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Assassin's Creed Odyssey im Test: Zu schön, um wahr zu sein?

Griechenland sehen und morden: „Assassin's Creed: Odyssey“ bietet zwar die schönste und größte Spielwelt in der Seriengeschichte, strauchelt aber an einigen Stellen auch über die eigenen Ambitionen.

play3 Review: Assassin’s Creed Odyssey im Test: Zu schön, um wahr zu sein?

8.0

Mit „Assassin’s Creed: Origins“ erweckte Ubisoft die bekannte Action-Serie nach einem Jahr Pause zu neuem Leben. Das Open-World-Abenteuer schnitt alte Zöpfe ab und suchte sich neue Wege: Anspruchsvoller, abwechslungsreicher und schöner als die Vorgänger. „Odyssey“ tritt nun ein schweres Erbe an und muss „Origins“ übertrumpfen. Das gelingt nicht ganz, trotzdem lohnt sich ein Ausflug nach Griechenland.

Was wir gut finden

Die Schönheit Griechenlands

Mit „Assassin’s Creed: Odyssey“ entführt euch Ubisoft ins antike Griechenland zu Zeiten des Peloponnesischen Krieges zwischen Sparta und Athen. In diesem Abenteuer wählt ihr zwischen Kassandra und Alexios, die sich ihren Lebensunterhalt als „Misthios“ – also Söldner – verdienen und für beide Seite antreten.

Die Spielwelt von „Assassin’s Creed: Odyssey“ ist zugleich eine der größten Stärken, aber auch die wichtigste Schwäche im Spiel. Zunächst einmal erschlägt euch der Titel mit seiner grafischen Brillianz. Ganz egal, ob ihr später mit dem Schiff über die Meere schippert, euch durch Waldgebiete schlagt oder die teils dicht bevölkerten Städte erkundet – „Odyssey“ offenbart immer wieder atemberaubende Momente und erstrahlt in voller Grafikpracht.

Fast schon zu groß für Ubisofts Open-World-Formel!

Die Ländereien gestalten sich nicht nur sehr abwechslungsreich, sondern verändern sich mit der Zeit sogar leicht. Dazu sorgen Tages- und Nachtwechsel für Abwechslung. Das Erforschen dieser wunderschönen Welt erfolgt wahlweise zu Fuß, per Pferd oder an bereits besuchten Orte per Schnellreise. Das klassische Erklimmen von Türmen entfällt zwar nicht völlig, ist aber nicht mehr notwendig, um Teile der Karte aufzudecken.

Das Abenteuer ruft

Allerdings gehört „Assassin’s Creed: Odyssey“ zu der Sorte von Spielen, die vergleichsweise langsam in Fahrt kommen, euch dafür aber zu längeren Exkursionen förmlich einladen. Ubisoft teilt die Geschichte in mehrere Episode – wie beispielsweise die Odyssee, in der ihr die Familiengeschichte eures Charakters aufklärt.

Ob ihr übrigens Kassandra oder Alexios wählt, macht spielerisch keinen Unterschied und selbst in den Dialogen gibt es kaum Abweichungen bei den beiden. Uns hat die weibliche Hauptdarstellerin einen Tick besser gefallen, da Alexios eher wie der 08/15-Held wirkt und Kassandra auch aufgrund der gut gelungenen deutschen Synchronisation mehr Tiefe besitzt. Die Geschichte außerhalb des Animus spielt dagegen kaum noch eine Rolle und ist in der etwa 50-stündigen Kampagne zu vernachlässigen.

„Assassin’s Creed: Odyssey“ macht nur wenig wirklich gravierend anders als sein Vorgänger und lockt euch damit ins Abenteuer. Die Missionsfülle überrollt einen förmlich: Attentate, Schatzsuchen, Zerstörung feindlicher Camps und Spielereien wir das Erlegen legendärer Tiere. Die Story bindet wieder historische Figuren wie Perikles oder Sokrates. Und wie es sich für ein „Assasin’s Creed“ gehört gibt es auch wieder eine Verschwörung, die die gesamte griechische Welt in den Abgrund zu ziehen droht. Das Ausschalten der Rädelsführer wird ebenfalls gehörig viel Zeit kosten.

