter Sekunde rumzureißen?

Was wir gut finden

Lizenz zum Verlieben

„Marvel’s Avengers“ erzählt zwar seine eigene Geschichte. Der Wiedererkennungswert ist aber trotzdem enorm. In seiner Inszenierung spielt der Loot-Brawler immer wieder geschickt auf die bereits angesprochenen Blockbuster an und greift zudem bestimmte Motive aus den Comics auf. Kurzum: Fans finden sich – trotz der fremden Gesichter und der unpassenden Stimmen – sofort wieder.

Denn auch wenn das Spiel zweifellos seine Schwächen in Puncto Leveldesign besitzt, so verströmen gerade die großen Story-Missionen das Flair der Vorlage. Ob wir uns also als Hulk mit Abomination prügeln oder an Deck des Helicarriers Chimera Roboterarmee platt machen – Die Atmosphäre stimmt und die Präsentation über weite Strecken ebenfalls.

Prügeln mit Kamala

Tatsächlich ist daher auch die Kampagne der Hauptgrund, weshalb ihr „Avengers“ überhaupt in Betracht ziehen solltet. Trotz HARM-Trainingseinsätzen, Abwurfzonen und ikonischen Missionen überzeugt vor allem die Geschichte mit viel Emotion und reichlich Wiedererkennungswert.

Die Hauptrolle übernimmt hier Kamala Khan. Sie ist ein „Avengers“-Fan und lernt die Superhelden anlässlich des A-Days kennen. Doch die Feierlichkeiten enden in der Katastrophe: Der Taskmaster und eine Armee greifen an. Der Helicarrier Chimera stürzt ab und in Folge tritt ein futuristischer Kraftstoff aus, der Menschen zu „Inhumans“ mutieren lässt. In der Folge lösen sich die „Avengers“ auf und die Geheimorganisation AIM übernimmt das Kommando.

Kamala avanciert in der Geschichte vom nervigen Fan zum echten Sympathieträger, die das zerrissene Team zusammenhält. Der Carrier fungiert dabei als mobile Basis, die ihr Stück für Stück um Funktionen wie Händler oder Outfit-Automaten erweitert und erkundet. Die Kampagne erstreckt sich über 10 bis 12 Stunden. So schaltet ihr auch die „Avengers“ einen nach dem anderen frei. Diese bringen allesamt eigene Spezial-Aktionen sowie ein Erfahrungssystem mit und fühlen sich auch dezent anders an.

Gerade Iron-Man besitzt eine Vielzahl an Distanzattacken und kann obendrein fliegen. Captain America ist dagegen ein echter Athlet und schleudert seinen Schild. Seid ihr mit anderen „Avengers“ unterwegs, könnt ihr zudem gemeinsam Gegner abfertigen und arbeitet so passiv zusammen. Gerade in späteren Schlachten werden dann auch Konter etwas wichtiger, insgesamt aber richtet sich „Avengers“ doch eher an den Mainstream und erfordert längst nicht so viel Koordination wie andere Mitbewerber.

Reichlich Inhalt … auch für Comic-Fans

Der Multiplayer-Modus – die so genannte „Avengers Initiative“ – schaltet sich nach dem Erledigen der Kampagne automatisch frei, ansonsten aber könnt ihr diesen auch jederzeit aus dem Startmenü heraus ansteuern. Mit der Initiative erhaltet ihr Zugriff auf eine große Fülle zusätzlicher Missionen – von Gruppierungseinsätzen bis hin zu ikonischen Einsätzen für eure Helden. Letztere gefallen uns übrigens mit am besten, schließlich liefern sie etwas mehr Story-Hintergrund und sind effektvoller inszeniert. Dazu gibt es reichlich Sammelobjekte, die ihr in den Arealen findet.

Immerhin: Das Spiel gibt euch Anreize zum Weiterspielen und gerade im Koop mit Freunden ist die gemeinsame Roboterhatz durchaus spaßig. Mit steigendem Level werden nämlich auch die Missionen etwas kniffliger, sodass Absprachen und etwas mehr Teamwork erforderlich sind. Als Belohnung hagelt es zusätzliche Ausrüstungsgegenstände und freischaltbare Kostüme. Mit regelmäßig neuen Herausforderungen möchte euch das Service-Spiel zudem zurück ans Gamepad locken.

Was wir schlecht finden

Immer das Gleiche!

