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Death Stranding im Test: Hideo Kojimas unbequemes Meisterwerk

Unkonventionell, ungewöhnlich und einfach anders: „Death Stranding“ passt in keine Gameplay-Schublade und ist genau deshalb so faszinierend. Erfahrt im Test, wieso Hideo Kojimas Endzeit-Abenteuer der PS4-Hit des Winters ist!

play3 Review: Death Stranding im Test: Hideo Kojimas unbequemes Meisterwerk

9.0

Seit der ersten Präsentation im Rahmen der E3 2016 wurde über kein Spiel so viel diskutiert und spekuliert wie über „Death Stranding“. Nach knapp vier Jahren Entwicklungszeit erscheint Hideo Kojimas neuster Streich am 8. November 2019 endlich für Playstation 4. Wir verraten euch im großen „Death Stranding“-Test, worauf ihr euch bei dem Science-Fiction-Epos freuen dürft und wieso es kein Spiel für jedermann sein wird.

Was wir gut finden

Faszinierende Welt

Der „Gestrandete Tod“, Zeitregen und Leerestürze – „Death Stranding“ erzählt eine komplexe Science-Fiction-Geschichte, in der Leben und Tod nicht nur zusammen gehören, sondern unmittelbar kollidieren. Die zivile Ordnung der Vereinigten Staaten brach in Folge von Terroranschlägen und mysteriösen Ereignissen zusammen.

Nun müsst ihr die Nation als Transportbote Sam Porter Bridges wieder zusammenbringen, indem ihr Stationen, Bunker und Außenposten unter dem Banner der UCA (United Cities of America) vereint. Wie, warum und wieso – Das möchten wir an dieser Stelle aus Spoiler-Gründen nicht verraten.

Ein vollkommen neues Spielerlebnis

„Death Stranding“ ist keine leichte Kost – trotz Hollywood-Besetzung wie etwa „The Walking Dead“-Star Norman Reedus als Sam Porter Bridges. So emotional anrührend und wuchtig die Geschichte etwa in den ersten Stunden auch sein mag, so verwirrend ist sie bisweilen auch. Wie viele Kojima-Spiele übt auch „Death Stranding“ aktiv Gesellschaftskritik und stellt im Videospiel-Kontext unbequeme Fragen zu unserem modernen Zusammenleben oder dem aktuellen Weltgeschehen. Wer hier also lockere Samstagabend-Unterhaltung erwartet, liegt absolut falsch.

Stattdessen präsentiert sich „Death Stranding“ als komplexe Zukunftsvision, die aber in ihrer Inszenierung absolut herausragend ist. Das beginnt bei der tollen Darstellung der Hauptdarsteller und der teils fotorealistischen Spielwelt und endet beim ausgezeichneten Soundtrack und der filmreifen deutschen Synchronisation.

Und gerade die Kämpfe mit den GDs (gestrandeten Dingen) könnten intensiver und dramatischer kaum sein: erst wollen euch Tote aus klebrigem Teer kommend in die Tiefe reißen, danach bekommt ihr es mit gewaltigen Kreaturen zu tun, während um euch herum die Hölle losbricht. „Death Stranding“ stellt sich selbst beeindruckend dar und spielt in Sachen Grafik und Sound ganz oben mit.

Die Freuden der Arbeit

Eine Sache möchten wir aber klarstellen: „Death Stranding“ ist kein Titel, der Spielspaß im klassischen Sinne verbreitet. Sams Reise durch die Vereinigten Staaten ist gespickt mit Unwägbarkeiten, langen Wegen und häufigen Rückschlägen. Wenn wir schwer bepackt Felsenwände hinauf klettern und kurz vor dem Ziel abstürzen, dann könnte der Ärger kaum größer sein. Und auch im späteren Verlauf strapaziert „Death Stranding“ unser Nervenkostüm mit ewig währenden Märschen, die durch GD-Attacken und Mule-Angriffe unterbrochen werden.

Das Spiel fährt dabei eine beeindruckende Technik mitsamt realistischer Physik-Engine auf. Zu Beginn jedes Einsatzes positionieren wir Frachtstücke auf Sams Rücken und an seiner Ausrüstung. Das Gewicht wirkt sich in Verbindung mit der Beschaffenheit des Untergrunds realistisch auf die Balance aus. Faktoren wie beispielsweise der Zustand der Stiefel, Sams Ausdauer oder auch die Nutzung eines Exo-Skeletts spielen ebenfalls in Handling und Kontrolle mit hinein.

