Review

Der Herr der Ringe - Gollum im Test: Lizenz-Enttäuschung mit Ansage

Mit mächtiger Tolkien-Lizenz zum internationalen Erfolg? Daedalics "Der Herr der Ringe – Gollum" stolpert über die eigenen Ambitionen und entpuppt sich als Lizenz-Flop erster Klasse.

play3 Review: Der Herr der Ringe – Gollum im Test: Lizenz-Enttäuschung mit Ansage

5.0

Auf die Euphorie folgte der Kater: Als sich das Hamburger Gaming-Unternehmen Daedalic die Tolkien-Lizenz zu „Der Herr der Ringe: Gollum“ sicherte, war die Freude zunächst groß. Schließlich ist es nicht selbstverständlich, dass sich gerade ein deutsches Studio einen derartigen Namen sichert. Doch schon während der Entwicklung geriet „Gollum“ immer wieder in die Schlagzeilen. Die ersten Screenshots und Gameplay-Eindrücke beeindruckten nur bedingt. Release-Verschiebungen schürten die Skepsis bei Spielern und Fachpresse.

Und auch kurz vor Erscheinen gab es Knatsch: Ein Savegame-Bug zerstörte die Spielstände und sorgte in unserem Fall dafür, dass die Vorab-Versionen erst kurz vor Release samt dazugehörigem Hinweis auf den Day-One-Patch ausgeliefert wurden. Die erste Welle der Kritiken ist vernichtend und nicht selten wird „Gollum“ als eines der schwächsten Spiele des Jahres 2023 gebrandmarkt. Aber sind diese vernichtenden Urteile übertrieben oder gar doch gerechtfertigt?

Der Wiedererkennungswert ist da

Bevor wir uns auf die zweifellosen Probleme von „Der Herr der Ringe: Gollum“ stürzen, zunächst einmal ein Blick auf seine Stärken: Nämlich den namensgebenden Hauptcharakter selbst. Das Spiel erzählt die Geschichte, die in Peter Jacksons Filmtrilogie sehr kurz kam: Was geschah eigentlich mit Gollum, nachdem Saurons Häscher ihn gefangen und nach Mordor verschleppt haben? Ihr erfahrt hier also durchaus etwas Neues und das wird „Herr der Ringe“-Fans sicherlich erfreuen.

Daedalic stellt diesen Plot aus der Retrospektive dar und führt zu Beginn u.a. auch Gandalf als Nebenfigur in das Spiel ein. Und so erlebt ihr Gollums Knechtschaft in den Minen des dunklen Herrschers, seine Flucht aus Barad-dûr und was danach geschieht. In den insgesamt zehn Kapiteln und einer Spielzeit von etwa 15 Stunden erkundet ihr auch einige aus den Filmen bekannte Schauplätze und trefft ebenso populäre Figuren wieder. Die Inszenierung ist mitunter hölzern und die Charaktermodelle wirken steif. Aber der Wiedererkennungswert ist dennoch sehr hoch.

Darüber hinaus schafft es die Figur Gollum, dass sie einem sehr schnell ans Herz wächst. Anfangs überlegten wir noch, ob wir den einstigen Ringträger wirklich mögen, aber mit der Zeit ist Gollum ein interessanter und gleichermaßen ungewöhnlicher Hauptcharakter. Seine zwiegespaltene Persönlichkeit greift Daedalic u.a. in den Dialogen und bei Entscheidungsmomenten auf. Hier müsst ihr immer wieder überlegen, ob ihr als Gollum oder als Sméagol (re)agieren möchtet.

Während Sméagol eher nett und zurückhaltend ist, erweist sich Gollum oftmals als schroff und sogar aggressiv. Entsprechend variieren auch die Reaktionen. Ein großes Lob verdient sich an dieser Stelle auch die deutsche Synchronisation, die zwar nah an der Filmvorlage liegt, aber die beiden Persönlichkeiten ausgezeichnet einfängt.

Die Geschichte hinter „Der Herr der Ringe: Gollum“ ist sicherlich nicht Oscar-verdächtig. Jedoch ist die Mischung aus einem interessanten Hauptcharakter und dem Wiedererkennungswert der Lizenz zweifellos gegeben und die große Stärke des Spiels.

Technisch auf schlechtem Niveau

Dummerweise aber enden damit auch über weite Strecken die wirklich positiven Aspekte des Spiels. „Gollum“ selbst entpuppt sich nämlich als spielerisch dünnes und technisch unsauberes Schleich-Abenteuer, das weder beim Gameplay noch bei der Präsentation Bäume ausreißt.

Auch wenn uns im Test Abstürze nicht ganz so stark plagten wie andere Pressevertreter, so befindet sich das Programm zum Start in einem schlechten Zustand. Die Daedalic-Crew entschuldigte sich bereits dafür und gelobte Besserung in Form weiterer Patches. In unserem Test-Durchmarsch allerdings beobachteten wir eine ganze Reihe von Unzulänglichkeiten wie beispielsweise schroffe Übergänge zwischen Animationen, enorme verwaschene Texturen und merkwürdig platzierte Ladepausen.