Das größte Problem für „Avengers“: Nach dem Freischalten der Helden entwickelt sich das Gameplay nicht mehr weiter. Es steht still. Trotz freischaltbarer Funktionen gibt es im „Endgame“ spielerisch nichts mehr zu entdecken. Alle Missionen sind ähnlich und wiederholen sich entsprechend ständig.

Das Spiel lebt von seiner Lizenz und den launigen Kloppereien. Aber es bietet zu wenig Anreiz, nach Beendigung der Kampagne zurück an den Planungstisch zu gehen. Den Missionen mangelt es an Tiefe und auch an abwechslungsreichen Settings und Gegnern. Zu oft müssen wir einfach nur Zielgebiete halten und Wellenangriffe abwehren. Das haben wir in anderen Loot-Games schon bedeutend besser gesehen.

Unsichtbares Loot …

Dieser Mangel an Langzeitmotivation geht mit dem merkwürdigen Loot-System Hand in Hand. Im Verlauf der 20+ Stunden Spielzeit sammelt ihr in den Missionen tonnenweise Ausrüstungsgegenstände oder erhaltet sie als Belohnung für erledigte Missionen.

Allerdings besitzt das Loot einen entscheidenden Haken: Ihr seht nicht, wenn ihr Helme, Handschuhe und andere Gerätschaften anlegt. Crystal Dynamics trennt Ausrüstung und Outfits streng voneinander. Erhaltet ihr also ein neues Spielzeug, seht ihr die Veränderung hauptsächlich an den eigenen Charakterwerten und bei seltenen Objekten noch durch Effekte wie Eisschaden. Hier steht dem Spiel sein Service-Charakter spürbar im Weg. Denn einen Teil der Cosmetics erhaltet ihr ausschließlich gegen Echtgeld.

Bug, Glitches und andere Probleme

Leider blieben wir im Test nicht von Programmfehlern verschont: In diversen größeren Gefechten brach beispielsweise die Framerate gerne mal merklich ein. In einer der finalen Cutscenes wechselte das Spiel von deutscher auf englische Sprachausgabe. Das ist aber gar nicht so schlimm, weil die Synchronisation ohnehin eher mittelmäßig daher kommt.

Seid ihr mit KI-Kameraden an der Seite unterwegs, sind diese nicht immer eine echte Hilfe. Im Test überließen sie uns mehrfach unserem Schicksal und halfen uns nicht wieder auf die Beine. Gelegentliche Clipping-Fehler und andere Probleme sind ebenfalls an der Tagesordnung. Uns ärgerten besonders die extrem langen Ladezeiten – selbst auf der Playstation 4 Pro. 40 Sekunden dauerte es teils vom Bildschirmtod bis zum Wiedereinstieg. Das ist definitiv zu lang.

7.5

Wertung und Fazit

PRO
  • gut umgesetzte Kampagne mit einigen emotionalen Momenten
  • sechs Helden mit unterschiedlicher Spielweise
  • launiges, wenn auch nicht perfektes Loot-Brawler-Gameplay
CONTRA
  • viele kleine und große Programmfehler
  • Loot-System mangelt es an Tiefe und Abwechslung
  • schwaches Missionsdesign ohne Esprit

Marvel’s Avengers im Test: Superhelden-Action zwischen Frust und Lust

„Avengers“ ist ein Wechselbad der Gefühle: Die Kampagne bescherte uns einige emotionale Momente und toll inszenierte Action-Sequenzen. Das Zusammenspiel der sympathischen Kamala und ihrer Superhelden funktioniert erstaunlich gut und war mit einer der Hauptgründe, den Loot-Brawler weiterzuspielen.

Denn in Sachen Gameplay fühlt sich „Avengers“ leider an wie Fließbandware. Der Spaß hängt stark von eurem Helden ab: Uns überzeugten vor allem Iron-Man und Captain America, während Hulk eine einzige, grüne Enttäuschung war. Auch das Missions- und Gamedesign selbst kommen nicht über den guten Durchschnitt hinaus und das Loot-System motiviert nur begrenzt.

Hinzu kommen allerdings Programmfehler, die bei einem großen AAA-Game mit einer derartigen Lizenz schlicht nicht vorkommen dürfen. „Avengers“ ist nicht der befürchtete Flop, kann allerdings mit anderen großen Produktionen nur bedingt konkurrieren.

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Kommentare

daywalker2609

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James T. Kirk

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