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Laufen wir also schwer beladen einen nassen Hang hinauf und zehren so Sams Kondition auf, stehen die Chancen sehr gut, dass wir abrutschen und danach mitsamt der Fracht Richtung Tal purzeln.

Das Merkwürdige ist aber: Das Ganze macht irgendwie Spaß. Denn „Death Stranding“ vermittelt ein Gefühl für Erfolge, wie es nur wenige Spiele tun. Wenn wir also dringend benötigte Medikamente oder wichtige Blutproben viele Kilometer weit durch völlig unwegsames Gelände transportieren, dann freuen wir uns umso mehr, wenn die Fracht endlich sicher beim Adressanten ankommt.

Obwohl das Spiel wie ein Walking-Simulator anmutet, so erleben wir doch die Strapazen am eigenen Leibe mit – etwa wenn wir mit den Tasten L2 und R2 ständig unser Gleichgewicht ausbalancieren müssen, um nicht zu stolpern. „Death Stranding“ ist bisweilen anstrengend und frustrierend, doch das gehört zur Spielerfahrung hinzu.

Durch die teils beachtliche Länge der Einsätze und die vielen Risikofaktoren wie Steilhänge, Tiefschnee, Wind, Flussströmungen, Steinschlag, Materialverschleiß usw. entstehen immer wieder dramatische, ungeplante Augenblicke. Missionen entwickeln dadurch ihre eigene Dynamik und erzählen ihre eigene Geschichte – abseits der eigentlichen Handlung.

Unauffällige, aber wichtige Charakterprogression

Im Grunde basiert „Death Stranding“ fast ausschließlich auf Botengängen. Wir marschieren oder fahren also mit Sam von einem Bunker oder einer Station zur nächsten, liefern dort unsere Waren ab und holen uns neue Aufträge. Interessanterweise erfordert gerade die Planung eine Menge Strategie und so ertappten wir uns dabei, wie wir auf der Karte Routen einzeichneten und nach den kürzesten, aber zugleich ungefährlichsten Wegen suchten.

Durch erledigte Aufträge erhöhen wir zunächst die Verbindungsstufe mit den jeweiligen Standorten. Im Gegenzug erhalten wir so oftmals Baupläne für neue Ausrüstungsgegenstände wie etwa den Lastenschweber, mit dem wir auch ohne Fahrzeug zusätzliche Fracht schwebend hinter uns herziehen. Diese Blaupausen nutzen wir wiederum an den 3D-Druckern aller verbundenen Außenposten und frischen so unsere Ausrüstung immer wieder auf.

Während wir anfangs den GDs nahezu chancenlos gegenüberstehen, erhalten wir – dank Sams einzigartigem Blut – später auch Waffen hinzu. Bleibt uns also zu Beginn nur die Flucht als einziger Ausweg, könne wir die Schattenwesen später auch direkt angreifen. Das ändert die gesamte Spieldynamik. Zugleich aber lässt uns „Death Stranding“ zumeist die Wahl, ob wir kämpfen wollen oder den GDs einfach aus dem Weg gehen.

Darüber hinaus steigt aber auch Sam abhängig von unseren Leistungen in den Bereichen Lieferungsvolumen, Frachtzustand, Lieferzeit, Brücken-Links und Verschiedenes auf. Dadurch wiederum schalten wir passive Fertigkeiten, sodass Sam später beispielsweise mehr Last schleppen oder seine Balance nach dem Ausrutschen schneller wiedererlangen kann. Das Charaktersystem von „Death Stranding“ fällt anfangs kaum auf, motiviert aber durch seine viele Belohnungen enorm.

Das gemeinsame Erschaffen einer neuen Welt

Auch wenn „Death Stranding“ ein Singleplayer-Spiel ist, so sind wir doch nie allein. Wir teilen uns nämlich mit vielen anderen Boten eine Welt und können mit unseren, in der Regel nicht sichtbaren Mitstreitern interagieren. Bei sogenannten Briefkästen lassen wir beispielsweise kurzerhand Ausrüstungsgegenstände zurück. Unterwegs warnen wir andere mit Schildern vor GD- oder Mule-Gebieten, fiesen Steilhänge, bevorstehenden Zeitregen-Gebieten und anderen Gefahren.

