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Life is Strange True Colors im Test: Die Macht der menschlichen Emotionen

play3 Review: Life is Strange True Colors im Test: Die Macht der menschlichen Emotionen

8.5

Mit „Life is Strange: True Colors“ veröffentlicht Square Enix den nächsten Ableger seiner vielseits gelobten Adventure-Reihe und rückt darin eine neue Heldin in den Mittelpunkt. Wie einige ihrer Vorgänger besitzt auch sie übernatürliche Kräfte, doch wie ihr diese einsetzt und wie das eventuell den Verlauf der Handlung beeinflusst, liegt bei euch. Wir verraten euch, warum ihr das emotionale Abenteuer, trotz kleinerer Fehler, nicht verpassen solltet.

Eine junge Frau in der kleinen Stadt

Im Spiel schlüpfen wir in die Rolle der jungen Alex Chen, die in der Bergarbeiterstadt Haven Springs in Colorado ankommt. Ein idyllischer Ort abgeschieden von den großen Metropolen und umringt von der Natur. Hier trifft sich unsere Protagonistin mit ihrem älteren Bruder Gabe. Beide hatten jahrelang keinerlei Kontakt mehr und haben sich deshalb voneinander entfremdet, doch nun wollen sie gemeinsam einen Neuanfang wagen.

Alex lernt die Freunde ihres Bruders sowie weitere Bewohner der kleinen Stadt kennen und erhält so nach und nach einen Einblick in ihre Gemeinschaft. Viele empfangen unsere Hauptfigur dabei mit offenen Armen, während sie selbst noch etwas unsicher auf ihre neue potentielle Heimat reagiert. Doch natürlich besteht diese anfangs so harmonische und idyllische Atmosphäre nicht lange und der Ort wird von einem Schicksalsschlag tief erschüttert.

Mehr möchten wir euch an dieser Stelle nicht zur Handlung von „True Colors“ verraten, denn diese ist, obwohl sie ein paar Schwächen aufweist, eine der größten Stärken des Spiels. Die Story startet ziemlich gemächlich und verläuft recht vorhersehbar, doch gerade im späteren Verlauf wird eine schöne Spannungskurve aufgebaut sowie einige überraschende Wendungen eingestreut. Wie schon in den Vorgängern dürfen wir dabei den weiteren Verlauf der Geschichte an diversen Stellen mittels einiger Entscheidungen im Rahmen von Dialogen auch mitbestimmen.

Diese Gespräche sind zumeist gut geschrieben und fühlen sich natürlich an – sowohl im englischen Original als auch in der gelungenen deutschen Synchronisation und Übersetzung. Die Autoren von Deck Nine Games haben merklich viel Arbeit in die Konversationen gesteckt und überflügeln hierin in manchen Abschnitten die bereits guten Vorgänger. Allerdings fehlt der einen oder anderen Entwicklung innerhalb der Geschichte der nötige Aufbau, weshalb sie trotz der überzeugenden Dialoge nicht immer ihre ganze emotionale Wucht entfesseln können.

Im Sog der Gefühle

Emotionen sind dabei ein gutes Stichwort, denn wie bereits Max („Life is Strange“) und Daniel („Life is Strange 2“) verfügt nun auch Alex über eine ganz besondere Kraft. Sie kann zwar nicht die Zeit zurückdrehen oder mittels Telekinese Dinge bewegen, dafür jedoch die Gefühle ihrer Mitmenschen lesen. Wenn eine Emotion sehr stark ist, wird eine Figur im Spiel von einer Aura umgeben: Rot steht beispielsweise für Wut und blau für Traurigkeit.

Mittels des L2-Triggers kann Alex diese Empfindungen nicht nur wie ihre eigenen wahrnehmen, sondern sie hautnah selbst miterleben. Bei sogenannten Novas verändern sie sogar den kompletten Bereich, in dem ihr euch gerade befindet. Diese Ausbrüche zählen zu den erinnerungswürdigsten Momenten des Games, denn hier greifen die einzelnen Facetten des Titels wunderbar ineinander. Gerade die Art und Weise, wie die Macher in diesen Szenen mit kräftigen Farben in Kombination mit Licht, Schatten und Bildsprache arbeiten, ist hervorragend gelungen.

Damit konnten die Verantwortlichen auch ihr großes Ziel erreichen: Die Ergründung von Empathie und Verlust. Diesen zwei Thematiken nähert sich Deck Nine Games sehr glaubwürdig an und beweist ein tiefes Verständnis für die menschlichen Befindlichkeiten nach einer solchen Erfahrung. Sie zeigen, dass die Zeit danach für die Betroffenen ein Kampf ist und “ Life is Strange: True Colors“ könnte womöglich sogar Menschen dabei helfen, diese Erfahrungen zu verarbeiten. Ein größeres Kompliment lässt sich dem Titel wohl kaum aussprechen.

Darüber hinaus werden im Laufe der fünf Kapitel, die uns insgesamt circa 16 Stunden beschäftigt haben, immer wieder spannende Fragen bezüglich Alex‘ Kräften aufgeworfen. Ist es richtig, diese einzusetzen, nur weil man sie besitzt? Ist es richtig, die Gefühle anderer Menschen zu lesen und zu manipulieren? Wo sollte eine Grenze gezogen werden und was geschieht, wenn diese überschritten wird? Das Game regt diesbezüglich immer wieder zu interessanten Gedankenspielen an, holt aus diesen insgesamt allerdings nie das volle erzählerische Potenzial heraus.