Motivation trotz Grinding

Wie schon erwähnt, verdient sich „Odyssey“ sicherlich keinen Innovationspreis, erschafft aber dennoch einen erstklassigen Spielfluss. Die Missionen orientieren sich stark an den Vorgängern und bestehen gerade innerhalb der Kampagne aus mehreren Prüfungen. Anfangs geht ihr häufig Spuren nach und tragt Informationen zusammen, zum Abschluss gibt es dann Kämpfe oder die Eroberung bestimmter Stellungen. Die Kämpfe selbst erinnern trotz des fehlenden Schild stark an „Origins“. So taucht ihr etwa gekonnt unter Attacken durch oder setzt auf die abwechslungsreichen Fähigkeiten der drei Talentbäume – wie etwa den Tritt der Spartaner.

Zu leicht gestalten sich die Aufgaben eigentlich nur selten, Grund dafür ist das Level-System. Seid ihr nicht stark genug, dann mischen euch – spätestens bei drei oder vier Stufen Unterschied – die KI-Wachen auf. Das liegt nicht unbedingt an ihrer Cleverness, sondern einfach an der größeren Anzahl an Hitpoints. Dann nämlich bringen euch selbst Stealth-Attacken nicht mehr weiter. Die Kämpfe erweisen sich – ähnlich wie das gesamte Spiel – als extrem flüssig.

Problemlos meuchelt ihr euch durch Horden von Kontrahenten und gerade gelungene Ausweichmanöver motivieren enorm. Dazu wartet Ubisoft mit einem frischen Söldner-System auf. Wenn ihr also zu viele Wachen der in den Regionen regierenden Partei umlegt, machen ausgebildete Soldaten Jagd auf euch. Sie bilden – wie auch etwa legendäre, wilde Tiere oder auch Fabelwesen der griechischen Mythologie – die knackigsten Kontrahenten in „Assassin’s Creed: Odyssey“.

Natürlich seid ihr nicht nur zu Lande unterwegs, sondern auch zu Wasser. Die Mechanik bleibt, trotz anderer Waffen, sehr ähnlich wie etwa in „Black Flag“. Wichtigste Neuerung bilden hier sicher die rekrutierbaren Offiziere, mit denen ihr beim Entern anderer Schiffe Seite an Seite kämpft. Die Seeschlachten gehören weiterhin zu den Höhepunkten des Spiels und profitieren massiv von der tollen Darstellung von Wasser und Wellen.

Was wir schlecht finden

Weniger ist mehr …

Ubisoft fährt mit „Odyssey“ wirklich schwere Geschütze auf. Euch erwarten 80 und mehr Spielstunden, ehe ihr wirklich an die Grenzen des Möglichen stoßen werdet. Allerdings erkauft man sich diesen Umfang auch teuer. Durch die gewaltigen Dimensionen der Welt vergrößern sich auch die Distanzen. Nicht selten seid ihr mehrere Minuten zu Pferd von einem Ort zum anderen unterwegs. Die Schnellreisefunktion schafft aufgrund der langen Ladezeiten nur wenig Abhilfe.

Ebenfalls störend: Viele der Nebenmissionen stammen direkt aus dem Baukasten und wirken wie Füllmaterial. Wo sich ein „The Witcher 3: Wild Hunt“ bereits vor einigen Jahren viel Mühe beim Aufbau spannende Zusatzgeschichten gab, da kontert „Odyssey“ zu oft mit langweiligen Attentaten und immer gleichen Mustern. Selbst innerhalb der Kampagne sind insgesamt zu wenige Aufträge dabei, die einem länger im Gedächtnis bleiben. Durch die Ausmaße der Welt wird zudem immer wieder der Erzählfluss unterbrochen.