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Als noch „sozialer“ stellen sich die vielen Bauoptionen heraus. An eigens dafür aufgestellten Posten restaurieren wir etwa kaputte Straßen oder bauen Brücken über Flüsse oder Abgründe. An Steilwänden hinterlassen wir dagegen Kletterseile, positionieren Leitern oder installieren Hightech-Seilrutschen, die Sam samt Fracht rasend schnell über eine Entfernung von bis zu 300 Meter transportieren.

Als Belohnung verteilen und erhalten wir für derartige Maßnahmen Likes. Diese geteilte Spielwelt passt perfekt zum Anspruch von „Death Stranding“ und ergänzt auch die zentrale Botschaft von Hideo Kojimas Abenteuer erstklassig.

Was wir schlecht finden

Von der Ost- zur Westküste

Im Verlauf von „Death Stranding“ durchquert ihr mit Sam Porter Bridges ein Mal die Vereinigten Staaten und aktiviert Knotenpunkte für das sogenannte Chirale Netzwerk. Wir überwinden Berge, Flüsse und Seen. Doch leider passen die Entfernungen im Spiel nicht zu denen der Realität.

So stimmungsvoll die in Hideo Kojimas Endzeit-Abenteuer kreierte Welt auch sein mag, so stimmen die Relationen leider nicht. Andere Titel wie etwa „The Crew“ vermitteln ein deutlich besseres Gefühl für Entfernungen, ohne dabei absolut realistische Distanzen darzustellen.

Keine Tages- und Nachtwechsel

Einher mit dem voran gegangenen Manko geht das Ausbleiben eines Tages- und Nachtwechsels. Zwar variiert das Spiel mit Hilfe des Zeitregens immer wieder die Helligkeit seiner Szenerie, jedoch geht die Sonne anscheinend niemals komplett unter, wie etwa in Horizon Zero Dawn, das ebenfalls die Decima-Engine nutzt.

Gerade die Dunkelheit hätte gut zum Setting gepasst und das Gameplay – etwa beim Infiltrieren von Mule-Lagern oder dem Umgehen von GDs – um eine zusätzliche Komponente erweitert. Darüber hinaus hätten Tages- und Nachtwechsel sicherlich auch für tolle Bilder gesorgt und uns manch langen Marsch versüßt.

Störrische Kämpfe mit den Mules

Die Stärken von „Death Stranding“ liegen eindeutig in den ruhigen Momenten und in der dramatischen Über-Inszenierung bedeutsamer Augenblicke und Kämpfe. Traditionelle Third-Person-Action gehört leider nicht dazu. Speziell die Auseinandersetzungen mit den Mules mangelt es an Herausforderung und Abwechslung.

Gerade der Nahkampf fühlt sich vergleichsweise oberflächlich an und artet oftmals in wildes Button-Mashing aus. Wir jedenfalls sind später auf Schusswaffen umgestiegen, um derartige Schwierigkeiten zu umgehen.

9.0

Wertung und Fazit

PRO
  • meisterhafte Inszenierung
  • geteilte Spielwelt mit anderen „Death Stranding“-Teilnehmern
  • komplexer Mix aus Geschicklichkeit, Action und Umgebungsrätseln
CONTRA
  • merkwürdiges Product-Placement
  • Kämpfe mit Mules nicht perfekt
  • Frust und Spaß liegen sehr dicht zusammen

Death Stranding im Test: Hideo Kojimas unbequemes Meisterwerk

„Death Stranding“ ist ein Kuriosum. Es erhält so viel Aufmerksamkeit und ist doch eigentlich genau das Gegenteil eines Mainstream-Spiels. Hideo Kojimas Endzeit-Walking-Simulator wird nicht jedem gefallen und will das auch gar nicht. Vielmehr stellt „Death Stranding“ die faszinierende Gameplay-Vision eines Ausnahmekünstlers dar.

Und so entpuppt sich der Titel als unbequem und teils überladen, aber eben auch als faszinierend anders und derart ungewöhnlich, dass man eigentlich kaum daran vorbei gehen kann. In den über 50 Stunden unseres Tests entfachte „Death Stranding“ bei uns eine Fülle unterschiedlichster Gefühle und begeisterte mit seinem komplexen Spiel-Universum, das durch die Story-Missionen getragen und durch skurrile Nebenaufträge und aufschlussreiche Textnachrichten zusätzlich zum Leben erweckt wird.

Das Ergebnis von Gameplay, Inszenierung und Geschichte ist schließlich ein unverbrauchtes Spielerlebnis, das einem ebenso ungewöhnliche Momente schenkt und einem daher auch nicht mehr so schnell aus dem Kopf geht.

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Kommentare

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