Eine Stadt voller Entscheidungen

Ähnlich verhält es sich mit den hiermit oftmals verbundenen Entscheidungen, die wir als Alex treffen müssen und die den weiteren Verlauf der Story mal mehr und mal weniger beeinflussen. Einige Entwicklungen kommen etwas plötzlich, während andere teils auch nicht ganz zu den Optionen passten, für die wir uns zuvor entschieden hatten. Obwohl die Macher hierbei darauf achteten, auch verschiedene Nebenfiguren über den Verlauf der Geschichte zu entwickeln, was durchaus gut gelungen ist, kamen dennoch einzelne Charaktere etwas zu kurz.

Nicht zu kurz kommt indes die Erkundung von Haven Springs, der Stadt, in welcher sich der Großteil der Handlung des Titels abspielt. Bereits nach wenigen Stunden fühlt sich dieser Ort absolut glaubhaft und real an. Die Geschäfte, die kleinen Straßen, die man erkundet, sowie die Charaktere, denen Alex begegnet, fügen sich zu einem homogenen Bild zusammen und erschaffen somit ein Städtchen, zu dem wir am liebsten selbst einmal hingereist wären.

Dies liegt ebenfalls daran, dass es dort allerlei zu entdecken gibt. Sowohl in den Geschäften als auch auf der Straße verstecken sich kleine Geschichten, Erinnerungen und Details, die dabei helfen, dieses echte Bild der Stadt aufzubauen. Abseits der Straßen gibt es zudem verschiedene Medien, etwa Alex‘ Tagebuch und Social Media-Kanäle, welche die Story zusätzlich um interessante Details erweitern und insbesondere dabei helfen, Alex als Charakter zusätzlich ausbauen und sie zu einer facettenreichen, interessanten wie sympathischen Hauptfigur zu formen.

Das Gameplay bleibt dabei zwar, wie schon in den Vorgängern, recht simpel, präsentiert sich dafür jedoch überraschend abwechslungsreich inklusive einiger Minispiele und kreativer Ideen, die wir euch nicht vorwegnehmen möchten. Inmitten all des Trubels, mit dem sich Alex dabei im Laufe der Story konfrontiert sieht, lassen sich übrigens auch kleine Ruheoasen finden. In diesen Momenten können wir gemeinsam mit ihr in die Ferne blicken und dem stimmungsvollen Soundtrack lauschen, der wunderbar zur Atmosphäre und dem Franchise passt. Kleine Highlights sind dabei übrigens die Momente, in denen Alex selbst zur Gitarre greift und gefühlvoll sigt.

Des Weiteren bleibt ebenfalls der Artstyle jenem der alten Teile treu und sieht nun schicker aus denn je. Die Farben sind kräftiger, die Beleuchtung atmosphärischer und auch Alex‘ Mimik ist der ihrer Vorgänger überlegen. Davon abgesehen präsentiert sich das Spiel technisch allerdings nicht unbedingt in Bestform, denn die von uns getestete PlayStation 5-Version hatte regelmäßig mit kleinen Rucklern, Pop Ups, unrunden Animationen, überraschend langen Ladezeiten sowie anderen kleinen Grafikfehlern zu kämpfen. All dies sind Probleme, die wohl vermeidbar gewesen wären und ab und an sogar die Atmosphäre negativ beeinflussen konnten.

8.5

Wertung und Fazit

PRO
  • Spannende und wendungsreiche Geschichte
  • Alex ist eine sympathische und vielschichtige Hauptfigur
  • Alex' Kräfte sind interessant und werden zumeist clever in den Spielverlauf integriert
  • Story behandelt relevante Themen wie Empathie und Verlust
  • Haven Springs ist ein glaubhafter Ort
  • Wunderschöner Artstyle und stimmungsvolle Musik
CONTRA
  • Einigen Handlungsverläufen fehlt der nötige Aufbau
  • Erzählerisches Potenzial wird nicht immer genutzt
  • Die eine oder andere Nebenfiguren kommt zu kurz
  • Technisch nicht sauber (Ruckler, Pop Ups)

Life is Strange True Colors im Test: Die Macht der menschlichen Emotionen

Das Abenteuer von Alex hat uns schnell in seinen Bann gezogen. Dies liegt nicht nur an den vielen sympathischen Charakteren und der glaubhaften Spielwelt, sondern vor allem der Atmosphäre, die der Titel aufbaut und derer wir uns nur schwerlich entziehen konnten. Wie Alex lernt, mit ihren Kräften umzugehen und versucht, ihren Mitmenschen damit zu helfen, ist sowohl spannend anzuschauen als auch emotional berührend.

Einige Schwächen in der Handlung sowie verschiedene technische Macken fallen zwar negativ ins Gewicht, ändern letztendlich jedoch nichts daran, dass "Life is Strange: True Colors" definitiv einen Blick wert ist. Nicht nur für Fans des Franchise und des Genres, sondern für alle, die gefühlvolle Spiele mögen und die sich vielleicht in dieser herausfordernden Zeit mit den Themen Empathie sowie Verlust auf eine andere Art auseinandersetzen möchten.

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