Review

Final Fantasy XV: Gerät der Rollenspielriese ins Straucheln?

Die Legende kehrt zurück: Nach zehn Jahren Entwicklungszeit ist „Final Fantasy XV“ endlich fertig. Und im Test zeigt sich viel Licht, aber auch jede Menge Schatten. Erfahrt, ob sich Square virtueller Roadtrip für euch lohnt.

play3 Review: Final Fantasy XV: Gerät der Rollenspielriese ins Straucheln?

8.0

„Final Fantasy XV“ verschlang zehn Jahre Entwicklungszeit. Hajime Tabata und sein Team arbeiteten in den vergangenen Monaten auf Hochtouren, um den neusten Teil der legendären J-RPG-Serie noch rechtzeitig in den Handel zu bringen. In den vergangenen Wochen wehte Square ein scharfer Wind entgegen. Nicht wenige erwarten, dass „Final Fantasy XV“ das große Erbe seiner Vorgänger nicht weitertragen wird. Die gute Nachricht: Ganz so dramatisch ist es sicher nicht. Dennoch wird „Final Fantasy XV“ polarisieren und sicher nicht nur auf Gegenliebe stoßen.

Was wir gut finden

Ein Japan-Märchen

Die Hauptkampagne erstreckt sich über insgesamt 16 Kapitel und erzählt die klassische Geschichte des Kampfes Gut gegen Böse. Im Mittelpunkt stehen Prinz Noctis und seine Freunde Gladius, Prompto und Ignis. Sie nehmen es mit den Schergen des Imperiums auf, die gleich zu Beginn einen schweren Schlag gegen Noctis‘ Heimat Insomnia landen. In Folge dessen dreht sich alles darum, wie der junge Prinz ausreichend Macht erlangen und den übermächtigen Feind schlagen kann.

Ein etwas anderes „Final Fantasy“

Aus Spoiler-Gründen verzichten wir an dieser Stelle auf weitere Details oder Schauplätze. „Final Fantasy XV“ splittet sich grundlegend in zwei Teile. Nachdem ihr das allzu kurze Tutorial überstanden habt, öffnet das Spiel seine offene Welt für euch. Hier geht ihr auf die Jagd, sucht Königswaffen und vertreibt euch die Zeit mit Campen und dem Aufwerten eurer Charaktere. Wir empfehlen, diese Zeit zu nutzen, ehe ihr „zu neuen Ufern aufbrecht“. Dann nämlich geht es weitaus linearer in Richtung Finale zu.

ff15_01

Diese magischen Momente

Und obwohl die Gruppe um Noctis sicherlich für viel Gesprächsstoff sorgen wird, so gewöhnt man sich mit der Zeit an das Quartett. Ja, die Burschen jammern ständig. Noctis ist selbst nahezu unerträglich und Prompto jemand, dem man dringend das Maul stopfen müsste. Dazu nervt „Final Fantasy XV“ auch noch mit sich wiederholenden Sprüchen und teils absurd mies übersetzten Texten. Trotzdem hat gerade diese Gruppendynamik ihren Sinn, der sich in der zweiten Hälfte zumindest teilweise erklärt und auszahlt. Das Rollenspiel kreiert aufgrund seiner Charaktere und der gewohnt wuchtigen Grafik einige wirklich tolle und emotionale Momente.

Diese entstehen nicht nur aus der Geschichte heraus. Auch das Erkunden der Spielwelt motiviert. „Final Fantasy XV“ gibt sich anfangs sehr konventionell. In den Siedlungen sammelt ihr zunächst Informationen, erhaltet Jagdaufträge oder aktiviert Nebenaufträge. Das Erfahrungssystem ist simpel und wer sich beeilt, levelt enorm schnell auf und schaltet neue Fertigkeiten in acht verschiedenen Technik-Bäumen frei. Die schnellen Erfolge motivieren und heizen die Entdeckerlust weiter an. Schade: Wirkliche Individualisierungsoptionen für die Helden gibt es kaum. Die Loot-Ausbeute tendiert gegen Null. Statt frischer Waffen gibt es hier eher Zutaten für Rezepte und Tränke für alle Lebenslagen.