Der technische Gesamteindruck erweist sich somit als schlecht und das zieht auch die Präsentation merklich nach unten. Mitschuld daran ist auch nicht zuletzt das fragwürdige Design von Charakteren und Spielwelt. Man sucht offensichtlich die Nähe zu den erfolgreichen Filmen, schafft es aber nicht, diesem Look eine eigene Note zu verleihen. Stattdessen sehen gerade die Orks geradezu grotesk menschlich und langweilig aus.

Bei den Dialogen und Ingame-Story-Passagen fallen weitere Unzulänglichkeiten auf: Die Mimik der Charaktere ist abseits von Hauptcharakter Gollum kaum gegeben. Und Details wie beispielsweise ein stocksteifer, nach vorne stehender Bart beim sogenannten „dünnen Mann“ in der Anfangsphase des Spiels sorgen für unfreiwillig komische Momente.

Ein Spiel, sie zu knechten …

Und so gelingt es „Gollum“ auch nicht, diese Probleme durch sein Gameplay auszugleichen. Die Mischung aus Stealth- und Geschicklichkeitspassagen ist nämlich zum einen arg seicht geraten, zum anderen aber auch sehr holprig und unhandlich kontrollierbar. Gollum beherrscht zwar Aktionen wie weite Sprünge und Wall-Runs und kann an klar markierten Vorsprüngen entlang hangeln, allerdings sind Navigation und auch Handling unpräzise.

Im Test rannten wir etwa gleich mehrfach um Leitern herum, ehe die Spielfigur endlich an ihr hochkletterte. Oftmals spielt die Kamera schlicht nicht mit und rotiert wild um den Protagonisten. An anderen Stellen wiederum sorgen Ungenauigkeiten für plötzliche Stürze in die Tiefe. Immerhin sind die Checkpunkte fair gesetzt, sodass ihr euch von einem Punkt zum nächsten vorarbeiten könnt. Trotzdem: Wer Titel wie „Assassin’s Creed“ oder auch „Uncharted“ gewohnt ist, wird sich ob der Kletterpassagen schnell von „Gollum“ abwenden.

Auch das Schleichen funktioniert nur begrenzt – vor allem, weil es zu wenige Möglichkeiten gibt. Gollum kann sich im hohen Gras verstecken, Steine zur Ablenkung werfen oder im Notfall auch Gegner unbemerkt strangulieren. Dass man diesen schwachen und heruntergekommenen Charakter nicht zum Superhelden macht, sollte klar sein. Trotzdem hätte man doch gerade die Verschlagenheit Gollums kreativer und besser integrieren können. Die Gegner patrouillieren auf vorgegebenen Bahnen, sodass es eure Aufgabe ist, einen Weg an ihnen vorbeizufinden.


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Die Lösung ist meist offensichtlich und wenig anspruchsvoll. Gleiches kann leider über die übrigen Aufgaben gesagt werden. Das Spiel liefert über weite Strecken langweilige Sammel- und Suchaufgaben vom Fließband. Dadurch geht „Gollum“ in den ersten Stunden schnell die Puste aus. Auch wenn Daedalic die technischen Probleme sicherlich ausbessern kann, „Gollum“ mangelt es auch spielerisch an Substanz und Feinschliff. Ob man diese Schwächen auf lange Sicht noch glatt bügeln wird, bleibt sehr fraglich.

5.0

Wertung und Fazit

PRO
  • Atmosphäre-Bonus dank "Herr der Ringe"-Lizenz
  • Interessanter Hauptcharakter
  • Dialog-Optionen und Entscheidungsmöglichkeiten
CONTRA
  • Gravierende technische Probleme
  • Wenig Spieltiefe
  • Unpräzise Steuerung

Der Herr der Ringe – Gollum im Test: Lizenz-Enttäuschung mit Ansage

Leider ist "Gollum" der befürchtete Flop mit Ansage! Auf eine holprige und vielleicht sogar überambitionierte Entwicklung folgt ein technisch und spielerisch gleichermaßen enttäuschendes Ergebnis. Probleme wie schwache Animationen, Abstürze und auch die insgesamt angestaubte Technik sind das eine, der grundsätzlich zu seichte und anspruchslose Gameplay-Ansatz das andere.

Ist die anfängliche Freude ob des Settings und der "Herr der Ringe"-Lizenz verflogen, tritt schnell die Ernüchterung ein. "Gollum" krankt an unzähligen Baustellen und gerade der Stealth-Action-Ansatz bleibt weit hinter den Möglichkeiten des großen Namens und des Hauptcharakters zurück.

Kurzum: "Der Herr der Ringe: Gollum" gehört zu den Enttäuschungen des Spielejahres 2023 und spielt sich ähnlich mühsam wie Frodos Reise zum Schicksalsberg.

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