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Mass Effect Andromeda im Test: Eine Reise ins Unbekannte

Bioware wagt die Reise ins Ungewisse: „Mass Effect: Andromeda“ präsentiert sich im Test als gelungenes Rollenspiel, liefert aber auch ausreichend Angriffsfläche für Kritik.

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8.0

Die „Mass Effect“-Serie blickt inzwischen auf eine zehnjährige Tradition zurück. Der dritte Teil der Shepard-Saga endete schließlich derart kontrovers, dass die heißblütige Bioware-Community auf die Barrikaden ging und lautstark ein frisches Finale forderte. Mit „Mass Effect: Andromeda“ wagen die Rollenspielexperten nun einen Neustart. Zeitlich zwischen dem zweiten und dem dritten Teil, jedoch in einer 600 Jahren entfernten Galaxie, angesiedelt ist im aktuellen Ableger alles neu – Der Hauptcharakter, das Universum und die Feinde. Aber kann „Mass Effect: Andromeda“ den gewaltigen Ansprüchen gerecht werden?

Was wir gut finden

Der Weltraum, unendliche Weiten

Mit dem recht standardisierten Charakterbaukasten bastelt ihr euch einen neuen Protagonisten: Sarah oder Scott Ryder sind Teil der Hyperion und sollen unter der Führung ihres Vaters, dem Pathfinder Alec Ryder, nach einer neuen Heimat für die Menschheit suchen. Es kommt wie es kommen muss: Irgendwann bürdet euch das Spiel diese Verantwortung komplett auf und schickt euch auf eine Odyssee durch das Universum. Als Gegner fungieren die außerirdischen Kett, die ihre bereits auf dem ersten, goldenen Planeten trefft.

Was „Mass Effect: Andromeda“ auf lange Sicht auszeichnet, ist das Gefühl für Weite und die Freude am Erforschen. Im Verlauf erkundet ihr insgesamt sieben Habitat-Planeten und lernt dabei mächtig dazu. Anfangs bezeichnet Ryder unbekannte Gerätschaften noch scherzhaft als „Alien-Apparat“. Also scannt ihr mit Hilfe der Computer-KI SAM Objekte, Bauten und Kreaturen und häuft so zunehmend Wissen an. Dieser Fortschritt motiviert und geht über den klassischen Sammelwahn bekannter Ubisoft-Spiele hinaus.

Das Erforschen der Planeten motiviert enorm.

Zudem weitet Bioware sein traditionelles Action-Rollenspiel aus. Zum Bewohnbarmachen der Planeten erforscht ihr Remnant-Technologien und aktiviert in Rätselsequenzen sogenannte Monolithen. Das Erkunden dieser fremden Welten wird auch in den Nebenmissionen aufbereitet. Hier kümmert ihr euch um die Missstände und bekämpft beispielsweise Korruption, Kriminalität und Drogenhandel. So klingt das Aufbessern der Lebensumstände zunächst nach einem typischen Zeitfüller, jedoch baut Bioware diese Elemente sinnvoll in Neben- und Hauptmissionen ein.

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Mit dem Jetpack in den Kampf

„Mass Effect: Andromeda“ erweitert nicht nur seine Spielwelt, sondern auch die Navigation innerhalb dieser Areale. Per Jetpack katapultiert ihr euch in Sicherheit und weicht Geschossen aus, schaltet in den Schwebemodus und attackiert aus der Luft. Die Kämpfe fühlen sich dadurch dynamischer und flüssiger an als bei allen anderen Teilen der Serie. Außerdem greift ihr über die Schultertasten auf bis zu drei Talente aus den Bereichen Kampf, Tech und Biotik zurück. Einziger Wermutstropfen: Die Computer-KI überzeugt nicht immer. Sowohl Kameraden als auch Widersacher agieren mitunter merkwürdig. Trotzdem sind die Kämpfe insgesamt besser gelungen als in den Vorgängern.

Gerade in den größeren Arenen erweitert Bioware die Schlachten um die dritte Dimension. Mit dem Jetpack wechselt ihr die Ebenen und seid somit flexibler. Diese Option macht sich gerade im Multiplayer bemerkbar. In dem PvE-Modus wehrt ihr in Vierer-Teams Gegnerwellen ab oder erledigt Missionsziele. Zu diesem Zweck wählt ihr aus 25 Klassen und baut deren Fähigkeiten mit der Zeit weiter aus. Die Entwickler betten den Multiplayer clever in den Spielablauf der Kampagne ein. Hier habt ihr die Wahl, ob ihr selbst aktiv ins Feld zieht oder ein Einsatzteam – ähnlich wie in „Assassin’s Creed: Black Flag“ – aussendet. Der Multiplayer ist besser gelöst als zuvor, aber weiterhin nur ein Extra und kein Kaufgrund für „Mass Effect: Andromeda“.

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Ungeahnte Freiheiten

Klassen gibt es in dem Action-Rollenspiel nicht, stattdessen wählt ihr aus Profilen aus. Diese aktiviert ihr durch verteilte Skill-Punkte. Im Gegenzug erhaltet ihr Boni auf bestimmte Fähigkeiten. Ihr habt weiterhin die Wahl, ob ihr nur ein Profil nutzt oder häufiger umschaltet. Es ist also eine durchaus nützliche Option. Gleiches gilt für das Crafting, welches sich in die Bereiche Forschung und Entwicklung splittet. Ressourcen sammelt ihr direkt in der Umgebung, Bohrsonden platziert ihr aus dem Nomad-Buggy und erhaltet so „im Vorbeifahren“ Rohstoffe. Ansonsten entdeckt ihr Bauteile bei Erkunden der Spielwelt. Forschungspunkte verteilt „Mass Effect: Andromeda“ für das Scannen von Objekten. Bioware verknüpft also viele seiner Komponenten miteinander und schafft somit einen ordentlichen Spielfluss.