ff15_02

Monsterzähmen leicht gemacht

„Final Fantasy XV“ verknüpft sein Roadtrip-Setting mit dem Erfahrungs- und Eigenschaftssystem. Ihr könnt die Eigenschaften der Gruppenmitglieder durch Mahlzeiten buffen und euch so vor dem nächsten Kampf einen Vorteil verschaffen oder sogar für mehr Erfahrungspunkte sorgen. XP wiederum könnt ihr nur beim Übernachten in Hotels und Wohnwagen oder beim Campen in Level-Aufstiege und Fähigkeitenpunkte umwandeln.

Das Kampfsystem selbst fällt zunächst vergleichsweise simpel aus. Ihr habt Standard-Attacken, sowie einfache Elementarmagie in Form von „Granaten“, Warp-Attacken und Team-Manöver mit Hilfe von Kommandopunkten. Die leichte Verzögerung in der Steuerung ist Gewöhnungssache, grundsätzlich aber gehen sämtliche Funktionen flott von den Fingern. Der Spielfluss ist klasse und auch wenn die Kämpfe vielleicht nicht ganz die taktische Tiefe früherer „Final Fantasy“-Teile besitzen, so machen sie dennoch Spaß.

Speziell Schlachten gegen wirklich dicke Brocken haben es in sich und gehen mitunter sehr lange. Eine besondere Rolle nehmen die 13 überaus mächtigen Königswaffen ein. Sie verstecken sich in Dungeons und müssen zunächst gefunden werden. Sie richten deutlich mehr Schaden als handelsübliche Klingen an, zehren allerdings an der Lebensenergie des Hauptcharakters. Bedeutet: Agiert ihr zu aggressiv, bringt ihr euch selbst in Bedrängnis. Das sorgt für schwierige Entscheidungen innerhalb der Schlachten. Die Limit-Break-Leiste ergänzt die Königswaffen und ist so etwas wie der Wut-Modus. Habt ihr den blauen Balken aufgefüllt, könnt ihr vorübergehend grenzenlos die Königswaffen einsetzen und fällt somit problemlos auch die größten Gegner.

Was wir schlecht finden

Lasst euch Zeit!

Gerade japanische Rollenspiele sind ja bekannt dafür, dass sie gerne mal erst nach 20 oder 30 Stunden so wirklich Fahrt aufnehmen. Während sich „Final Fantasy XV“ zwar bereits nach kürzester Zeit öffnet, so verschwendet es doch ungemein viel Spielzeit mit Kleinigkeiten. Animationen beim Betanken des Regalias oder das Servieren der Mahlzeiten oder lange Autofahrten sind anfangs noch sehr nett. Mit der Zeit aber nutzen sich diese spürbar ab und irgendwann nerven sie.

„Final Fantasy XV“ hält sich gerne mit Kleinigkeiten auf und das schafft anfangs Atmosphäre. Später jedoch wäre ein aktives Überspringen der Einspieler wünschenswert gewesen. Dazu stören die langen Ladezeiten – selbst auf der PlayStation 4 Pro. Egal, ob bei Schnellreisen zum Regalia oder zum nächsten Missionsort: Die Ladezeiten hätten deutlich kürzer ausfallen müssen.

ff15_03

Mehr Masse als Klasse

Besonders beim Missionsdesign merkt man „Final Fantasy XV“ seine zehnjährige Entwicklungszeit an. Haben Titel wie „The Witcher 3: Wild Hunt“ oder auch „Deus Ex: Mankind Divided“ zuletzt bewiesen, dass Story-Telling und Nebenaufgaben Hand in Hand gehen können, so gelingt das Squares Rollenspiel nur selten. Stattdessen degradiert der Titel Prinz bzw. König Noctis und sein Gefolge schnell zu Laufburschen für Mechaniker und Köche. Mal wäre das kein Problem, aber viele Nebenaufgaben bestehen lediglich aus Botengängen und sind nach dem einfachen Schema „Gehe zu Punkt A, hole Objekt B und bringe es zu Figur C“ aufgebaut. Die Jagdaufträge sind die nette Ausnahme, da hier zumindest das Monster-Design stimmt. Ansonsten aber fallen viele Einsätze enorm einfallslos aus.

