Review

Fallout 76 im Test: Die Enttäuschung des Jahres!?

Ein neues „Fallout“ bedeutet normalerweise einen Grund zum Feiern. Im Falle von „Fallout 76“ verzögert sich die Party allerdings noch. Das MMO-Rollenspiel trägt noch einige Kinderkrankheiten mit sich herum!

play3 Review: Fallout 76 im Test: Die Enttäuschung des Jahres!?

6.5

Seit über 20 Jahren ist „Fallout“ eines der Rollenspiel-Aushängeschilder. Gestartet als anspruchsvolle Taktik-Kost aus der Iso-Perspektive, später dann in einer offenen 3D-Spielwelt. Mit „Fallout 76“ geht Entwickler Bethesda nun ein gewaltiges Risiko ein. Über zwei Dekaden war „Fallout“ nämlich ein reines Singleplayer-Abenteuer. Mit dem neusten Ableger allerdings wagt man sich ins vollkommen neue Online-Ödland vor.

Dass dieser Mut nicht zwangsläufig belohnt wird, zeigt die aktuelle Rezeption des Spiels: Fans machen ihrem Unmut auf Metacritic Luft und auch die Presse ist alles andere als begeistert. Wie gut ist „Fallout 76“ also wirklich? Die Redaktion streunte über eine Woche durch das virtuelle West Virginia und liefert euch den Test zum MMO-Rollenspiel.

Was wir gut finden

Eine interessante, wenn auch sehr leere Spielwelt

Kurz nach dem Start entlässt euch „Fallout 76“ in die offene Spielwelt West Virginias. Nur 25 Jahre nach der Atomkatastrophe ist Appalachia wie leer gefegt. Menschen leben hier nicht mehr, dafür aber Mutanten und Monster. Zudem tobt auch noch eine Seuche, die Überlebende in die so genannten Verbrannten verwandelt.

Bethesda erschafft ein wirklich spannendes und stimmungsvolles Szenario mit vielen eindrucksvollen Sehenswürdigkeiten. Der erste Anblick des zerstörten Flughafens von Morgantown erinnerte uns an Zombie-Filme, spätere Bereiche wie das Capitol von Charleston oder ein herunter gekommener Freizeitpark überzeugen ebenfalls.

“Fallout 76“ reißt gute Ansätze mit vielen Fehlern wieder ein

West Virginia lockt mit seinem einzigartigen Look zum Erforschen und lädt mit jeder Menge Loot zu ausgiebigen Entdeckungstouren ein. Speziell die Wechsel zwischen Tag und Nacht erzeugen mit ihren satten Lichteffekten immer wieder schöne Momente. Allerdings kann „Fallout 76“ das Alter seiner Grafik-Technologie nicht vollends verstecken. Animationen, Texturen und Detailtiefe in Innenräumen lassen immer wieder zu wünschen übrig.

Jäger und Sammler

Seine Faszination bezieht „Fallout 76“ daher vor allem aus den Weiten seiner Spielwelt. Durch die hügelige Landschaft ist die Sichtweite eingeschränkt, was immer wieder für Überraschungen sorgt. Das Sammeln von Gegenständen und damit der Aufbau des eigenen Charakters motivieren ebenfalls. Wer möchte, wird in „Fallout 76“ zum Schrottsammler und klaubt bei seinen Streifzügen Dosen, Haushaltsgegenstände und andere Objekte auf.

Später verwertet ihr diese an Werkbänken und benutzt sie zum Bau eures eigenen Camps oder zum Aufrüsten oder Reparieren von Waffen und Ausrüstungsgegenständen. Das langsame Verbessern des eigenen Spielcharakters unterhält enorm und tröstet über viele der Schwächen im eigentlich Spielkonzept hinweg. Kenner der Serie fühlen sich bei den Crafting-Optionen und beim Camp-Bau stark an „Fallout 4“ erinnert. Hier nimmt Bethesda nur leichte Veränderungen vor.

Survival und Talente

Drastischer fallen da die Neuerungen im Talent-System aus: Diesmal verteilt ihr nämlich Spielkarten mit Perks und Fähigkeiten auf die S.P.E.C.I.A.L.- Charakterpunkte. Was sich wie eine Verdummung alter Rollenspieltugende anhört, funktioniert in der Praxis ausgesprochen gut und punktet zudem mit dem für die Serie typischen Humor.

Im späteren Verlauf legt ihr Spielkarten zusammen und kombiniert so eure Fähigkeiten. Darüber hinaus gibt es auch Perks, die Teamplay belohnen und den Koop-Faktor unterstreichen oder euch mit Skills – wie etwa beim Knacken von Schlössern – unterstützen. Praktisch: Die Karten könnt ihr jederzeit tauschen und so eure Fähigkeiten im Feld anpassen.

Die ebenfalls eingestreuten Survival-Skills wirken sich weit weniger dramatisch auf den Spielablauf aus wie erwartet. Hunger, Durst, Strahlung und Krankheiten sind zwar echte Quälgeister, bleiben einem aber dank der gut gelösten Pip-Boy-Bildschirmeinblendungen jederzeit im Gedächtnis. Und ausreichend Ressourcen sind aufgrund des auf Loot basierten Gameplays ebenfalls vorhanden. Die Survival-Elemente fügen sich ordentlich ein, sind aber auch keine Revolution für die Serie.

Was wir schlecht finden

Noch zu viele Bugs

„Fallout 76“ zieht einen recht schnell in seine Welt hinein. Doch je länger wir West Virginia erforschten, auf umso mehr Fehler und Probleme trafen wir vor. Selbst nach dem üppigen Update, das Bethesda kurz nach dem Release des Spiels veröffentlichte, bleibt „Fallout“ eine einzige Bug-Wüste. Gegner rutschen förmlich über den Boden, verschwinden urplötzlich oder tauchen aus dem Nichts auf. Objekte schweben gerne mal in der Luft.