In dem Action-Rollenspiel greifen viele Komponenten in einander. So baut ihr beispielsweise im Verlauf durch das Bewältigen von Haupt- und Nebenmissionen eigene Kolonien auf und erhaltet dafür zusätzliche Boni und Ressourcen. Den Multiplayer wählt ihr alternativ auch vom Raumschiff Tempest aus an: Jedoch ist er keine Pflicht, sondern kann – ähnlich wie in „Assassin’s Creed: Black Flag“ – auch als Meta-Game fungieren, durch das ihr zusätzliche Rohstoffe mit der Zeit erhaltet. Der Online-Modus präsentiert sich bislang ordentlich, allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern die Community die Koop-Ballereien annehmen wird.

Was wir schlecht finden

Technische Probleme

Doch so schön gerade die Planeten und manche Effekte selbst sind, so gibt sich „Mass Effect: Andromeda“ doch in Puncto technisch wankelmütig. Die hässlichen Gesichter machten bekanntermaßen bereits vor dem Release des Spiels die Runde. Die Darstellung menschlicher Gesichter gehört wahrlich nicht zu den großen Stärken von „Andromeda“. Emotionen transportieren die Fratzen beinahe gar nicht, die Mimik wirkt starr und unnatürlich. Das fällt bei Alien-Charakteren wie Drack oder Peebee weit weniger auf, jedoch stört dieses Manko gerade bei den umfangreichen Dialogsequenzen. Dort stehen die Figuren übrigens auch zumeist wie festgenagelt auf der Stelle, was ebenfalls der Atmosphäre schadet.

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Verschlimmbessertes Deckungssystem

Bioware bricht zwar die starre Spielmechanik der Vorgänger durch die Einbindung des Jetpacks auf, ersetzt aber im gleichen Atemzug das einstmals fest, manuelle gegen ein automatisches Deckungssystem. Das bedeutet: Befindet ihr euch im Kampfmodus müsst ihr schnell sein und darauf vertrauen, dass sich Ryder in der Nähe einer Deckung in Sicherheit bringt. Leider funktioniert das System nicht immer, was dafür sorgt, dass ihr immer wieder unnötig Treffer einsteckt. In Deckung gibt es dann gelegentlich Probleme beim Anvisieren eurer Widersacher. Gerade an höheren Deckungsmöglichkeiten klappt das Zielen nicht immer problemlos, sodass man manuell nachjustieren muss. So ist das automatische Deckungssystem dem Spielfluss zwar zweifellos zuträglich, hat aber auch seine Macken.

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Zu viel des Guten?

Bereits die Vorgänger waren umfangreich, doch „Mass Effect: Andromeda“ setzt noch einmal einen drauf. Mit der Fülle an Optionen und den vielfältigen Hub-Gebieten steigt jedoch die Gefahr, dass man sich darin verliert und die großen Emotionen auf der Strecke bleiben. Tatsächlich ist dies gerade in der Anfangsphase der Fall: Bioware ballert euch mit neuen Funktionen zu – mal mehr, mal minder gut erklärt. Darunter leidet das Charakterdesign und die Identifikation mit den Figuren fällt schwer. Es braucht daher eine ganze Zeit, ehe man sich in „Mass Effect: Andromeda“ zurecht findet und sich wirklich zuhause fühlt.

8.0

Wertung und Fazit

PRO
  • gewaltiger Spielumfang
  • gewohnt emotional und aufregend
  • viel zu entdecken
CONTRA
  • technische Probleme
  • kleinere Schwächen im Deckungs- und Kampfssystem
  • gerade zum Einstieg überladen

Mass Effect Andromeda im Test: Eine Reise ins Unbekannte

Bioware gelingt der Neustart der „Mass Effect“-Serie nicht ohne Hindernisse. „Andromeda“ präsentiert sich zwar insgesamt als gelungenes Action-Rollenspiel, weist aber gerade im Vergleich zur aktuellen Konkurrenz wie „Horizon: Zero Dawn“ oder selbst „The Witcher 3: Wild Hunt“ einige Schwächen auf. Die technischen Schwierigkeiten – allen voran die Pfannekuchengesichter – fallen irgendwann nicht mehr auf. Schwerer wiegt dagegen der mäßig emotionale Einstieg und die über lange Zeit zu flachen Charaktere. Auch das automatische Deckungssystem überzeugte im Test nicht vollends. Trotzdem liefert Bioware alles in allem ein sehr gutes, wenn auch nicht überragendes Action-Rollenspiel ab. „Mass Effect: Andromeda“ besticht gerade in traditionell starken Bereichen wie beispielsweise dem Dialogsystem und der spielerischen Freiheiten. Das Erkunden der Planeten motiviert zudem enorm und bläst den Spielumfang scheinbar ins Grenzenlose auf. Das Erforschen der fremden Welten und Kulturen macht ebenso viel Spaß, wie der Aufbau seines Teams und des eigenen Arsenals. „Mass Effect: Andromeda“ ist ein starkes, aber kein perfektes Action-Rollenspiel.

Hotlist

Kommentare

Zockerfreak

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