Ein ungutes Gefühl beschleicht uns dazu bei den eingestreuten Stealth-Einsätzen. Beim Infiltrieren von Basen müsst ihr häufig unentdeckt bleiben oder gelegentlich Zielpersonen beschatten, ehe die Hölle losbricht. Das Erobern der Lager wirkt im Zusammenhang künstlich und wie aus einem frühen Ubisoft-Spiel geklaut. Als negatives Beispiel dafür, dass „Final Fantasy XV“ mit leisen Tönen nicht wirklich umgehen kann, sei an dieser Stelle das 13. Story-Kapitel genannt. Schleichen ist definitiv nicht die Stärke des Spiels.

ff15_04

Zwischen Spaß und Chaos

Das Kampfsystem gehört für uns zu den großen Stärken und zugleich zu den größten Schwächen des Spiels. Die Echtzeitschlachten sind handlich, jedoch oftmals auch einfach zu wild und chaotisch. Besonders im Gefecht mit vielen Monstern oder Soldaten geht die Übersicht nahezu vollkommen flöten. Nehmt ihr es mit besonders großen Kreaturen auf, spielt die Kamera gerne mal verrückt. Der „Pausenmodus“ gewährt keinerlei taktische Tiefe, sondern erlaubt lediglich das Auskundschaften der Gegner und deren Schwächen. Für mehr Taktik sorgt die Funktion allerdings nicht. Andere Titel – ganz egal, ob Action-Adventure oder Rollenspiel – beweisen mehr Feingefühl und geben einem mehr Kontrolle über das Schlachtfeld.

8.0

Wertung und Fazit

PRO
  • starke Technik
  • stimmungsvolle Story-Momente
  • motivierendes XP-Sammeln und spaßige Monsterjagd
CONTRA
  • nicht 100% gelungenes Kampfsystem
  • oftmals zu langatmig
  • uninspirierte Nebenmissionen

Final Fantasy XV: Gerät der Rollenspielriese ins Straucheln?

„Final Fantasy XV“ bietet ein wahrlich ambivalentes Spielvergnügen. Es mäandert zwischen großer Freude, merkwürdigen Augenblicken und kleineren Ärgernissen. Den „Stand by Me“-Roadtrip-Charme der ersten 20 bis 30 Spielstunden muss man ebenso akzeptieren wie die immer wieder eingestreuten „Bromance“-Momente. Das Spiel beschert einem sowohl monumentale als auch leicht peinliche Augenblicke. Trotzdem ist „Final Fantasy XV“ keine totale Enttäuschung.Das Kampfsystem ist gefällig, die Spielwelt riesig und die Kampagne emotional fesselnd. Natürlich bleibt der Hauptstory-Strang mit einer Spielzeit von 20 bis 25 Stunden hinter den Erwartungen zurück. Doch wer nicht nur von einer Mission zur nächsten sprintet und auch Schauplätze und Missionen abseits der Route genießt, der kommt locker auf 50 und mehr Stunden. „Final Fantasy XV“ will langsam entdeckt und gespielt werden. Die notwendige Zeit dazu müsst ihr dem Titel gönnen. Wir waren im Test positiv davon überrascht, wie schnell die Stunden verfliegen und wie einen die Geschichte trotz der ungewöhnlichen Charaktere packt. Trotzdem bleiben spielerische Schwäche immanent und kratzen merklich an der aufpolierten Hochglanzfassade. „Final Fantasy XV“ wird polarisieren, ist aber dennoch ein sehr gutes Action-Rollenspiel, das einem die langen Winterabende gepflegt versüßt.

Hotlist

Kommentare

consolfreak1982

consolfreak1982

01. Dezember 2016 um 10:24 Uhr
MAN_IN_STEEL

MAN_IN_STEEL

07. Dezember 2016 um 18:04 Uhr