Dazu plagen weiterhin Abstürze den Spielverlauf. Das Schlimmste daran: Nicht selten geht bei einem solchen Absturz der Spielfortschritt mitsamt Einträgen im Questlog verloren. Im Test mussten wir bestimmte Aufgaben erst wieder manuell auswählen oder gar neu starten, ehe es wirklich weiter ging. Hinzu kommen natürlich unzählige Grafik-Fehler, bei denen Mutanten in Objekte hinein ragen.

Umständliche Steuerung

Als wären diese Probleme nicht schon schwerwiegend genug, geißelt einen „Fallout 76“ mit einer absolut überladenen und umständlichen Steuerung. Es erfordert allein zwei Tasten, um ins Optionsmenü zu gelangen. Das Inventarmanagement ist für ein Spiel mit derartigem Fokus auf Loot ein Graus und kostet einen nicht selten unnötig Zeit. Das ständige Hin- und Herschieben von Objekten nervt und gerade die Pip-Boy-Benutzeroberfläche, obwohl nur optional, ist extrem unpraktisch.

Hinzu kommen bereits aus „Fallout 4“ bekannte Übersetzungs- und Textprobleme: Gerade bei aufgerüsteten Waffen oder längeren Quest-Beschreibungen schrumpft das Spiel die Buchstaben auf Miniaturformat zusammen, sodass man selbst auf einem gewaltigen 4K-Fernseher nichts mehr erkennen kann. In Sachen Benutzerführung ist „Fallout 76“ eine Katastrophe.

Ihr kontrolliert euren Spielcharakter übrigens wahlweise aus der Ego- oder aus der Third-Person-Perspektive. Für ein Action-Rollenspiel steuert sich das Programm insgesamt ordentlich, fühlt sich aber insgesamt sehr schwerfällig an. Das VATS-Zielsystem verwandelt Bethesda kurzerhand in eine Art Auto-aim. Für versierte Spieler wird diese Funktion aber nahezu sinnlos, da die angezeigt Trefferwahrscheinlichkeit gerade auf Distanz zu oft gegen 0 tendiert. Da sind wir mit Kimme und Korn besser bedient.

Längen im Spiel und mittelmäßiges Quest-Design

Zudem stößt das gesamte Spielkonzept immer wieder an seine Grenzen. Dadurch, dass es in Appalachia keine NPCs gibt, wirkt die Spielwelt sehr leer und einsam. Die Konsequenz: Neue Quests erhaltet ihr durch Funksprüche, Roboter oder aus Tagebüchern. Was anfangs noch atmosphärisch ist, verliert sich nach einige Zeit in blanker Langeweile. Denn auch das Quest-Design leidet unter diesem Stilmittel: Viel zu oft verliert sich „Fallout 76“ in Sammelaufgaben. Die interessanten Missionen gehen schnell in der Masse und in den langen Wegen unter.

Zu oft verliert sich das Spiel in seinem eigenen Konzept und gelegentlich fallen sogar eindeutig Widersprüche auf: Etwa sind die Quests auf Basis von Text-Logs Gift für Koop-Spieler. Schließlich muss immer einer auf den anderen warten. Gleiches gilt für das umständliche Inventar, welches immer wieder überlange Pausen mit sich bringt. So viel Freude das gemeinsame Erforschen auch macht, die Interaktion wirkt mitunter noch halbgar. Stattdessen verkommen Kämpfe bei gemeinsamen Events zu Zweckbündnissen, bei denen sich die Teilnehmer kurz darauf wieder trennen.

6.5

Wertung und Fazit

PRO
  • stimmungsvolles Szenario
  • ordentlicher Umfang
  • reichlich Waffen, Crafting und Camp-Bau
CONTRA
  • extrem viele Bugs
  • tote und leere Spielwelt
  • komplizierte Steuerung

Fallout 76 im Test: Die Enttäuschung des Jahres!?

„Fallout 76“ besitzt zweifellos Potenzial. Gerade die offene Spielwelt mit all ihren versteckten Orten, Dungeons und Geschichten motiviert uns zum Erforschen und Looten. Auch wenn die Technik dahinter sicherlich nicht mehr die frischeste ist, so stimmt hier doch zumindest die Atmosphäre. Und auch die Grundidee einer menschenleeren Welt klingt zunächst spannend und wird durch Audio-Logs und andere Tricks untermauert.

Das langsame Aufbauen eines eigenen Camps und natürlich auch des eigenen Charakters besitzt erneut einen gewissen Charme. Doch viele dieser guten Ansätze reißt „Fallout 76“ mit Programm- und Designfehlern gleichermaßen wieder ein. Allein die umständliche Steuerung erschwert das Looten und Levelns gleichermaßen und erreicht beim fummeligen Camp-Bau ihren Höhepunkt. Dazu strotzt das Spiel aktuell noch vor Bugs.

Einige davon sind nur optischer Natur, viele wirken sich aber negativ auf den Spielspaß aus. Deshalb gehört „Fallout 76“ sicherlich zu den größten Enttäuschungen des Jahres 2018. Wer aktuell mit dem Kauf liebäugelt, sollte vielleicht noch damit warten, bis Bethesda nachgebessert hat.

Hotlist

Kommentare

Analyst Pachter

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23. November 2018 um 17:34 Uhr
Moonwalker1980

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24. November 2018 um 13:06 Uhr
Mephistopheles

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24. November 2018 um 16:38 Uhr
Eraser_real

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26. November 2018 um 14:04 Uhr