Entscheidungen ohne Einfluss

„Assassin’s Creed: Odyssey“ baut zudem ein an ein Rollenspiel erinnerndes Dialogsystem in die Serie ein. Es gibt Romanzen und vor allem Entscheidungsmöglichkeiten. Das Problem: Diese haben viel zu wenig Einfluss auf den Spielverlauf. Romanzen sind in der Regel lediglich flüchtige Bekanntschaften, bei denen ihr im besten Fall lediglich zusätzliche Crew-Mitglieder rekrutiert. Oftmals spielen die Liebeleien aber keine echte Rolle. Auch besagte Mannschaft selbst hat kaum Mitspracherecht und selbst in Side-Quests eingeführte Figuren tauchen danach kaum noch auf.

Die Massenschlachten, in denen ihr auf Seiten Spartas oder Athens antretet, mögen zwar eine nette Ergänzung sein, schlagen aber in eine ganz ähnliche Kerbe. Dadurch, dass ihr für beide Parteien antretet gibt es keine emotionale Bindung und am Ende vom Tag spielen sich die Missionen immer wieder nahezu gleich – mal vom gelegentlichen Eingreifen von Kapitänen und Söldnern abgesehen.

Stagnation für Schleicher

Wer in „Assassin’s Creed: Odyssey“ auf ein Wiedererstarken des Stealth hofft, der liegt falsch. Das Spiel stagniert und setzt beim Schleichen weiterhin auf die gleichen Gameplay-Elemente wie zuvor. Ihr pfeift also Gegner aus Büschen herbei, vollführt Attentate in den Rücken oder aus der Luft und versucht, nicht gesehen zu werden. Abhängig vom gewählten Schwierigkeitsgrad reagieren die Computer-Wachen zumeist eher mäßig clever und lassen sich mit ein wenig Übung problemlos austricksen. Der direkte Angriff geht deshalb gerade bei den großen Einrichtungen meist deutlich schneller als die Leisetreterei.

8.0

Wertung und Fazit

PRO
  • wunderschöne Spielwelt
  • gelungenes, actionreiche Kämpfe mitsamt Charaktersystem
  • gelungener Spielfluss
CONTRA
  • viel Grinding und lange Wege
  • schwache Gegner-KI
  • zu wenig Konsequenzen der eigenen Taten

Assassin’s Creed Odyssey im Test: Zu schön, um wahr zu sein?

„Assassin's Creed: Odyssey“ besitzt alle Qualitäten, die ein herausragendes Open-World-Spiel benötigt: Das virtuelle Griechenland ist unglaublich weitläufig und steckt voller Aufgaben, Überraschungen und Geschichten.

Die Einbindung historische Figuren funktioniert erneut klasse und die Vielzahl an Missionen, Talenten, Fähigkeiten und Kampfmöglichkeiten erzeugen einen erstklassigen Spielfluss. In „Odyssey“ vergehen die Stunden wie im Fluge, auch wenn viele der Aufgaben aus dem beliebten Ubisoft-Baukasten stammen. Die in „Odyssey“ servierten Innovationen zünden dagegen nur allzu selten: Das Nationen-System wirkt unausgereift und spielt – wie die frischen Dialogentscheidungen – leider keine allzu dominante Rolle.

Besser gefällt uns da das bereits ähnlich in „Origins“ integrierte Söldner-System, sowie das launige Aufrüsten des eigenen Charakters. Kurzum: „Assassin's Creed: Odyssey“ mag nicht das beste Spiel der Reihe sein, erweist sich aber dennoch als gewaltiger Zeitfresser und hätte – gerade mit etwas liebevoll designteren Side-Quests – sicher auch in noch höhere Wertungsregionen vorstoßen können.

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Kommentare

Konsolenheini

Konsolenheini

07. Oktober 2018 um 08:14 Uhr
AtheistArriS

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07. Oktober 2018 um 11:41 Uhr
Lass Miranda

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07. Oktober 2018 um 11:59 Uhr